die Deutsche Literatur
Online ISSN : 2187-0020
Print ISSN : 0387-2831
ISSN-L : 0387-2831
Volume 69
Displaying 1-29 of 29 articles from this issue
  • YOSHIO MASUDA
    1982 Volume 69 Pages 1-11
    Published: October 01, 1982
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
    JOURNAL FREE ACCESS
    Seit dem ersten Versuch von J. Baechtold, eine Geschichte der deutschsprachigen Literatur in der Schweiz zu schreiben, sind neunzig Jahre verflossen. Baechtold "erzählte“ aber nur die Geschichte bis zum Tode Bodmers. Warum?
    Wenn die Begebenheiten "in der Geschichte lehrreich“ sein sollten, um die Worte von G.G. Gervinus zu gebrauchen, müßten sie "zu irgend einem Ziele, zu einem Ruhepunkte geführt haben.“ Ein solches Ziel war für Baechtold Bodmers Tod. Er verzichtete darauf, sein Jahrhundert zu erzählen.
    Seine Literaturgeschichte interessiert uns deswegen, weil sich in ihr eine schweizerische Denkweise der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts spiegelt. Das Nationalbewußtsein des damaligen Schweizers scheint sich von dem des heutigen Schweizers zu unterscheiden. Denn man findet in seinem Buch öfters Ausdrücke, wie "Mutternation“, "Mutterland“, "Stammreich“ u.s.w.
    Andererseits wurde eine wichtige Mission der Schweiz schon von Baechtold deutlich erwähnt, nämlich die“ einer natürlichen Vermittlerin französischer und später englischer Einflüsse“, wie es dann Fritz Ernst noch eingehender erforscht hat.
    Die Schweiz hat eine lange Tradition der Demokratie, daher könnte man mit E. Ermatinger sagen, die Schweizer Literatur sei die Literatur einer politischen Nation, in der Schweiz sollte selbst ein Dichter nichts anderes als ein Bürger sein. Näher betrachtet aber ist das Wesen der Schweizer Literatur nicht so einfach, man vergleiche z.B. den Band "Bürgerlichkeit und Unbürgerlichkeit in der Literatur in der Deutschen Schweiz“.(hrsg. v. W. Kohlschmidt 1978 Bern u. München).
    Download PDF (5014K)
  • Discoursen“ zur "Crit. Dichtkunst“">von den "Discoursen“ zur "Crit. Dichtkunst“
    SHIN-ICHI MINAMIOJI
    1982 Volume 69 Pages 12-21
    Published: October 01, 1982
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
    JOURNAL FREE ACCESS
    Die geschichtliche Bedeutung von J.J. Bodmer und J.J. Breitinger, den sog. "Schweizern“, scheint uns vor allem darin zu bestehen, daß sie mit klarem Selbstbewußtsein als Kritiker eines neuen Zeitalters sich unvermittelt mit zwei überzeitlichen Fragen befaßten: nämlich 1) Was für eine Rolle hat ein literarisches Werk in unserem Leben zu spielen? und 2) Wie muß ein literarisches Werk beschaffen sein, um diese Rolle zu spielen? Die erste Frage haben die Schweizer ohne weiteres mit der horazischen Formel "prodesse et delectare“ beantwortet. Ein literarisches Werk muß danach zugleich nützlich, d.h. belehrend, und es muß "ergetzlich“ sein. Um aber auf die zweite Frage antworten und somit der Antwort auf die erste vollen Sinn geben zu können, erhoben sie die "Einbildungskraft“ zum führenden Prinzip für die schaffenden Künstler sowie für das aufnehmende, d.h. genießende Publikum. Sie haben damit der "Naturnachahmungstheorie“, die damals noch gang und gäbe war, ein eigenes Gepräge gegeben.
    In diesem kleinen Aufsatz nun wird versucht, den Entwicklungsgang zu skizzieren, den der Begriff "Einbildungskraft“ bei den Schweizern von den "Discoursen der Mahlern“(1721-23) bis zur "Critischen Dichtkunst“ (1740) genommen hat. Gerade auf diesem Weg, der schließlich in der "abstractio imaginations“, der produktiven Tätigkeit der Phantasie, sowie in deren Produkt, der "wunderbaren“ Welt nämlich, einen Gipfel erreicht hat, konnten die Schweizer auf ihre Weise den Eigenwert der Poesie und zugleich die Würde des Poeten legitimieren.
    Sie überwinden damit die asketisch-rigoristische Haltung, die der Calvinismus - und überhaupt der Protestantismus-der weltlichen Literatur gegenüber bewahrt hat. Ein dichterisches Werk gilt nicht mehr als schädliches Unterhaltungsmittel, das, wie man glaubte, die "ehrbaren“ Bürger kostbarer Zeit beraube und ihr Herz verführe; und, nach dieser neuen Sicht, vermag es mittels der ihm eigenen Anschaulichkeit und Annehmlichkeit den "grösten Haufen der Menschen“ von den Grundwahrheiten des Lebens, die ihnen sonst schwer zugänglich seien, doch schneller und tiefer zu überzeugen, als Philosophie und Theologie das könnten. Kurz, ein dichterisches Werk, das uns als "ars popularis“ "ergetzend“ belehrt, kann zu Recht mit der Theologie und Philosophie gleichgestellt werden. Welche geschichtliche Bedeutung dieser Erkenntnis zufällt, zeigt der weitere Gang der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts.
    Download PDF (514K)
  • YOSHIYUKI NAKANO
    1982 Volume 69 Pages 22-31
    Published: October 01, 1982
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
    JOURNAL FREE ACCESS
    Was C.F. Meyer, dem Landsmann und Zeitgenossen G. Kellers, "gewaltig“ an diesem imponierte, war dessen Stellung zur Heimat, die "in der Tat der eines Schutzgeistes glich“. Er wuchs mit der Geschichte der Eidgenossenschaft auf, wirkte als Dichter und Staatsmann zur Ehre seines Vaterlandes und gait schließlich als "schweizerischer Nationaldichter“ (Ermatinger).
