die Deutsche Literatur
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Volume 87
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  • Catharina von Georgien“">Zu Gryphius' "Catharina von Georgien“
    HITOSHI OKABE
    1991 Volume 87 Pages 1-11
    Published: October 01, 1991
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
    JOURNAL FREE ACCESS
    Andreas Gryphius' "Catharina von Georgien“ ist sein zweites Trauerspiel, das die Form des Märtyrerdramas hat. Königin Catharina wird seit acht Jahren von dem tyrannischen Perserkönig Abbas in Schiraz gefangengehalten. Er verliebt sich in sie, aber die fromme Christin weist seine Werbung ab. In der vierten, Abhandlung‘ des Dramas versucht der Höfling Imanculi vergeblich, sie-im Auftrag des Königs-zum Abfall von ihrem Glauben zu überreden. Er sagt zur Königin, die ihm als eine Fanatikerin erscheint: "Der Perß und Jud und Christ ehrt gleichwol einen Gott“.
    Hier erinnern wir uns nun an ein anderes Drama, dessen Gegenstand die Konfrontation mit dem Fremden ist: an Lessings "Nathan der Weise“. Dort sollen nach der berühmten, Ringparabel‘ die Religionen des Christentums, des Judentums und des Islam gleichberechtigt nebeneinander bestehen können. Doch Gryphius wollte mit der Gestalt des Imanculi gewiß keinen persischen, Nathan‘ schaffen. Der aufklärerische Gedanke religiöser Toleranz war ihm noch fremd. In diesem barocken Trauerspiel liegt die Vorstellung friedlicher Koexistenz der Religionen unter dem einen gemeinsamen Gott denkbar fern. Nicht die Versöhnung des Eigenen mit dem Fremden soll demonstriert werden, sondern die katastrophale Zuspitzung ihres Gegensatzes. In diesem Sinn ist der "Nathan“ das genaue Gegenstück zum barocken Märtyrerdrama.
    In der "Hamburgischen Dramaturgie“ verwirft denn auch Lessing den Versuch seines Zeitgenossen Cronegk, nach einer Episode in Tassos "Das entfesselte Jerusalem“ sein Märtyrerdrama "Orint und Sophronia“ abzufassen. Tasso sei, so heißt es dort, "simpel, natürlich, wahr und menschlich“, Cronegk dagegen "verwickelt, romanenhaft, wunderbar und himmlisch“.
    Damit ist, so könnten wir sagen, nicht nur die Gegensätzlichkeit zweier Stilarten charakterisiert, sondern ein fundamentaler Unterschied zwischen Lessing sowie der Klassik und der Barockliteratur überhaupt. Max Kommerell behauptet in seinem Werk "Lessing und Aristoteles“, daß der "Begriff des barocken Stils“ "der eigentliche, ungenannte Gegner“ von Lessing sei. In der Tat zielt Lessings Kritik auch auf Corneilles "Polyeucte“, jenes berühmte französische Märtyrerdrama des 17. Jahrhunderts. Dabei fordert er von dem Dramatiker, der ein "wahres“ christliches Trauerspiel schreiben wollte, er solle sowohl in der Kunst als auch im Glauben wie Tasso "natürlich, wahr und menschlich“ sein. Demnach wäre sein später entstandener "Nathan“ ein "wahres“ christliches Drama. Aber das konnte kein Trauerspiel mehr sein, eben weil sein Hauptthema die Versöhnung von Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit ist.
    Während in Lessings Drama das Eigene und das Fremde sozusagen horizontal nebeneinander auf der menschlichen Ebene koexistieren sollen, ist im barocken Trauerspiel alles vertikal ausgerichtet: sich dem fremden Glauben radikal verweigernd, strebt der Held gleichsam in die Höhe. Indem er untergeht, findet seine Seele Erlösung. In Gryphius' Märtyrerdrama ist diese Struktur am klarsten zu erkennen, weil sich hier der auf keine Weise überbrückbare Gegensatz von Eigen und Fremd am schärfsten ausprägt.
    Für Catharina bedeutet das, fremde Land‘ natürlich zunächst Persien, wo sie gefangengehalten wird und, da sie der Werbung des Schachs und den Bekehrungsversuchen widersteht, schließlich den Martertod stirbt. Zugleich aber ist jenes fremde Land nichts anderes als diese Welt; denn "diß Threnenthal“
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  • Golgatha und Scheblimini“">"Golgatha und Scheblimini“
    YOSHIKATSU KAWANAGO
    1991 Volume 87 Pages 12-22
    Published: October 01, 1991
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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    Das Ringen um die neue biblische Hermeneutik im 18. Jahrhundert wird am besten durch die "Neologie“ charakterisiert. Mit den Neologen beginnt der Weg der von der aufklärerischen Vernunft geförderten exegetischen Wissenschaft. Damit beginnt aber auch die Selbstentfremdung der Theologie gegenüber den kirchlichen Überlieferungen. Denn sie verleihen dem traditionellen Gedanken der Offenbarung etwas Subjektiv-Willkürliches, indem sie die orthodoxe Inspirationslehre durch die Illumination der Vernunft ersetzen. Der auslegende Mensch mit seiner historisch-kritischen Methode ist nun im Verhältnis zur Bibel die maßgebende Autorität. So entfernt er sich von der Reformation dadurch, daß er das Wort Gottes für eine ewige "moralische“ Vernunftwahrheit hält.
    Von diesem neologisch-aufklärerischen Standpunkt aus ist es schwierig geworden, das Alte Testament positiv zu bewerten, welches somit höchstens zu einer sehr mangelhaften Vorstufe der neutestamentlich-"rationalen“ Wahrheit erklärt wird, oder sogar als ein Haufen von Widersprüchen zurückgewiesen. Damit wäre die altkirchliche Verbindung von Altem und Neuem Testament beinahe verloren gegangen.
