2020 年 160 巻 p. 204-219
Ziel dieser Arbeit ist es, anhand von Beispielen des althochdeutschen Verbalpräfixes gi- in Otfrids Evangelienbuch dessen Funktion sowie das Verhältnis
zwischen dem Präfix ge- (ahd. gi- / got. ga-) und dem periphrastischen Perfekt
zu erläutern.
Dabei wird die These aufgestellt, dass die Präteritum-Form des althochdeutschen gi-Verbs in Otfrids Evangelienbuch den Zustand einer vollendeten
Handlung bezeichnet, und somit mit dem periphrastischen Perfekt konkurriert.
Dieses Präfix hat im Vergleich mit dem lateinischen Perfekt die gleiche
Funktion wie das periphrastische Perfekt (z.B. ahd. gizálta = lat. præcepit „es
hat vorgeschrieben“; ahd. hábet gizáltan = lat. locutus est „er hat erzählt“). Zudem
lässt sich eine Funktion erkennen, die dem althochdeutschen Plusquamperfekt
entspricht (z.B. ahd. gihórtun = lat. audierant „sie hatten gehört“; ahd. firnoman
hábetun „sie hatten gehört“).
Der Untersuchung von Yoshida (1979, 1980) zufolge, führte die Konkurrenz
mit dem periphrastischen Perfekt zum Untergang der perfektiven Verwendung
des Präfixes ge-. Bis heute hat man aber weder einen signifikanten Unterschied noch eine Gemeinsamkeit zwischen dem Präfix ge- und dem periphrastischen
Perfekt zufriedenstellend aufzeigen können.
In der Forschung finden sich gegensätzliche Meinungen über die Funktion
des althochdeutschen Präfixes gi-. Während die Untersuchungen von Dorfeld
(1885) und Dahm (1909) davon ausgehen, es habe einen perfektiven Aspekt,
lehnt Lawson (1965, 1966, 1968a, 1968b, 1970) diese Auffassung ab. Vor einem
Vergleich des Präfixes gi- mit dem periphrastischen Perfekt muss also zunächst
demonstriert werden, dass das Präfix gi- tatsächlich einen perfektiven Aspekt
besitzt. Dies ist durch den Vergleich seines Gebrauchs in Otfrids Evangelienbuch
mit den korrespondierenden Simplex möglich. In der vorliegenden Arbeit
werden die althochdeutschen Belege zudem mit ihren lateinischen Vorlagen
verglichen und die althochdeutschen Beispielsätze anhand korrespondierender
Stellen aus der Vulgata und den Homilien lateinischer Kirchenväter präzise zu
erklären versucht.
(View PFD for the rest of the abstract.)