    Kurz vor und nach der Geburt des Bundesstaates, also in der Mitte des 19. Jahrhunderts, als Keller sich als Dichter bewährte, wurde in der Schweiz die Frage der Nation und der Nationalität leidenschaftlich diskutiert. Die Nationalitätsfrage, auf die wir in der ersten Fassung des "Grünen Heinrich“ stoßen, hatte den Dichter schon im Aufsatz "Vermischte Gedanken über die Schweiz“ beschäftigt, der 1841 während seines Aufenthaltes in München entstanden war. In diesem Aufsatz thematisiert der Verfasser den besonderen Nationalcharakter der Schweizer und stellt als solchen ihre Liebe zur Freiheit und Unabhängigkeit heraus, obwohl er in bezug auf das Geistesleben ihre Zugehörigkeit zu einem größeren Ganzen nicht verneint.
    Im "Grünen Heinrich“ wird die schweizerische Nationalität vom Romanhelden aus der Landschaft gedeutet: "...nicht die Nationalität gibt uns Ideen, sondern eine unsichtbare, in diesen Bergen schwebende Idee hat sich diese eigentümliche Nationalität zu ihrer Verkörperung geschaffen.“ Ein Zusammenhang zwischen Nationalität und einer schweizerischen Kultur, worauf der deutsche Graf besteht, wird von seinem Reisegefährten abgelehnt.
    So versteht sich, daß Keller den Gedanken einer schweizerischen Nationalliteratur ablehnte. Nicht nur hielt er sich von den Programmen der "Literarischen Vereine“ zurück, sondern er brachte seine Ablehnung wiederholt zum Ausdruck. In der Rezension der Ausgabe der Werke Manuels behandelt er diese Frage; er nennt dort vier Dichter, die "eine sogenannte Nationalliteratur im Winkel“ weder kannten noch wollten, die aber "mehr für die Literatur und zur Ehre [ihres] Vaterlandes gewirkt und getan als alle jene Landfahrer.“
    Am 14. Juli 1843 notierte Keller in sein Tagebuch: "Besonders aber muß sich nun der Dichter mit den großen Welt-Fort-oder Rückschritten beschäftigen, mit den ernsten Lebensfragen, die die Menschheit bewegen.“ Am 8. August gleichen Jahres: "Der Dichter soll seine Stimme erheben für das Volk in Bedrängnis und Not.“ Nach diesem Aufruf aber veränderte sich seine Einstellung als Dichter, weil er sich in den folgenden Jahren "in Gärung“ (Ermatinger) befand und auch von der Volksbewegung des Vormärz stark beeinflußt wurde. Ihm schien schon 1847 die Revolution von Tag zu Tag unzulässiger und überflüssiger zu werden, und 1848, als Nachrichten von der Märzrevolution aus Wien, Berlin und Paris eintrafen, war er sich der "politischen Raffiniertheit“ seines Vaterlandes voll bewußt und sehr stolz darauf.
    Aufgrund eines solchen "evolutionären Geschichtsoptimismus“(Böttcher u.a.) bestimmte Keller in "Jeremias Gotthelf“ die Aufgabe aller Poesie, "die Würde der Menschheit im Volke aufzusuchen und sie demselben in seinem eigenen Tun und Lassen nachzuweisen.“
    Er hatte vor, in Berlin Dramen zu schreiben, weil er dadurch seine Aufgabe am besten verwirklichen zu können glaubte.
    In bezug auf die Stellung zum Volk gibt es einen feinen Unterschied zwischen dem Dichter, der "für das Volk in Bedrängnis und Not“ seine Stimme erheben wollte, und demjenigen nach der Gründung des Bundesstaates.
    Download PDF (1930K)
  • Huttens letzte Tage“">Versuch über "Huttens letzte Tage“
    YOSHIAKI SHIRASAKI
    1982 Volume 69 Pages 32-41
    Published: October 01, 1982
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
    JOURNAL FREE ACCESS
    C. F. Meyers erste größere Dichtung "Huttens letzte Tage“ kam im Oktober 1871 heraus. Vorher hatte der Dichter nur zwei kleine Bändchen Gedichte veröffentlicht. Jetzt begann seine Schaffensperiode, in der er mit G. Keller zum bedeutendsten Dichter der deutschsprachigen Schweiz wurde. In diesem Sinne ist dieses Werk zwar der größte Meilenstein seines Lebens; aber hier vereinigen sich auch zwei rivalisierende Mächte, die sich später in zwei Richtungen, Lyrik und Prosa, verzweigen mußten. Die vorliegende Arbeit macht sich zur Aufgabe, solche besonders in der Konstruktion zu betrachtenden Eigentümlichkeiten in Bezug auf die Ausdrucksmöglichkeiten des Dichters und ihre Grenzen zu erörtern und, womöglich, den Grund zu ermitteln, warum seine nachherigen Werke sich verzweigen mußten.
    "Hutten“ enthält in der Ausgabe letzter Hand 71 Gedichte und ist in 8 Bücher gegliedert. Man kann die Eigentümlichkeit dieser Dichtung vielleicht daran erkennen, daß sie verschieden bezeichnet worden ist wie "Zyklus“ (W. Linden, A. Zäch), "Balladensammlung“ (M. Nußberger) oder "lyrische Idylle“(R. Faesi). Aber wir brauchen nicht in die unfruchtbare Auseinandersetzung über die Gattung eingreifen, sondern wollen nur vorläufig feststellen, daß es dafür weder Vorgänger noch Nachfolger gibt und daß sie ein einmaliges, höchst persönliches Gebilde ist. In den ersten Büchern dominieren die epischen Elemente, indem die Jugendgeschichte Huttens relativ treu wiedergegeben wird, und manchmal gibt es Lyrisches neben seinen Reminiszenzen oder der Hoffnung auf die deutsche Zukunft, zusammen freilich mit dem Gefühl des Scheiterns und der Selbstaufgabe. Dies Nebeneinander der epischen und lyrischen Elemente geht von Buch zu Buch in etwas Einheitlicheres über, denn das Epische verliert die zeitliche Extension und funktioniert nur noch als Pointilistisches, als das potentiale Motiv des jeweilgen Gedichtes, indem der Tod des Helden immer näher heranrückt. Das könnte vielleicht so ausgelegt werden, daß die Konstruktion dieses Werkes ein Übergang vom Epischen zum Lyrischen ist.