    Hamann bekämpfte eine solche Tendenz der Bibelhermeneutik das ganze Leben hindurch aufs heftigste. Dabei ist zu bemerken, daß er das Alte Testament immer sehr hoch schätzte, was vielen Zeitgenossen ein Ärgernis war.
    1784 verfaßte Hamann "Golgatha und Scheblimini“ und behandelte darin eben dieses Thema: die Bedeutung des Alten Testaments. Mit dieser Schrift kämpfte er gegen Mendelssohn. Dieser hatte sich in seiner 1783 erschienenen Schrift "Jerusalem oder über religiöse Macht und Judentum“ bemüht, die politische Emanzipation des jüdischen Volks dadurch zu erreichen, daß er zwischen Judentum und Aufklärung vermittelte. Dabei versuchte er die vernünftig-natürliche von der geschichtlich-positiven Religion zu unterscheiden und das Judentum mit der ersteren zu identifizieren.
    Im ersten Teil dieser Schrift unterscheidet Mendelssohn-auf Grund seines Dualismus von Handlung und Gesinnung-Staat und Religion. So sichert er sich den Ort des Gewissens. Dort habe die Gesinnung mit dem "Stand der Natur“ zu tun. Mit seiner aufklärerischen Auffassung vom Naturzustand behauptet er, daß die jüdischen Gesetze mit dem "Naturrecht“ übereinstimmten, das nicht zeitlich-geschichtlich begrenzt, sondern zu alien Zeiten und an alien Orten verständlich sei. Er erklärt somit das Judentum zur universalen Vernunftwahrheit.
    Hamann kritisiert, daß der Jude Mendelssohn gerade dasselbe tut, was die Neologen ihrerseits im Christentum dem Alten Testament gegenüber tun. Denn Mendelssohn ignoriere die biblische Schöpfungsgeschichte, indem er vielmehr die aufklärerische Auffassung von der Natur und der Gesellschaft in seiner Darlegung voraussetze. In der Schöpfung ist der Mensch im Naturzustand schon "Pflichtträger der Natur“. Der Mensch ist somit von seinem Ursprung her sittlich bestimmt und trägt die Verantwortung für alle Kreaturen. Nach Mendelssohn ist es aber ein Naturgesetz, daß der Mensch, der im Stande der Natur unabhängig, niemandem verpflichtet und Herr über das Seinige sei, sich alles als Stoff für seine Entwicklung verfügbar macht. Solch eine unbegrenzte Selbsterweiterung entspricht aber eben dem Geist des Königs von Preußen. Hamann durchschaut, daß der Aufgeklärte Absolutismus und der damalige Rationalismus gleichen Ursprungs sind, und daß Mendelssohn, ohne es selbst zu wissen, die despotische Herrschaft in Preußen gerade mit seinem Befreiungsprogramm des jüdischen Volks unterstützt.
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  • KUNITAKE SUZUKI
    1991 Volume 87 Pages 23-34
    Published: October 01, 1991
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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    Goethe, der schon von Jugend an großes Interesse für den Orient hatte, las 1814 zum erstenmal in Hammer-Purgstalls Übersetzung vollständig den Divan des mittelalterlichen persischen Dichters Shams al-Din Muhammad Hafiz und wurde im Innersten so tief bewegt, daß er wie immer bei Begegnungen solchen Grades auf den Eindruck nur produktiv reagieren konnte. Daraus entstanden die Gedichte, die bald darauf einen Teil des "West-östlichen Divans“ bilden sollten. Und damit wurde auch seine Teilnahme am Orient immer stärker. Um mit Hafiz wetteifern zu können, mußte er den Dichter und dessen Land so gut wie möglich verstehen, er mußte den Orient studieren. Durch seine Forschungen beabsichtigte er aber auch, den mit der orientalischen Kultur wenig oder nicht vertrauten deutschen Lesern Auskunft über das Morgenland zu geben. So fügte er dem "West-östlichen Divan“ das Ergebnis seiner Forschungen bei, "Noten und Abhandlungen zu besserem Verständnis des west-östlichen Divans“.
    In dem Abschnitt "Zweifel“ von "Noten und Abhandlungen“ behauptet Goethe, daß die persische Dichtkunst von den Europäern "niemals ganz rein, mit vollem Behagen aufgenommen werden“ kann und fragt, was die Abendländer von der persischen Literatur trennt. Und er findet, daß die geistige und körperliche Unterwürfigkeit vor den Herren und Oberen dem Sinn der Europäer niemals eingehen kann.
    Die knechtische Unterwürfigkeit von der Seite des Liebenden wird in der persischen Dichtkunst mit der Liebe des Balls zum Schlägel im Maillespiel verglichen. Diese Liebe drückt neben derjenigen des Schmetterlings zur Flamme des Lichts sinnbildlich das Unglück aus, während die Liebe der Nachtigall und der Rose glücklich und genußreich ist. Der Ball ist immer bereit, sich im Maillespiel nach Belieben des Schlägels schlägeln zu lassen und herumzuspringen und ist herzlich froh, wean dieser es für würdig befindet, ihm Streiche auf den Kopf zu geben.
    Im Orient ist solche Unterwürfigkeit unter dem Despotismus entstanden und bestehengeblieben. Goethe forscht danach, warum der östliche Dichter gegen den Herrn so knechtisch verfährt, und wieweit die Beziehung des Dichters zu seinem Herrn menschlich ist. Bei den orientalischen Völkern bleibt die unumschränkte Gewalt des Despoten immer erhalten, und das Glück, das die Völker unter der uneingeschränkten Herrschaft genießen können, hängt nur von der Gewalt und dem Nimbus ihres Monarchen ab. Sie sind nicht nur bereft, sondern auch stolz, sich vor ihrem Monarchen zu demütigen, wenn sie in seiner Macht Zuflucht und Schutz finden können. Und der Dichter fühlt sich vor allem veranlaßt, den Oberen, der sein Talent schätzt, rühmend hervorzuheben, wie es dem Panegyriker zukommt. Daraus ist zu schließen, daß die geistige und körperliche Unterwürfigkeit vor dem Oberen im Orient die Grundlage für die der dortigen Literatur eigentümlichen Panegyriken bildet.
