die Deutsche Literatur
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Sprache und Erkenntnis
Herders Sprachtheorie
NAOJI KIMURA
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1987 Volume 79 Pages 88-99

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Abstract
Um das Verhältnis der Sprache zur Erkenntnis festzustellen, geht man heutzutage meist von dem Begriff einer Natursprache aus. Wie die Naturwissenschaftler im allgemeinen nicht nach dem Ursprung der Natur fragen, sondern sich nur darum bemühen, aus den mannigfaltigen Naturerscheinungen eine Gesetzlichkeit herzuleiten, so ist die Sprache für viele Linguisten das Vorgegebene, das eben Natursprache genannt wird. Sie ist ein Forschungsgegenstand, dessen verschiedenartige Einzelheiten es wie die Naturerscheinungen zu untersuchen und auf bestimmte Prinzipien zurückzuführen gilt.
Einer solchen Einstellung liegt wohl eine Sprachauffassung zugrunde, die sich von der eines Herder, Goethe oder Wilhelm von Humboldt grundsätzlich unterscheidet. Auch im 18. Jahrhundert dachte man vielfach über die Sprache in Analogie zur Natur nach, hatte aber dabei eine Vorstellung von der Natur als natura naturans und natura naturata. Deshalb betrachtete man die Sprache unter den entsprechenden zwei Aspekten, nämlich als energeia und ergon, wie sie so treffend von Humboldt formuliert wurden. Im Laufe des 19. Jahrhunderts ging aber der genetische Aspekt sowohl in der Natur- als auch in der Sprachauffassung weitgehend verloren, bis Anfang des 20. Jahrhunderts Karl Vossler Einspruch dagegen erhob.
Soll im Rahmen einer sprachwissenschaftlichen Fragestellung das Verhältnis von Sprache und Erkenntnis zueinander erörtert werden, so ist Goethes "chlußbetrachtung über Sprache und Terminologie“ in der Farbenlehre zwar richtungweisend für eine Auffassung der Sprache als Symbol bzw. Zeichen. Aber für ihn existieren zwischen Sache und Wort zuerst die Anschauung und dann der Begriff. Deshalb ist er dem Wort gegenüber sehr skeptisch eingestellt, während Herder sich gründlich mit den Sprachproblemen beschäftigte.
Schon in den "Fragmenten über die neuere deutsche Literatur“, und zwar in der 2. Auflage der 1. Sammiung neigte Herder dazu, die Sprache nicht so sehr als Werkzeug der Wissenschaften, sondern vielmehr als Behältnis der Literatur zu betrachten. Er faßte die Sprache denn auch als "einen großen Umfang von sichtbar gewordenen Gedanken, als ein unermeßliches Land von Begriffen“ auf und prägte bereits damals den Begriff einer inhaltbezogenen "Semiotik“. Die Entstehung sprachlicher Zeichen begründete er bekanntlich eingehend in seiner "Abhandlung über den Ursprung der Sprache“ mit den beiden Stichworten von "Merkmal“ und "Besonnenheit.“ Demnach erweist sich ein Wort als eine Erkenntnis selbst, weil es durch ein Merkmal eines Gegenstandes eine pars pro toto darstellt. Die ganze anthropologische Grundlage der Sprachentstehung wurde nachträglich in den "Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit“ erläutert.
Herders Erkenntnistheorie der Sprache liegt schließlich in seiner sog. "Metakritik“ vor. Es geht eigentlich über den sprachwissenschaftlichen Problemkreis hinaus, seine Auseinandersetzungen mit Kants "Kritik der reinen Vernunft“ zu beurteilen. Dieses wenig beachtete Spätwerk gibt jedoch viel Aufschluß über Herders Umstellung von der Sprachpsychologie zur sprachkritischen Erkenntnistheorie. Im Unterschied zum Verstand, der die Erscheinungen analytisch be-merkt und sie mit den Wörtern be-zeichnet, hebt er hier die Vernunft als eine synthetische Kraft hervor, mit den Wörtern Sätze zu bilden. "Wie der Verstand Erfahrung, so hat die Vernunft zu ihrer Sphäre das weite Reich menschlicher Gedanken mittels der Rede.“ Was die Vernunft vernimmt, ist im Grunde genommen die logosbedingte Struktur der Welt,
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