    Hutten tritt neben Hus und Gustav Adolf als der beliebteste Stoff dergründerzeitlichen Epik auf, besonders unter dem Einfluß des im neuen Reich heftig geforderten Kulturkampfes. Das Versepos ist, nach W. Jordan, die höchste Verkörperung des völkischen Mythos, das immer dann in den Vordergrund tritt, wenn sich die Nation an einem Knotenpunkt ihrer Entwicklung zur führenden Weltmacht befindet. Es entsprach also dem politischen Anspruch der Zeit und erfüllte auch den Erwartungshorizont der meisten Lesenden. Von vielen gründerzeitlichen Versepen sticht unser Werk jedoch dadurch ab, daß es mit dem von allen historischen Wirklichkeiten entfremdeten, einsamen Tod des Helden endet. Trotzdem wird der Eindruck der Gedichte nach und nach klarer und verwirklicht sich die Identifizierung des Bildes mit dem Subjekt, was man vor allem im Versöhnungsprozeß mit dem Tode in den letzten drei Büchern sehen kann. Diese Annahme, daß die Konstruktion dieser Dichtung ein Übergang vom Epischen zum Lyrischen sei, erklärt sich nicht zu Unrecht auch dadurch, daß durch den Tod der epische Gehalt abgeschnitten und die Gedankenwelt des Sterbenden in den Vordergrund gerückt wird.
    Nun muß gefragt werden, warum Meyer als Helden seines Erstlings Hutten wählte. Dieses Werk hat einige sog. Keimgedichte, die jetzt in H.K.A. wiedergegeben sind. Darunter gibt es eine Skizze, wo nicht nur die letzte Stunde Huttens thematisiert, sondern auch, wie beim endgültigen Werk,
    Download PDF (528K)
  • MASARU WATANABE
    1982 Volume 69 Pages 42-52
    Published: October 01, 1982
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
    JOURNAL FREE ACCESS
    Von Robert Walser, dessen Werke in einer Gesamtausgabe erschienen sind, dessen hundertjähriger Geburtstag im Jahre 1978 in Zürich gefeiert und über den nicht wenig geschrieben wurde, kann man heute nicht mehr als von einem vergessenen Schriftsteller sprechen. Trotzdem ist sein Bild noch nicht so eindeutig. "Er ist bestimmt ein Mensch, der «nicht zu fassen, nicht bei seinem Wort zu nehmen» ist. "(A. Zollinger) und "Robert Walser schlägt einem von Mal zu Mal die Instrumente kaputt, mit denen man ihn erklären will.“ (M. Walser) Über Robert Walsers Werk war die Rede von "sprachliche[n] Bummeleien“ (H. Hesse), von der "Befreiung vom Stofflichen“ (M. Brod), von "Sprachgirlanden“ (W. Benjamin), von der "Arabeske“ (Chr. Siegrist) u.ä. Was liegt aber auf dem Grund seiner auf den ersten Blick so harmlosen Geschwaätzigkeit und seines dem Spielerisch-Verschnörkelten nahen Sprachstils? In Walsers Büchern kommen zwei Grundtypen von Personen vor: Vagabund und Diener. Auf diese ausgesprochene Tendenz Walsers zum Nichtsnutz- und Kleinsein achtend, wendet sich die vorliegende Arbeit seiner Zeit und seiner Schriftsteller-Existenz zu.
    Simon Tanner, die Hauptfigur seines ersten Romans "Geschwister Tanner“ (1907), der sich nicht um Zukünftiges sorgt, sondern ganz gegenwärtig lebt, sieht zwar wie ein unbeschwerter Taugenichts aus, aber Taugenichts sein bedeutet hier die Rolle eines Taugenichts spielen müssen. Er widersetzt sich nämlich der Entfremdung des Menschlichen in der modernen Leistungsgesellschaft. Siegfried Lang, Schweizer Dichter der poésie pure, hat schon längst darauf hingewiesen, daß die Walsersche Ironie dem Bürger am häufigsten zusetzt. In dem spät-bürgerlichen Zeitalter, das Gottfried Keller in seinem letzten Werk "Martin Salander“ pessimistisch darstellt, begann Walser seinen Lebenslauf als Schriftsteller. Für ihn besteht zwischen Künstler- und Bürger-Existenz keine Harmonie mehr, wie es bei anderen Schweizer Dichtern vor ihm oft der Fall war.