    Nun richtet der Dichter seine panegyrischen Gedichte, die er dem Monarchen gewidmet hat, ebenso demütig auch an seine Geliebte. Dann werden die allegorischen Ausdrücke, die zuerst bei Gelegenheit bescheiden angewendet worden sind, von späteren Dichtern mit der Zeit immer häufiger, parodisch modifizierend gebraucht und zuletzt oft mißbraucht.
    Durch Beispiele erläutert Goethe die den Europäern widerlichen oder nicht vertrauten orientalischen Tropen und Gleichnisse und fordert den Lesern auf, einen offenen Sinn für fremde Kulturen zu haben, damit sie an den Produktionen der herrlichsten orientalischen Geister teilnehmen können.
    Er selbst bestrebt sich,
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  • Über den Humoristen als Fremdling in Jean Pauls Romanen
    NOBUO IKEDA
    1991 Volume 87 Pages 35-45
    Published: October 01, 1991
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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    In Jean Pauls Literatur ist der Gegensatz des Fremden und des Eigenen sehr konsequent thematisiert. Die dafür grundlegenden Begriffe wie Ich, Witz, das Lächerliche, Humor usw. bezeichnen kein ursprüngliches Wesen oder keine einheitliche Funktion, sondern sind vielmehr die Namen der Funktionen, die erst nach der Spaltung des Ureigenen ins Eigene und Fremde entstanden sind. Durch die Welt Jean Pauls läuft wie ein Meridian eine trennende Grenzlinie, die das Fremde von dem Eigenen scheidet.
    Das hängt zusammen mit seinem frühesten Ich-Erlebnis, worüber er in seiner "Selberlebensbeschreibung“ wie folgt erzählt: "An einem Vormittag stand ich als ein sehr junges Kind unter der Haustüre und sah nach links nach der Holzlege, als auf einmal das innere Gesicht, ich bin ein Ich‘ vom Himmel vor mich fuhr und seitdem leuchtend stehen blieb: da hatte mein Ich zum ersten Male sich selber gesehen und auf ewig.“
    Man sollte dieses Erlebnis eines armen Pfarrerssohns in einem kleinen Dorf des Fichtelgebirges mit Max Kommerell für den Ursprung von Jean Pauls Literatur halten. Es war eine historische Stunde in der Literatur-geschichte, wo ein Ich in der modernen bürgerlichen Gesellschaft neu erwachte.
    Dieses Erlebnis, das früher im Rahmen der christlichen Mystik als eine Offenbarung der Göttlichkeit interpretiert worden wäre, wurde unserem Autor zu einem im Säkularen aufzulösenden Rätsel des Ichs. Denn wer ist es, der dort zum ersten Mal seinem Ich begegnet? Hinter diesem heroischen Ich-Erlebnis steckt etwas unheimlich Fremdes, welches das Ich unabwendbar in zwei Teile spaltet: nämlich in Körper und Geist.
    Der Grundgedanke, das Ich bestehe aus den zwei gegenseitig fremden Elementen Geist und Körper, geht so weit, daß schließlich zwischen den beiden Ichs keine direkte Kommunikationsmöglichkeit mehr besteht. Ein Ich kann das Dasein eines fremden Ichs neben sich nur dadurch glauben, daß es den Augen, der Nase und den Lippen des andern seine eigene Seele überträgt. Die Körperglieder des Menschen spielen also die Rolle von Zeichen, denen von der Seele der Sinn zugeteilt wird.
    Auch die Natur verhält sich anders als das Ich. Sie besteht auch aus dem Körperlichen und dem Geistigen, das heißt, aus einer entseelten Natur und einer Geisterwelt. Die letztere hat eine starke Empfindungs-fähigkeit für den fremden Äther aus der anderen Welt. Auch die Oberfläche der Natur ist mit unzähligen Zeichen bedeckt, die ohne Zuwirkung der Seele absurd wie die Figuren der toten Mondoberfläche blieben. Der Zubringer des Lebens und der Bedeutung ist die Phantasie, deren unterteilte Funktionen jeweils als der Witz, das Lächerliche, das Komische oder der Humor benannt werden.
    Es ist unzweifelhaft Jean Pauls höchster Beitrag zur deutschen Literatur, daß er aus seiner eigenen kritischen Erfahrung der Ich-Spaltung die Idee des romantischen Humors und den poetischen Charakter des Humoristen geboren hat. Jean Pauls romantischer Humor ist sowohl eine messianische Weltanschauung als auch eine Art Phantasie, die die unbeseelte fremde Welt beseelt.
