Die vorliegende Arbeit bietet eine Untersuchung der semantischen Struktur der got. Modalverben
binauhan*, gadaursan, leisan*, magan*, munan, ogan*, skulan*, paurban*, wiljan und
witan. Diese Verben sind von anderen abzugrenzen durch folgende dreifache Besonderheit:
1. Die morphologische Besonderheit:
Alle außer
wiljan sind sogenannte Perfekto-Präsentien. Ihre präsentische Form hat sich aus dem indogermanischen Perfekt entwickelt.
Bei
wiljan wird der Optativ als Indikativ Präsens gebraucht.
2. Die syntaktische Besonderheit:
Die got. Modalverben schließen den Infinitiv ohne
du an. Und dabei sind das grammatische Subjekt des Modalverbs und das semantische Subjekt des Infinitivs dasselbe.
3. Die semantische Besonderheit:
Durch die Modalverben kommt die Modalität zum Ausdruck. Man muß aber z.B. in der deutschen Gegenwartssprache zwei verschiedene Modalitäten streng unterscheiden: die objektive und die subjektive. Bei der ersteren handelt es sich um die Art des Verhältnisses des Satzsubjekts zur Realisierung des im Infinitiv ausgedrückten Prozesses. Dagegen geht es bei der letzteren um des Sprechers Verantwortung und Grund für den Grad der Glaubwürdigkeit der von ihm mitgeteilten Information.
Im Gotischen kann durch die Modalverben nur die objektive Modalität ausgedrückt werden. So ist das got. Wortfeld im Sinnbezirk der objektiven Modalität folgendermaßen gegliedert oder konstruiert:
Nach dieser Gliederung kann man die semantischen Merkmale jedes Modalverbs so-in eckigen Klammern-beschreiben:
ogan* [objektive Modalität, negativ, zurückweichend, relativ, Furcht]
Hier realisiert das Subjekt den im Infinitiv ausgedrückten Prozeß wegen einer fürchterlichen oder gefährlichen Situation nicht. Mark. 9, 32
ohtedun ina fraihnan "Sie fürchteten sich, ihn zu fragen.“
wilan [objektive Modalität, positiv, intentional, absolut/relativ, Wille/Wunsch]
Man kann einen Willen oder Wunsch sowohl absolut und autonom als auch relativ und kausal haben.
Luk. 1, 62
gabandwidedun pan attin is, pata hwaiwa wildedi haitan ina "Sie winkten nun seinem Vater, wie er ihn nennen wolle.“ (absolut)
1. Tim. 5, 11
pan auk gairnidedeina wipra Xristu, liugan wileina "Denn wenn sie wider Christus geil würden, möchten sie heiraten.“ (relativ)
munan [objektive Modalität, positiv, intentional, absolut/relativ, Meinung]
2. Kor. 10, 2
man gadaursan ana sumans pans munandans uns swe bi leika gaggandans "Ich gedenke gegen gewisse Leute mutig zu sein, die von uns meinen, wir gingen nach dem Fleisch.“ (absolut)
gadaursan [objektive Modalität, positiv, intentional, relativ, Mut]
Mut entsteht in einer fürchterlichen oder gefährlichen Situation. Mark. 12, 34
ainshun panaseips ni gadaursta ina fraihnan "Niemand wagte mehr, ihn zu fragen.“
magan*1 [objektive Modalität, positiv, möglich, absolut, Fähigkeit] Luk. 3, 8
mag gup us stainam paim urraisjan barna Abrahama "Gott vermag aus diesen Steinen dem Abraham Kinder zu erwecken.“
witan, leisan* [objektive Modalität, positiv, möglich, absolut, Wissen]
1. Thes. 4, 4
ei witi hwarjizuh izwara gastaldan sein kas in weihipai jah sweripai "Jeder von euch möge wissen, sein Gefäß in Heiligkeit und Ehre zu besitzen.“
Phil. 4, 12
lais jah haunjan mik "Ich weiß auch mich zu erniedrigen.“
magan*2 [objektive Modalität, positiv, möglich, relativ, Hindernislosigkeit]
Besonders bei einem positiven Satz mit
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