    Abseitigkeit und Freiheit sind unerläßliche Bedingungen für sein Dichten. Diese künstlerisch absolute Freiheit ist aber oft "grimmige Kälte oder drückende Hitzte“ und "etwas Winterliches, Nicht-lange-zu-Ertragendes“. Die Autonomie der Schriftsteller-Existenz schlägt immer wieder in die Heteronomie der Diener-Existenz um. In dem Roman "Der Gehülfe“ (1908), in dem Walser eine niedergehende bürgerliche Familie der Schweiz beschreibt, steht der Held Joseph Marti in einer absolut untertänigen Beziehung zum Hausherrn Tobler. Im Gegensatz zum dauernden Freiheitsanspruch Simons überliefert sich Marti gern seiner dienenden Zugehörigkeit. Das Thema "Diener“ wird in dem Tagebuchroman "Jakob von Gunten“ (1909) deutlich. Jakob hat sich entschlossen, "gänzlich von aller hochmütigen Tradition abzufallen“ und tritt in die Dienerschule Benjamenta, eine isolierte Welt, ein. Die Zöglinge hier trachten danach, sich auf Null zu reduzieren. Im Willen zur Bedeutungslosigkeit und in der Tendenz zur Erniedrigung liegt Verweigerung der Jagd nach Erfolg und Karriere in der kleinbürgerlichen Gesellschaft und der Funktionalisierung des Menschlichen. Wie beim Vagabunden handelt es sich beim Diener um eine Existenz, die sich den Bedingungen des bedrohenden Mechanismus entzieht, und in der Unterwerfung ist die innere Freiheit eher zu bewahren. Am Schluß des Romans bricht Jakob in einer Traumvision aus der europäischen Kultur auf und will mit dem Ritter Benjamenta als sein "Knappe“ in die Wüste gehen,
    Download PDF (1497K)
  • YOSHIO DOHI
    1982 Volume 69 Pages 53-61
    Published: October 01, 1982
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
    JOURNAL FREE ACCESS
    Was ist "Avangarde“? Wann ist diese Kunst entstanden, deren Möglichkeit in den letzten Jahren angezweifelt wird? Meiner Meinung nach ist sie, ganz kurz gesagt, um 1913 aus der Auseinandersetzung mit dem Kubismus hervorgegangen. Im Zusammenhang damit wird in Deutschland über das Thema "vom Expressionismus zum Dada“ diskutiert, wobei es sich meistens um die Wortkunst der Sturm-Gruppe, den Blauen Reiter und den Dada in Berlin, Hannover und Köln handelt. Bekanntlich wurde aber die Dadabewegung mit dem Namen Cabaret Voltaire 1916 in Zürich, also etwas früher als in den deutschen Städten, von Emigranten wie Hugo Ball und seinen Freunden gegründet. Die Idee dieses künstlerischen Kabaretts wurde im folgenden Jahr von der Galerie Dada übernommen und nach dem Austritt Balls durch die Initiative Tzaras und durch Publikationen wie "DADA“ (1-4•5), "Collection Dada“ u.a. bis 1919 fortgesetzt.
    Dadaistische Tendenzen treten aber schon vor der Dadabewegung der Kriegszeit auf. Wie Hans Arp seine "Dada-Sprüche“ mit den Worten, "Bevor Dada da war, war Dada da“ beginnt, ist z.B. sein Gedicht "Kaspar ist tot“, das in "DADA 4-5“ (1919) abgedruckt ist, in Wirklichkeit schon in Weggis 1912 entstanden. Weggis liegt am Vierwaldstätter See, wo Arp seit 1909 wohnte und mit der abstrakt-konkreten Kunst wie Jakob mit dem Engel rang. Dorthin zogen auch die Maler W. Helbig und O. Lütty. Diese drei Künstler gründeten 1911 die internationale Künstlergruppe "Der Moderne Bund“ und veranstalteten, als Bahnbrecher der Avangarde in der Schweiz, im November des gleichen Jahres ihre erste, am Pariser Kubismus orientierte Ausstellung in Luzern. Eine zweite fand 1912 im Zürcher Kunsthaus statt, aber diesmal ohne Picasso, mit Delaunay, Kandinsky, Klee. u.a. Der Moderne Bund hatte sich also vom Kubismus entfernt und rich dem abstrakten Expressionismus zugewandt. Der entscheidende Grund für diese Kursänderung war, daß Paul Klee und Arp 1911 Kandinsky in München besuchten und seither in enger Verbindung mit ihm blieben. Schon damals war Kandinsky nicht nur als einer der ersten abstrakten Maler, sondern auch als Verfasser von Bühnenkompositionen wie "Der gelbe Klang“ und der Gedichtsammlung "Klänge“ ein Vorläufer der Avangarde. Die Begegnung mit ihm übte einen entscheidenden Einfluß auf Arps Kunst und Dichtung aus (siehe: H. Arp: Kandinsky, le poete. 1951), ebenso auf Balls synthetische Gedanken über die Kunst, die sich von 1913 bis 1914, als er Regisseur der Münchner Kammerspiele war, herausbildeten, nachdem er sich während der Arbeit an seiner Dissertation "Nietzsche in Basel“ seiner kulturreformistischen Aufgabe bewußt geworden war. (siehe: H. Ball: Kandinsky-Vortrag. 1917)
    Diese avangardistischen Tendenzen der Vorkriegszeit mündeten in Zürich in die Dadabewegung der Kriegszeit, obwohl sich die lezteren von den früheren durch ihre entschiedene Stellungnahme gegen den Krieg klar unterscheiden sollte. Von den Produktionen der Dadaisten greife ich in meinem Aufsatz Balls Lautgedichte und Arps Kunstschaffen sowie sein literarisches Werk, insbesondere sein bekanntestes Gedicht, "Kaspar ist tot“ heraus und zwar deshalb, weil die Gedichte beider konstruktiven Charakter haben. Gerade dadurch unterscheidet sich der Dada in Zürich von den Dadabewegungen in New York, Paris und Berlin. In ihren Gedichten geht es nicht mehr um eine dichterische Gestaltung in normaler, sinnhafter Syntax, sondern um verschiedenartige konstruktive Experimente mit Laut, Klang und Bild der einzelnen Wörter selbst.