    Typische Humoristen in seinen Werken wie Leibgeber oder Vult sind Teil eines Doppelgängerpaars, was ihre Herkunft aus der Ich-Teilung deutlich macht. Sic nehmen als geistige Wesen die Rolle, den anderen zu erziehen, auf sich. Die andere Hälfte hat mehr Körper als Geist und muß deshalb vom Humoristen nach oben gezogen werden. Die geistigen und luftigen Wesen der Humoristen tragen das Schicksal, nicht mehr an Ort und Stelle zu sein, wenn ihre Arbeit in der Welt, die Initiationsleitung des körperhaften Romanhelden, getan ist. Deswegen leiden sie am Identitätsverlust. Leibgeber-Schoppe hat zum Beispiel große Angst vor einem Spiegel,
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  • MOTOYUKI AOKI
    1991 Volume 87 Pages 46-56
    Published: October 01, 1991
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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    "Friedensfeier“ ist kein Gelegenheitsgedicht auf den Friedensschluß von Lunéville (1801), sondern eine geschichtsphilosophische Hymne, die vom Frieden als einem versöhnten Zustand aller Gegensätze und Trennungen, also von einer Zukunftskonzeption des Dichters handelt. Für Hölderlin bedeutete die damalige widersprüchliche Situation den Übergang zur Vollendung der Geschichte. Dieser Auffassung entsprechend, drängen sich in den Gedichten um 1800 die Vorstellungen von Reife und Ruhe, wie Herbst, Frucht, Abend und Stille. In diesem Zusammenhang tritt eines der wichtigsten Motive der Spätwerke hervor, das Fest-Motiv. Obwohl auf verschiedenen Ebenen behandelt, geht es in dieser Hymne um den Festtag, der erst durch die Wiederkehr aller entflohenen Götter und die Selbstüberwindung der Menschen möglich ist. Was die letztere Bedingung betrifft, bietet das, Zeitbild‘, das der, Herr der Zeit‘ in dem Prozeß seiner Verwandlung in den, stillen Gott der Zeit‘ vollendet hat, einen Anhaltspunkt. Es ist nämlich von den Menschen zu erwarten, daß sie dadurch zukünftig ihre allerletzte Aufgabe, , Gesang‘ zu werden, lösen.
    Und in der Entwicklung der Geschichte, die Hölderlin unter der Morgen-Abend-Metaphorik versteht, hört das, tausendjährige Wetter‘, also die Kriegswirren, langsam auf, und die, Stille‘ des Friedens, die die Durchdringung der göttlichen und menschlichen Bereiche ermöglicht, tritt an dessen Stelle.
    Diese Perspektive bestimmt das Fest der "Friedensfeier“.
    Die in der Hymne zweimal genannte Hauptfigur, der, Füst des Fests‘ gibt den Interpreten das Rätsel auf, wer dieser Füst sei. Es ist bekannt, daß der, Streit‘ um seine Identität viele verschiedene Thesen mit sich brachte. In den Arbeiten seit Mitte der sechziger Jahre fragt man im allgemeinen mehr nach der sprachlichen Unbestimmtheit selber, als nach der, Schicksalsfrage‘. Daran anschließend versuchen wir, in besonderer Berücksichtigung der, Bestimmungen‘ in der ersten und der dritten Trias, vor allem, Ausland‘, , Freundesgestalt‘ und, Heldenzug‘, die Dunkelheit um den Fürsten herauszuarbeiten und ihn als einen unbekannten Gott, insofern er noch keinen richtigen Namen hat, ja als einen Fremdling aufzufassen. Hölderlin wird wohl diesen Gott gemeint haben, der in der kommenden neuen Ära als Erster eine wichtige Rolle spielt. Wie sieht er denn aus? Die Position der Hymne in den sogenannten Christus-Hymnen läßt uns vermuten, daß der unbekannte Gott in enger Beziehung zu Christus steht. Aber das bedeutet nicht, daß die griechischen Züge davon ausgeschlossen sind, weil die Verwandlung des mit Zeus verwandten, Herrn der Zeit‘ eben dadurch motiviert ist, daß sich der Vatergott, der hohe Geist der Welt, zu den Menschen geneigt hat, um, Feiertage zu halten‘.
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  • Naturgemälde“">Alexander von Humboldts Integration fremder Naturerfahrung im "Naturgemälde“
    ENGELHARD WEIGL
    1991 Volume 87 Pages 57-66
    Published: October 01, 1991
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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  • Abu Telfan“">Über den Roman "Abu Telfan“
    MINA OHTANI
    1991 Volume 87 Pages 67-75
    Published: 1991
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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    Heimkehr ist eins der wichtigsten Motive, mit denen sich Wilhelm Raabe seine ganze Schaffensperiode hindurch beschäftigt. Beim Lesen seiner zahlreichen Heimkehrerromane, wie zum Beispiel "Die Kinder von Finkenrode“ (1859), "Zum wilden Mann“ (1874) und "Stopfkuchen“ (1891), kann man die Tatsache nicht übersehen, daß Raabe selbst in seinen jungen Jahren als Gescheiterter in seine Heimat zurückkehrte. Diese Heimkehr hat sich ihm tief eingeprägt. Man kann vermuten, daß er die Romane in der Absicht schreibt, diese Erfahrung zu überwinden.
    "Abu Telfan oder Die Heimkehr vom Mondgebirge“ (1867) zeigt schon in der ersten Konzeption die Grundidee, daß sich ein aus Afrika Zurückkehrender nicht mehr in seiner heimatlichen Gesellschaft zurechtfindet, und daß er am Ende so zufrieden wird, als er werden kann. Der Held in "Abu Telfan“, Leonhard Hagebucher, kehrt aus der zwölfjährigen Kriegs-gefangenschaft von Abu Telfan in seine Heimat zurück. Er hatte während seiner Gefangenschaft ein Idealbild von der Heimat und versucht zuerst, sich wieder in die Zivilisation hineinzufinden. Aber das philiströse Kleinbürgertum in der Heimat betrachtet ihn als Fremdling und reagiert auf seine Fremdheit. Sein Wunsch nach Einordnung in die Gesellschaft ist zurückgewiesen. Der Heimkehrer aus der Fremde wird durch die Realität der Heimat enttäuscht und fühlt sich nun in seiner Heimat fremd. Heimat ist nicht mehr identisch mit dem Geburtsort, der eigenen, wirklichen Heimat, sondern kann nur in einer Fremde, die von der Wirklichkeit entfernt ist, als Ideal entstehen. Was Hagebucher von der Heimat erwartet, sind Ruhe, Behaglichkeit und Glück. Das ist in der Wirklichkeit nicht zu realisieren. Heimat erscheint nur in der Ferne. Hagebucher sagt einmal: "Daheim im Tumurkielande“ (BA. 7. S. 63). Heimat ist hier eine Wunschvorstellung, die in der Fremde entsteht.
    Nach seinen Erfahrungen in der Heimat scheint sich Hagebucher am Schluß des Romans mit der Gesellschaft abzufinden, obwohl er die Zustände in der heimatlichen Gesellschaft kritisch sieht. Die Verbindung von innerer Freiheit und Philistertum ist bei Raabe charakteristisch, und diese ambivalente Haltung kann man auch beim Autor Raabe selbst finden. Die Tiefe der Einsamkeit in der Situation Hagebuchers- und vielleicht auch Raabes-zeigt ein Wort Mohammeds, das als Motto wie als Schlußsatz des "Abu Telfan“ verwendet wird, am deutlichsten: "Wenn ihr wüßtet, was ich weiß, so würdet ihr viel weinen und wenig lachen.“
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  • Seine Produktivität und Drohung
    SHINYA TAKAHASHI
    1991 Volume 87 Pages 76-85
    Published: October 01, 1991
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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    In den Werken Hofmannsthals zeigt sich die Berührung mit "dem Fremden“ als Anlaß, das Selbstbewußtsein der Protagonisten zu zerbrechen und ihr Leben zu verwandeln. Das gilt auch für Hofmannsthal selbst. Sein Selbstbewußtsein als Nationalschriftsteller Österreichs, das er während des I. Weltkriegs gebildet hatte, mußte mit dem Zusammenbruch der österreichischen Monarchie zerfallen. Dieser bedeutete für Hofmannsthal die Berührung mit "dem Fremden“ als drohender Macht, die außerhalb des Selbstbewußtseins existiert. Damit scheiterte sein Versuch, die eigene Identität auf der Nationalidentität seines Vaterlandes zu gründen. Sein Leben und seine literarischen Tätigkeiten zeigen dann die Fragwürdigkeit der Identitätssuche und die absolute Fremdheit "des Fremden“, das die einmal festgestellte Selbstidentität zum Zerfall bringt.
    In seinen frühen lyrischen Dramen und Prosastücken wird "das Fremde“ so dargestellt, daß man es nicht in ein eindeutiges Interpretationssystem eingliedern kann. Der Zerfall der Eigenidentität zeigt sich gleichzeitig als Erhöhung des Lebens. Indem sich Zerfall und Neugewinn des Selbst-bewußtseins gleichzeitig ergeben, haben die Worte, die diesen Prozeß darstellen, eine gewisse Zweideutigkeit. Die Aussage Andreas' in "Gestern“, "Ich kann so gut verstehen“, zeigt z.B., daß er den Grund des unbewußten Verrates seiner Frau eigentlich nicht verstehen kann. In seinem Essay "Walter Pater“ vernichtet Hofmannsthal zwar anscheinend den Ästhetizismus. Aber gerade durch diese Vernichtung des Schönen verrät er seine heimliche Neigung zum Schönen. Seit 1897 versuchte Hofmannsthal, "das Fremde“ zu objektivieren und es ins Selbstbewußtsein zu integrieren. Die Berührung mit "dem Fremden“ wird hauptsächlich als Anlaß dargestellt, sein Leben fruchtbarer zu machen. "Das Fremde“ verliert die drohende Seite, die das Selbstbewußtsein eines Menschen zerbrechen kann. In "Der Jüngling und die Spinne“ z.B. wird der Gegensatz zwischen Schönheit und Leben sehr deutlich dargestellt. Das Leben wird bier zum Anlaß der sinnlichen Erfahrungen vereinfacht. Die Worte seiner Werke können dann eindeutig interpretiert werden. Während des I. Weltkrieges versuchte Hofmannsthal die Nationalidentität Österreichs festzustellen und seine eigene Identität darauf zu gründen. In dieser Zeit betrachtete er hauptsächlich die Neuzeit und Preußen als "das Fremde“ gegenüber seinem Vaterland. Um beides zu überwinden, brachte er die Idee "des Sozialen“ vor. Aber m.E. kann diese Idee erst dann wirksam sein, wean "das Fremde“ aus dem Selbstbewußtsein verbannt wird. Seine Werke "Die Frau ohne Schatten“ und "Der Schwierige“, die "das Soziale“ verkörpern sollen, aber darin keine Überzeugungskraft haben, zeigen diese Tatsache deutlich. Beim Zusammenbruch der österreichischen Monarchic im Jahre 1918 mußte sich Hofmannsthal mit "dem Fremden“ als drohender Macht, die außerhalb des Bewußtseinskreises existiert, konfrontieren. Bis zu seinem Tod versuchte er, "das Fremde“ zu interpretieren und es damit in sein Selbstbewußtsein zu integrieren, was ihm aber nicht gelungen ist. Gerade dadurch, daß er "das Fremde“ nicht aus seinem Selbstbewußtsein verbannen konnte, und daß seine Versuche der Identitätsgründung gescheitert sind, zeigt sich Hofmannsthal als Schriftsteller des 20.
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  • JUNICHI SUZUKI
    1991 Volume 87 Pages 86-95
    Published: October 01, 1991
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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    Im Mai 1911 ist Thomas Mann mit seiner Familie nach Venedig gereist. Dort hat er selbst in Wirklichkeit fast alles erlebt, was Aschenbach in der Erzählung "Der Tod in Venedig“ erfährt. Besonders hat die Begegnung mit dem schönen polnischen Knaben große Bedeutung für die Entstehung und Konstruktion dieses Werkes gehabt. Natürlich ist Mann nicht am Liebeskummer um diesen schönen Knaben gestorben, aber er hat diese Erzählung als eine Fabel des Todes gebildet. Den Grund dafür muß man in der Bedeutung der Beziehung zwischen Aschenbach und Tadzio sehen.