    Download PDF (479K)
  • Eine Studie zum Vergleich zwischen Frisch und Dürrenmatt
    YOSHIHIRO ARIUCHI
    1982 Volume 69 Pages 62-72
    Published: October 01, 1982
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
    JOURNAL FREE ACCESS
    "Am Ende unseres Fortschrittes“, sagte Frisch im Jahre 1946 beim Anblick der Bilder, die den Atomversuch auf dem Bikini-Atoll zeigen, "bleibt uns nur noch die sittliche Frage“. Aber geht nicht auch Dürrenmatt von diesem Standpunkt aus? Es scheint mir nicht zufällig zu sein, daß beide Schriftsteller, die als Dioskuren bis etwa 1968 wenigstens über die deutschschweizerische Nachkriegstheaterwelt herrschten, die Kollektivschuld in ihrem jeweils für sie bis jetzt erfolgreichsten Schauspiel in Frage stellen, um unsere Moral und Menschlichkeit zu erproben. Sowohl Frischs "Andorra“ (57/61) als auch Dürrenmatts "Der Besuch der alten Dame“ (55) stellen nämlich eine Modell-oder Parabeldramatik dar, die aus drei gleichen Bestandteilen besteht: 1. die Bürger (Andorraner/Güllener), die als Demokraten auf ihre Humanität und Schuldlosigkeit stolz sind; 2. deren Opfer (Andri/Ill), das jedoch im entscheidenden Augenblick der Gewalt preisgegeben wird; und 3. sozusagen eine "Moira“ (Schwarze/Claire), die die Handlung als "dramatisches Movens“ entwickelt, indem sie die ersten beiden Handlungsträger nach ihrem Willen steuert. Die beiden Stücke ähneln sich also im Motiv und in der Grundkonstruktion, aber wie ist es mit der Gestaltungsweise oder Perspektive der Autoren?
    Der Schlüssel für die "Andorra“-Handlung ist, daß die Hauptperson namens Andri nur scheinbar ein Jude ist. Er wird fälschlich für einen Juden gehalten, erscheint aber von einer inneren Perspektive her gesehen als ein ganz "anderer“ Jüngling, als in dem "Bildnis“, das sich die Andorraner von ihm machen, als einem feigen, kalten, geldgierigen Juden. Frisch verwendet diese Kluft zwischen dem realen und virtuellen Bild vom Helden einerseits, um die psychodynamische Konstruktion des antisemitischen Vorurteils komisch zu enthüllen, andererseits, um den erdichteten "Juden“ zu einer Identitätssuche zu treiben, mit deren tragischen Schritten sich sein Hauptthema herausschält: "das Problem der verfehlten menschlichen Existenz“. Man findet also in "Andorra“ das Judenproblem auf der äußerlichwirklichen Ebene der Darstellung, indem Andri für einen wirklichen Juden gehalten wird. Trotzdem kommt die Verwicklung zwischen "Bildnis“ und "Identitätssuche“ auf der innerlich-fiktiven Ebene zum Vorschein, wenn man Andri als einen sinnbildlichen "Juden“ betrachtet.
    Die "Schwarzen“, die an das Dritte Reich erinnern, erscheinen erst am Schluß des Dramas. Der "Beginn einer Katastrophe“, woran Frisch immer Interesse hat, wird hier nicht so sehr von den "Schwarzen“ verkörpert, vielmehr ist es das fertige, seit alters her überlieferte "schwarze“ Bildnis, das im stillen Busen verwahrt wird und das Denken und Handeln der Andorraner vorbestimmt, das die "Katastrophe“ einleitet: Die Andorraner übergeben Andri den Schwarzen.
    Die alte Dame namens Claire tritt gleich zu Beginn des 1. Aktes auf. Ihr Besuch, der große Wellen in der "Kulturstadt“ Güllen schlägt, ist Dürrenmatts eigentümlicher "Einfall“ als Einbruch von etwas Unwahrscheinlichem, Außergewöhnlichem in die scheinbar normale, alltägliche Welt. Nach ihrem kriminellen Angebot: "Eine Milliarde für Güllen, wenn jemand Alfred Ill tötet“, zieht sich Claire in den Hintergrund zurück, und nur vom Balkon schaut sie, quasi als Beobachter, herab auf eines der "sozialen Experimente“,
    Download PDF (534K)
  • YASUMITSU KINOSHITA
    1982 Volume 69 Pages 73-82
    Published: October 01, 1982
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
    JOURNAL FREE ACCESS
    J. P. Hebel war der Tradition des Volkskalenders treu, der seit alters "eine belehrend-informierende wie auch unterhaltende Funktion“ (D. Pilling) gehabt hatte. Er redete seinen Lesern, deren größter Teil das einfache Volk war, freundlich und einfach von den Dingen, die zu ihrem alltäglichen Leben engste Beziehungen hatten. Er erfüllte dabei in erster Linie eine aufklärerische Aufgabe. Hebel wurde im Zeitalter der Aufklärung geboren und wuchs dort auf, wo der Landesherr ein aufgeklärter Herrscher war. Aber so aufklärerisch der Dichter auch war, läßt er keine Spur von Plattheit bemerken, die in der aufklärerischen, im allgemeinen tendenziösen Literatur oft als Schwäche anzusehen ist. Was ihn von dieser Schwäche freihielt, waren seine Religiosität, die durch das Gefühl der Vergänglichkeit alles Irdischen genährt wurde, und seine eigene Perspektive, die von seinem auf das Ewige gerichteten Blick herrührte. Wie schon oft erwähnt, muß der Tod seiner Mutter in dem 13jährigen Hebel unauslöschliche Eindrücke hinterlassen haben. Durch ihren Tod hat er das Absolute in dieser irdischen Welt verloren und dafür den Blick auf die unvergängliche Ewigkeit gewonnen, indem die irdische Welt relativiert worden ist.
    Dieser Blick stimmt nun gerade mit dem eines Kalendermachers überein. Hebel sagt mehrmals "wir Sternseher und Kalendermacher“. Der Kalendermacher schaut in derselben Weise wie der Astronom-nur in entgegengesetzter Richtung. In seinem Kalender steht: "Was aber sonst noch von der Erde zu sagen ist, und wie ihre Einwohner täten, was dem Herrn übel gefiel, bisweilen aber doch auch etwas, das ihm wohl gefiel.“ Ohnedies distanziert sich der Kalender, der nur einmal im Jahr erscheint und wiederholt zu lesen ist, im Gegensatz zur Zeitung von der Wirklichkeit. (L. Rohner) Sub specie aeternitatis erscheint alles vereinfacht, mit anderen Worten, sticht nur Wichtiges, Wesentliches hervor. Hebel hat-auch beim Bericht über Begebenheiten in der großen Welt-dieses Wesentliche, d.h. das für immer Unveränderte im Menschen nie aus den Augen gelassen. Dieser Perspektive entspringt sein Humor, der manchmal mit sachlichem Realismus verbunden ist. Sein Realismus beruht auf seinem gegenständlichen Geist, der durch die Ehrfurcht vor der Welt, die sich scheut zu abstrahieren und die Dinge bloß begrifflich zu behandeln, und durch die wissenschaftlich offene, d.h. vorurteilsfreie Haltung der Aufklärung genährt wurde. Bei Hebel stehen Religiosität und Aufklärung in wunderbarer Harmonie, die den unerschöpflichen Reiz seiner Kalendergeschichten ausmacht.
    Obwohl Hebel in seiner eigenen Perspektive und der aufklärerischen Haltung die Unterschiede der Rassen, Religionen und Stände ignorierte, hegte er doch eindeutig Sympathie für die kleinen Leute, d.h. die Plebejer, denen er selbst entstammte. Das kann man auch daran sehen, wie viele Plebejer in seinen Erzählungen auftreten. Unter diesen Helden fallen die schalkhaften Brüder Zundelfrieder und Zundelheiner besonders auf. Sie sind keine anderen als die Nachkommen des weltbekannten Till Eulenspiegels; in Hinsicht auf ihr echtes Vergnügen an Streichen, unerwartetes Auftauchen und rechtzeitige Flucht, Spottlust u.s.w., auch wenn sie im Vergleich zu ihrem Ahnherrn wesentlich verharmlost sind. Wie dieser zeigen sie, die Hebels Lieblingsgestalten und also seine geistigen Verwandten sind, auch Ähnlichkeit mit dem, Trickster‘. Der Streich richtet sich im allgemeinen gegen die herrschende Ordnung, und gelegentlich problematisiert er sie gründlich und relativiert sie, wie es der Trickster tut. In diesem Sinne könnte man sagen,
    Download PDF (2473K)
  • Bemerkungen zu hermeneutischen Ansätzen Friedrich Schlegels
    KENICHI SAGARA
    1982 Volume 69 Pages 83-90
    Published: October 01, 1982
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
    JOURNAL FREE ACCESS
    Download PDF (385K)
  • Der Zusammenbruch der Landschaft der inneren geometrischen Bilder
    YUKINOBU UMENAI
    1982 Volume 69 Pages 91-100
    Published: October 01, 1982
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
    JOURNAL FREE ACCESS
    Das Werk "Der Sandmann“, das Hoffmann "d. 16. Novbr. 1815 Nachts 1 Uhr“ begonnen hat, ist in den "Nachtstücken“ enthalten., Nachtstück‘ ist eigentlich ein Fachwort der Malerei, das "die Manier der effektvollen künstlichen Beleuchtung eines in seinen übrigen nichtbelichteten Teilen in nächtlichem Dunkel verbleibenden Gegenstandes“ (R. Mühlher) mit Hilfe einer Kerze, einer Lampe oder einer Fackel usw. bedeutet. Indem Hoffmann die optischen Instrumente und den Automaten sehr geschickt verwendet, versucht er in diesem Werk, mit der Hell-Dunkel-Technik die Innenwelt und die Außenwelt, d.h. die nichtbelichtete irre Welt der Phantasie und die belichtete objektive Welt der Wirklichkeit nebeneinanderzustellen, darüber hinaus die Grenzen zwischen den beiden Welten zu dämpfen und ihre Ereignisse und Phänomene abzuschatten.
    Hoffmann wollte anscheinend mit dem Arrangement des Hell-Dunkels Nathanaels Tragödie hervorheben. Die Hauptperson Nathanael hat zwar ein künstlerisches Ingenium, aber er kann den mobilen Kreislauf des, Inder-Welt-seins‘, das aus der Innenwelt und der Außenwelt besteht, nicht recht verstehen und darum sich nicht verwirklichen. Ein Künstler muß bei der Selbstverwirklichung nicht nur die Verinnerlichung der Außenwelt, sondern auch die Veräußerlichung der Innenwelt unbedingt verstehen. Aber aus Furcht vor dem Sandmann, dem Tod des Vaters und dem Automatismus der Wirklichkeit lehnt Nathanael die äußere Wirklichkeit ab und schließt sich in die Welt der eigenen Phantasie ein. Deshalb ist er unbewußt gezwungen, nicht in die schreckliche Wirklichkeit einzutreten und sie durch ein Perspektiv aus der Ferne zu sehen. Hier spielt zweifellos die Optik als Symbol des Gesichtes eine sehr wichtige Rolle.
    Ein Perspektiv hat die Funktion, die Gegenstände aus der Ferne in die Nähe zu ziehen, ihre Umrisse klar hervorzuheben und ihre Farben gegeneinander deutlich abzuheben. Allerdings stört die optische Wirkung in gewissem Sinne die Perspektive der natürlichen Landschaft der inneren Bilder der Menschen, und zwar enthält sie die Gefahr, daß die dreidimensionale Landschaft der inneren Bilder auf den bloß zweidimensionalen Plan reduziert werden könnte. Die Außenwelt der Dinge kann nämlich als zweidimensionaler Plan angesehen werden, indem man durch ein Perspektiv in die Außenwelt sieht. Hier handelt es sich um den allgemeinen Verständigungsprozeß der Menschen, der sich durch die Linsen der Augen vollzieht. Kein Mensch vermag nämlich, Dinge an sich‘ zu erkennen. Die Erkenntnis der Dinge wird erst dann möglich, wenn sie vom Bewußtsein als Phänomene erfaßt werden. Hier ist freilich vorauszusetzen: Die phänomenologische Reduktion, d.h. daß die äußeren Dinge auf die inneren geometrischen Bilder (Urbilder) und umgekehrt diese auf jene zurückgeführt werden, vollzieht sich ungestört. Bei dem Prozeß ist entscheidend, daß aus der Wechselwirkung zwischen den Dingen und den inneren geometrischen Bildern die Anschauung über die Dinge an sich entsteht. In diesem Zusammenhang scheint es, daß Nathanael eine solche Anschauung fehlt. Deshalb kann er nicht klar wahrnehmen, weil er die inneren geometrischen Bilder durch die gegensätzlichen Prinzipien, wie z.B. fern und nah, hoch und niedrig, leicht und schwer, statisch und dynamisch usw., auf die Dinge an sich reduziert. Aus diesem Grund bedeutet die Landschaft der inneren geometrischen Bilder für ihn nichts als einen zweidimensionalen Plan. Und damit mangelt es ihm an Realität, die aus der natürlich funktionierenden Wechselwirkung zwischen den Dingen und den inneren geometrischen Bildern entsteht.