    Aschenbach hat den etwas übertriebenen, aber typischen Charakter, den Mann in seinen frühen Erzählungen allmahlich gebildet hat und dem er später den Namen "Künstler“ als Bezeichnung für einen der Gesellschaft entfremdeten Außenstehenden gegeben hat. Indem er in der Metaebene über Welt und Gesellschaft steht und daraus seine Erzählwelt hervorbringt, hat er sich selbst darin relativ bestimmen und in sie hineinbringen können. Dabei kann man seine Erzählwelt als ein Selbstreflexionssystem, d. h. als ein Narzißmussystem betrachten, weil das Subjekt mit dem Objekt darin übereinstimmt.
    In dieser Erzählung spricht Tadzio selbst überhaupt nichts: sein Bild, seine Funktion und seine Bedeutung sind lediglich von der Seite Aschenbachs und von der des Erzählers gegeben. Zuerst erscheint Tadzio Aschenbach als vollkommenes Bild und reine Form der Schönheit, aber im Lauf der Zeit wird ihm die Bedeutung dieser Schönheit immer klarer. Tadzios Schönheit, die sich in den Augen Aschenbachs spiegelt, ist die des Narziß', der von seinem eigenen Spiegelbild fasziniert ist.
    Tadzio ist als Narziß zu verstehen, als das mythische Urbild des Narzißmus' Aschenbachs. Auch ist er das Bild der ursprünglichen Begierde Aschenbachs. Als Aschenbach diese Bedeutung Tadzios erkennt, wird er von einer Leidenschaft für Tadzio erfaßt. Seine Lust, Tadzio zu betrachten und zu schildern, hat sich dahin geändert, daß er sich stilistisch der Schönheit Tadzios anzugleichen versucht. So dringt die Seinsform Tadzios als der vollkommene Narziß in die Aschenbachs durch, das bedeutet zugleich, daß Aschenbach auf sein Ref exionssystem als Narzißmus verzichten muß.
    Die Lähmung seines Reflexionssystems breitet sich im wirklichen Lebensbereich aus, wo die Rolle dieses Systems, sich selbst zu erhalten und das eigcne Leben zu schützen, nicht mehr funktioniert, denn die Lust, Tadzios Seinsform nachzuahmen und zu verteidigen, geht ihr voraus. Das bedeutet, daß der Narzißmus, der aus dem Reflexionssystem entstanden ist, den Narziß der vollkommenen Selbstreferenz nie fassen kann. Dem Narzißmus, der bei jeder Reflexion notwendigerweise in die Metaebene übergehen muß, ist es theoretisch verboten, der Narziß selbst zu sein, der nur mit sich selbst spielt und dabei einen geschlossenen Zirkel bildet.
    Darum scheitern alle Versuche Aschenbachs, seine Seinsformn mit der Tadzios in Übereinstimmung zu bringen, während sein Ich, als das Meta-Subjekt über seiner Erzählwelt, dadurch stufenweise aufgelöst wird. In diesem Punkt erscheint der Narziß dem Narzißmus als das Fremde: tatsächlich nennt Aschenbach im Traum des Bacchus die Inkarnationen Tadzios "einen fremden Gott“ oder "die Fremden“.
    Aber der Narziß allein würde unsichtbar bleiben, wenn der Narzißmus dem Narziß nicht von außen die Bedeutung als solchen geben würde. Aber diese Funktion selbst verbietet dem Narzißmus seine ursprüngliche Begierde, der Narziß selbst zu sein.
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  • Die Aufgabe des Übersetzers“">Zu Walter Benjamins "Die Aufgabe des Übersetzers“
    YUICHI FURUYA
    1991 Volume 87 Pages 96-107
    Published: October 01, 1991
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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    Benjamins Übersetzungstheorie in dem Aufsatz "Die Aufgabe des Übersetzers“ beruht auf seiner Konzeption einer "reinen Sprache“. "Die reine Sprache“ ist, mit Benjamin zu sprechen, "eins und zwar dasselbe, das nur der Allheit von den einander ergänzenden Intentionen aller Sprachen erreichbar ist“. Er meint, zwischen allen Sprachen bestehe eine apriorische überhistorische Verwandtschaft, und sie hätten deshalb die Intention, , ein und dieselbe Sprache‘ zu werden, indem sie einander ergänzen und integrieren, und er nennt diese Sprache "die reine Sprache“. Der wichtigste Punkt der Übersetzungstheorie Benjamins liegt darin, daß eine Erscheinung dieser "reinen Sprache“ in jedem Kunstwerke verborgen liegt und ihre Darstellung das Geschäft der Übersetzung ist. In diesem Sinne fällt eine solche Übersetzungstheorie mit dem Grundriß von Benjamins allgemeinem Denken zusammen, das durch den Begriff des "Mediums“ charakterisiert werden kann. "Medium“ heißt ein Bewegungskörper, der die Subjekt-und Objekt-Korrelation abschaffende monistische Energie-die man "Entwickelbarkeit“ nennen sollte-bedeutet, und der von seinem eigenen unentwickelten potentiellen Gebiet zu dem entwickelten aktualen Gebiet stufenweise selbst übergeht und seinen vollentwickelten Grenzwert als sein stets unerreichbar bleibendes Ziel hat. Benjamins Übersetzungstheorie will das Kunstwerk für ein Medium halten und in ihm ein Selbst-entwicklungsgebiet der "Übersetzbarkeit“ erkennen und am Grenzwert dieser Entwicklung "die reine Sprache“ erschließen. Die Übersetzung erhält die Funktion, diese Entwicklung des Mediums zu fördern.