    Download PDF (533K)
  • Sprachkritik bei Nietzsche, Benjamin und Adorno
    YASUICHI YOKITANI
    1982 Volume 69 Pages 101-110
    Published: October 01, 1982
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
    JOURNAL FREE ACCESS
    1. Nietzsche kritisiert die Abstraktion der Dinge durch Begriffe der Sprache. Jeder Begriff, der ein starrgewordenes Bild ist, identifiziert das Einmalige, das Individuelle "durch Gleichsetzen des Nichtgleichen.“ Die Wörter sind "nichts als Metaphern der Dinge, die den ursprünglichen Wesenheiten ganz und gar nicht entsprechen.“ Die Sprache ist für Nietzsche ein kaltes System der Begriffe, das die Welt logisch erscheinen läßt. Die primitive Metapher ist dagegen "eine in hitziger Flüssigkeit aus dem Urvermögen menschlicher Phantasie hervorströmende Bildermasse“, womit eine ästhetische Beziehung des Menschen zur Welt bezeugt wird. In der Natur sind nach Nietzsche keine begrifflichen Gegensätze, sondern nur "Gradverschiedenheiten.“ Statt der Widersprüche der Begriffe will er die der werdenden Welt in sich aufnehmen: "ein dionysisches Ja-sagen zur Welt.“ Aber "Erkenntnis und Werden schließen sich aus.“ Die Welt wird zum Schauplatz für die Macht, die ohne Bewußtsein des Widerspruchs gegen sich in sich ruht. Die Kritik Nietzsches an die bewußte begriffliche Identität schlägt in die Preisung der unbewußten Identität des Machtgefühls um. Wenn er Zarathustra sagen läßt: "Singe! sprich nicht mehr!“, ist das wiederum in der begrifflichen Sprache gesprochen. Befangen war Nietzsche in einem zwischen Begriff, Metapher und Musik zerrissenen Zustand.
    2. Nach Benjamin kann der Mensch sein geistiges Wesen nicht durch die Sprache, sondern in ihr mitteilen: im Namen. "Durch das sprachliche Wesen der Dinge gelangt der Mensch zu deren Erkenntnis: im Namen.“ Als "Residuum des schaffenden Gotteswortes“ war die menschliche Namensprache im Paradies vollkommen erkennend. Mit dem Sündenfall aus dem Paradies wurde das menschliche Wort zu einem abstrakten, das äußerlich etwas mitteilt. Als Spur der Magie der Namensprache kann man vielleicht "die unsinnliche Ähnlichkeit“ zwischen dem Gesprochenen oder dem Geschriebenen und dem Bedeuteten betrachten. "Bis ans messianische Ende“ strebt der Mensch nach der reinen Sprache, dem Wort als Idee: der Namensprache vor dem Sündenfall. Bis dahin lassen die Begriffe die Phänomene am Sein der Ideen Anteil nehmen, indem die Begriffe "an den Dingen die Lösung in die Elemente vollziehen.“ Die Ideen stellen sich als Konfiguration der Elemente dar. In seiner Sprachtheorie scheint Benjamin für das Wort als Idee zu sehr Partei zu nehmen, während er dem Begriff nur eine vorübergehende Vermittlerrolle zuerkennt. Praktisch aber, wie zum Beispiel in "Ursprung des deutschen Trauerspiels“, stellt er meisterhaft das Umschlagen der Allegorie der Vergänglichkeit in die der Auferstehung dar, und zwar mit Begriffen.
    3. In Bezug auf die Problematik der Identität gibt es zwei Stellungen: "Identität in der Nichtidentität“ und "Nichtidentität in der Identität.“ Hegel nahm die erstere, indem er die absolute Identität in den Geist setzte. Dadurch wird aber das Unidentische annulliert. Nach dem Vorbild Benjamins setzt Adorno dem Hegelschen Geist als Absolutem das Detail als Nichtidentisches entgegen. Das Identitätsdenken sagt, nach Adorno, wovon etwas Exemplar ist. Dem Einzelnen bleibt das Nichtidentische als "das aus ihm Verdrängte“, als Materielles immanent. "Objekt erhält sich dem Subjekt gegenüber als Anderes.“ Im Gegensatz zu Benjamin erkennt Adorno dem Namen keine Erkenntnisfunktion zu. Bei Adorno ist das einzige Organon des Denkens der Begriff,
    Download PDF (2401K)
  • MOTOKO NEMOTO
    1982 Volume 69 Pages 111-120
    Published: October 01, 1982
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
    JOURNAL FREE ACCESS
    Das Exil ab 1933 veranlaßte den "großbürgerlichen Schriftsteller“ Brecht notwendigerweise dazu, sich über die Rolle der Intellektuellen in der Zeit des Faschismus Gedanken zu machen. Beim Gespräch mit Walter Benjamin über dessen Abhandlung "Der Autor als Produzent“ stellte er fest: "der Schriftsteller ist am Punkt der Fortentwicklung seiner Produktionsmittel mit den Interessen des Proletariats solidarisch.“ Das entspricht seiner Meinung, daß die "Intellektuellen nur durch die Revolution sich eine Entfaltung ihrer (intellektuellen) Tätigkeit erhoffen können.“
    Rückblickend auf das "goldne Zeitalter“ der Weimarer Republik und die darauf folgende Nazizeit versuchte Brecht im Exil in Dänemark und den USA, die literarischen Komplexe "Tuiroman“ zu schreiben, die leider außer dem satyrischen Stück "Turandot oder Der Kongreß der Weißwäscher“ fragmentarisch blieben. Alle diese Arbeiten sollten "den Mißbrauch des Intellekts“ behandeln. Der "Tui“, die Anfangsbuchstaben des Tellektuell-ins, bezeichnet nach der Definition im Roman den Intellektuellen "dieser Zeit der Märkte und Waren. Der Vermieter des Intellekts.“
    Hanns Eisler schlug Brecht vor, die Geschichte des Frankfurter Soziologischen Instituts als Handlung des "Tuiroman“ zu benutzen. Aus diesem Material aber, dem er zwar einige Tui-Typen abgewinnen konnte, ließ sich keine Handlung entwickeln, die den ganzen Roman tragen könnte. Die Beschäftigung mit diesem Problemkomplex ergab jedoch das Hauptthema von "Turandot“: der wissenschaflichen Forschung, wenn sic auf die finanzielle Unterstützung durch die herrschende Klasse angewiesen ist, wird nicht erlaubt, die Ergebnisse vorzuzeigen, die ihrem Klasseninteresse widersprechen, - die Tuis müssen dann weißwaschen, d.h. lügnerische Formulierungen erfinden, um die Wahrheit zu verdecken. Darum werden die Tuis "Weißwdscher“ oder "Formulierer“ genannt.