    Wie kann man sich diese "reine Sprache“ vorstellen? Sie wird gewöhnlich im Zusammenhang mit dem Begriff des "Namens“ erfaßt, der erstmals in der 1916 von Benjamin geschriebenen frühen Sprachtheorie "Über Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen“ erscheint. "Der Name“ bedeutet ein Medium, in dem sich die Entwickelbarkeit des Menschen mit der der Dinge untrennbar vereinigt, und er wird an seinem medialen Grenzwert zur "vollkommen erkennenden Sprache“, wie in "der paradiesischen Sprache“ Adams, die dem Menschen durch die nur einmalige Benennung die vollkommene Erkenntnis der Dinge ermöglicht. "Die reine Sprache“ als, ein und dieselbe Sprache‘, die die Vielheit aller Sprachen aufhebt, ist also mit dieser "vollkommen erkennenden Sprache“ am Grenzwert des "Namens“ vergleichbar. Sie ist wohl eine feste Gliederungsstruktur, die die absoluten Entsprechungen zwischen den Wörtern und den Dingen ermöglicht und nur mit dem Wort "Logos“ erfaßbar ist.
    Dagegen ist eine andere Interpretation der "reinen Sprache“ von Jacques Derrida in seinem Aufsatz "Der Turm zu Babel“ versucht worden. Derrida erkennt in der "reinen Sprache“ die auch in dem Wort "Babel“ zu erkennende "Unentscheidbarkeit“, die jede Sprache notwendig dekonstruiert. Er hält "die refine Sprache“ für einen Topos des Spiels, in dem alle Sprachen miteinander zusammenhängen, sich verschränken und sich ergänzen. Er ist einmal von Derrida mit den Wörtern: "Differenz“, "Spur“ und "Spiel der Ur-Schrift“ usu. dargestellt worden. Die Übersetzung wird dort als ein Prozeß erfaßt,
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  • Die Vollendung der Liebe“ von R. Musil">Ein Interpretationsversuch der Novelle "Die Vollendung der Liebe“ von R. Musil
    NANAO HAYASAKA
    1991 Volume 87 Pages 108-118
    Published: October 01, 1991
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
    JOURNAL FREE ACCESS
    Die "am schwersten verständliche“ Novelle besteht aus einigen Paradoxa und viel seltsamem Verhalten der Heldin Claudine. Einiges könnte man erklären, wenn man auf das Bild "Kugel“ unter ca. einem Dutzend wiederholt erscheinender Bilder aufmerksam wird: Kugel oder Kreis als die Zone der Eigenliebe.
    In der Straßenszene, die als Erinnerung Claudinens gegen Ende der Novelle erscheint und daher wichtig scheint, zeigte jeder der Männer, die mit ihren Frauen bürgerliche Alltäglichkeiten erledigten, "vollkommene Würde“ und "Gleichgewicht“. Überall waren "kleine wirbelnde Mittelpunkte, mit einem Kreisen um sich, einer nach innen sehenden Bewegung…“
    Nach Musil ist "das Wertgefühl ein Herausheben, sich als das Zentrum empfinden“. Es ist eine unbewußte, aber unvermeidliche Taktik des Lebens, um sich einen Kreis zu bilden, innerhalb dessen man immer sein Echo hört und der Gegenwart Lebendigkeit verleiht, was trotz dichtem Nebeneinander Mann und Frau in der Ehe ermöglicht, ohne Verletzung des Wertgefühls als "ein ganzer Mensch“ zufrieden zu koexistieren.
    Dessen wurde Claudine gewahr. Deshalb beobachtete sie auf dem Spaziergang mit dem Fremden "die Gewalt, die von dem alltäglichen Menschen“ ausgeht, die die Umgebung und sie selbst wie in Fensterscheiben verzerrt.
    In der vergangenen Nacht, in der sie eine Art Fridigität befiel, als sie sich des unüberwindbaren Risses zwischen sich und ihrem Ehemann wegen der Einsamkeit des "Gehirns“ bewußt war, wollte sie ihn "in mich zurückreißen… und dann wieder wegstoßen“, weil sie wieder in seinen Kreis treten wollte, aber sich seiner entschlagen mußte. Ähnlich wollte sie in der Schlußszene den Fremden "küssen und dann wieder zurückspringen“, um zu sehen, wie sich die Welt und ihr Dasein innerhalb und außerhalb seines Kreises veränderte.
    Den Anlaß, den Ekel zu überwinden, den ihr die Vorstellung erregte, einem anderen zu gehören, gab ein kleiner Teppich am Fuß des Bettes. Indem sie sich auf diesen ekelerregenden Teppich warf, der voll vom Geruch fremder Haut war, überwand sie ihren Ekel und ihr Geschlossensein, "als strömte die Eigenliebe aller dieser Menschen in sie herüber“. In der großen Eigenliebe konnte sie spüren, wie der Fremde sich liebte, "als ob es ihr eigenes Gefühl wäre.“
    Ihre fast vergessene elende Vergangenheit, in der sie ganz unter der Herrschaft verschiedener Männer war, wollte sie revidiern, weiel sie schon wußte, daß eine Vergangenheit, die jenseits jener abgründigen Sekunde des Verblassens liegt, nur entsteht, wenn der Kreis der Eigenliebe weggerollt ist.
    In ihren seltsam "von den übrigen abgeschnittenen“ drei Tagen, die fast wie vertikal abseits von ihrem Lebensweg standen, konnte sie sowohl die Vergangenheit als auch die Zukunft auf einmal übersehen.
    Das Paradox, daß sie und ihr Ehemann schon vor ihrer Begegnung "einander untreu waren“ und zugleich "einander liebten“, versuchte sie durch Wiederholung der Untreue zu lösen. Eigentlich hatte sie schon lange bei jeder Affäre das Bewußtsein von der "fern begleitenden Innerlichkeit“, daß alles "sie im Grunde nicht berühre“. Jetzt konnte sie sich vom Sein des "in einer geschehensleeren Innerlichkeit Zueinandergehörens“ überzeugen, und mit diesem Bewußtsein wollte sie die Vergangenheit wieder-holen und so revidieren,
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  • AKIO OGAWA
    1991 Volume 87 Pages 119-130
    Published: October 01, 1991
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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    Bei der Behandlung des Dativs im Gegenwartsdeutsch neigt man einerseits dazu, ihn zu klassifizieren: "Objektdativ“, "Pertinenzdativ“, "Dativ commodi/incommodi“, "Dativ ethicus“ und "Dativ iudicantis“. Die traditionelle Beschreibungsweise (einschließlich der Valenzgrammatik) stützt sich mehr oder weniger darauf. Andererseits versucht man, mit möglichst wenig Klassifizierung zurechtzukommen. Die auf der Kasustheorie der neueren generativen Grammatik basierende Erklärungsweise ist einer dieser Versuche, wobei der Dativ-wie der Akkusativ-prinzipiell als "struktureller“ Kasus aufgefaßt wird.
    In der vorliegenden Arbeit wird versucht zu zeigen, daß die Dativrealisation zumindest teilweise einheitlich, also nicht klassifikationsorientiert erklärbar ist, und zwar-im Gegensatz zu der Auffassung, der Dativ sei "strukturell“ geregelt-semantisch.
    Zunächst werden einige ansatzweise Bemerkungen gemacht zu der endgültig zu lösenden Frage, was der ideale deutsche Muttersprachler um den Dativ weiß. Anschließend wird die Hypothese vorgelegt, die nachfolgend überprüft werden soll. Sie lautet: die Dativrealisation setzt eine andere Größe (Argument) voraus und wird gesteuert durch die Interaktion von (a) der Resultativität, die auf die vorausgehende Größe zukommt, und (b) der sprachlich relevanten Entfernung zwischen dieser vorausgehenden Größe und der vom Dativ zu kodierenden Größe. Danach kann kein Dativ in Fällen auftreten, in denen nicht von der Resultativität gesprochen werden kann. Diese Fälle liegen nicht selten vor; einen davon steilt z.B. der Satz "die Hände sind sauber“ dar. Ein Dativ wäre hier nicht möglich ("*die Hände sind mir sauber“), obwohl man ihn, geht man vom Erklärungsansatz "Pertinenzdativ“ aus, doch gut erwarten könnte. Auftreten kann ein Dativ zusammengefaßt lediglich in den folgenden drei Fällen: 1) (a) ist groß, (b) ist klein; 2) (a) ist klein, (b) ist klein; 3) (a) ist groß, (b) ist groß. Die übrigbleibende Möglichkeit 4), bei der also (a) klein, (b) groß ist, ist ausgeschlossen. Diese Zusammenhänge können graphisch wie folgt dargestellt werden, wobei die Nummern der gerade oben erläuterten vier Fälle sowohl mit den in der Graphik placierten, als auch mit den weiter unten vor den Beispielsätzen angesetzten übereinstimmen. Die Krummlinie trennt Möglichkeit und Unmöglichkeit der Dativrealisation.
    1) er hat mir die Beinmuskeln weich geklopft
    2) er hat mir auf die Schulter geklopft
    3) er hat mir das Fleisch weich geklopft
    4) er hat (*mir) auf den Tisch geklopft
    Es stellt sich also heraus, daß-nach herkömmlicher Klassifikation-"Pertinenzdativ“, "Dativ commodi/incommodi“ und zumindest ein Teil des "Objektdativs“ innerhalb der obigen Krummlinie zu placieren sind. Damit ist eine einheitliche Erklärungsmöglichkeit-auch wenn noch partiell-sichergestellt.
    Um zu bestätigen, ob ein solcher semantisch fundierter Erklärungsansatz, wie er hicr vorgclegt worden ist, auch sprachuniversell Gültigkeit findet, bedarf es zwar weiterer Untersuchungen. Aber einige Beobachtungen beim französischen Dativ und dem japanischen adversativen Passiv, die zum Schluß kurz erläutert werden, scheinen es recht plausibel zu machen. Es geht also in den erwähnten Fällen um die Erweiterung der Argumentstruktur.
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  • RAINER HABERMEIER
    1991 Volume 87 Pages 131-139
    Published: October 01, 1991
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  • [in Japanese]
    1991 Volume 87 Pages 140-142
    Published: October 01, 1991
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  • [in Japanese]
    1991 Volume 87 Pages 143-145
    Published: October 01, 1991
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  • [in Japanese]
    1991 Volume 87 Pages 145-149
    Published: October 01, 1991
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  • [in Japanese]
    1991 Volume 87 Pages 149-151
    Published: October 01, 1991
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  • [in Japanese]
    1991 Volume 87 Pages 151-153
    Published: October 01, 1991
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  • [in Japanese]
    1991 Volume 87 Pages 153-156
    Published: October 01, 1991
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  • Computerlinguistik: Ein internationales Handbuch zur computergestützten Sprachforschung und ihre
    [in Japanese]
    1991 Volume 87 Pages 156-160
    Published: October 01, 1991
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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  • 1991 Volume 87 Pages 292b
    Published: 1991
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
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  • 1991 Volume 87 Pages 292a
    Published: 1991
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  • 1991 Volume 87 Pages 292c
    Published: 1991
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  • 1991 Volume 87 Pages e1a
    Published: 1991
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
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  • 1991 Volume 87 Pages e1b
    Published: 1991
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