    Den Zuschauern liefert das Stück "Turandot“ Anschauungsmaterial; gezeigt wird, wie die Meinungen verkauft werden, wie kläglich lügnerische Formulierungen den Tuis mißlingen. Das alles betrachtet die Zuschauerfigur im Stück, der alte Bauer Sen, der sich trotz seines Alters zu einem Tui bilden will. Brecht brachte diese Figur auf die Bühne, damit das DDR-Publikum an ihrem Verhalten lernen kann, zwischen praktischem und unpraktischem Denken zu unterscheiden. "Turandot“ zeigt, wie der Intellekt, wenn er nicht "eingreifend“ denkt, durch Liebedienerei verfault, und wie durch ihn das Denken sowohl verdorben als auch diskreditiert wird. Das Denken ist aber doch "das Nützlichste und Angenehmste, was zu tun es gibt.“ Es kam aber deshalb in Verruf, wie Sen entdeckt, weil es als Ware verkauft wird. Wenn man den Intellekt zur vollen Entwicklung bringen will, muß sein Warencharakter negiert werden und seine Nützlichkeit von törichter Verwendung auf Seiten der Herrschenden befreit werden. Darin stimmt diese Behauptung Brechts mit der Forderung Benjamins überein, geistige Produktionsmittel zu vergesellschaften. In "Turandot“ wird nur mit dcn Worten des Bauern Sen angedeutet, wic man es ermöglicht, geistige Produktionsmittel zum gemeinsamen Besitz zu machen. Der wahre Befreier, Kai Ho, erscheint niemals auf der Bühne, nur das Gerücht seiner Lehre und Tat verbreitet sich unaufhaltsam. In der Tat befreit er China am Schluß des Stückes, durch einen Aufstand, wie er in der deutschen Geschichte bis dahin niemals geschehen war.
    Download PDF (2737K)
  • YOSHIHARU TAKEUCHI
    1982 Volume 69 Pages 121-130
    Published: October 01, 1982
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
    JOURNAL FREE ACCESS
    Download PDF (341K)
  • FLORIAN COULMAS
    1982 Volume 69 Pages 131-142
    Published: October 01, 1982
    Released on J-STAGE: February 20, 2009
    JOURNAL FREE ACCESS
    Download PDF (1023K)
  • [in Japanese]
    1982 Volume 69 Pages 143-145
    Published: October 01, 1982
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
    JOURNAL FREE ACCESS
    Download PDF (157K)
  • [in Japanese]
    1982 Volume 69 Pages 146-148
    Published: October 01, 1982
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
    JOURNAL FREE ACCESS
    Download PDF (150K)
  • TSUNEKAZU MURATA
    1982 Volume 69 Pages 149-151
    Published: October 01, 1982
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
    JOURNAL FREE ACCESS
    Download PDF (132K)
  • [in Japanese]
    1982 Volume 69 Pages 151-154
    Published: October 01, 1982
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
    JOURNAL FREE ACCESS
    Download PDF (206K)
  • [in Japanese]
    1982 Volume 69 Pages 154-157
    Published: October 01, 1982
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
    JOURNAL FREE ACCESS
    Download PDF (189K)
  • 1982 Volume 69 Pages 183a
    Published: 1982
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
    JOURNAL FREE ACCESS
    Download PDF (35K)
  • 1982 Volume 69 Pages 183d
    Published: 1982
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
    JOURNAL FREE ACCESS
    Download PDF (35K)
  • 1982 Volume 69 Pages 183c
    Published: 1982
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
    JOURNAL FREE ACCESS
    Download PDF (35K)
  • 1982 Volume 69 Pages 183b
    Published: 1982
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
    JOURNAL FREE ACCESS
    Download PDF (35K)
  • 1982 Volume 69 Pages 183g
    Published: 1982
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
    JOURNAL FREE ACCESS
    Download PDF (35K)
  • 1982 Volume 69 Pages 183f
    Published: 1982
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
    JOURNAL FREE ACCESS
    Download PDF (35K)
  • 1982 Volume 69 Pages 183e
    Published: 1982
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
    JOURNAL FREE ACCESS
    Download PDF (35K)
  • 1982 Volume 69 Pages 253b
    Published: 1982
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
    JOURNAL FREE ACCESS
    Download PDF (24K)
  • 1982 Volume 69 Pages 253c
    Published: 1982
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
    JOURNAL FREE ACCESS
    Download PDF (24K)
  • 1982 Volume 69 Pages 253a
    Published: 1982
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
    JOURNAL FREE ACCESS
    Download PDF (24K)
feedback
Top