Nach der Niederlage des Ersten Weltkrieges stand die Weimarer Republik, die nun aus einer neuen machtpolitischen Konstellation entstand, einer bitteren Wohnungsnot gegenuber. Ende 1920 sollte der Wohnungsbedarf mehr als 1, 2 Mill. betragen, was wirtschaftlich sowie politisch eine schwere Belastung fur die junge Republik darstellte. Zur innenpolitischen Stabilisierung setzte sich die Weimarer Regierung deshalb zur dringenden Aufgabe, die Behebung der Wohnungsnot so bald wie moglich in Angriff zu nehmen. Dank der aktiven gesetzgebenden Tatigkeiten wurde diese Aufgabe vorubergehend bis zum Jahre 1923 gelost ; dabei spielten die drei wohnugnsgesetze eine groBe Rolle, namlich Wohnungsmangelgesetz vom 11.5. 1920, Reichsmietengesetz vom 24.3. 1922 und Mieterschutzgesetz vom 1.6. 1923. Bei dem EntscheidungsprozeB dieser Gesetze bestand der Streitpunkt hauptsachlich darin, inwieweit die privaten Rechte des Hausbesitzes zum Ziel des Mieterschutzes eingeschrankt werden sollten. Der folgende Aufsatz geht davon aus, die Fragen zu stellen, was man in den Verhandlungen uber das erste Wohnungsgesetz der Weimarer Zeit, namlich das Wohnungsmangelgesetz (WMG), erzielte, und wie und in welchem Sinne das soziale und wirtschaftliche Interesse der Hausbesitzer zugunsten der Wohnungslosen in geringem MaB berucksichtigt wurde. Das WMG ermoglichte der offentlichen Hand, die mangelnden Wohnraume zu bewirtschaften. Zu diesem Ziel wurden die stark die freie Wohnungswirtschaft beschrankten MaBnahmen, wie z.B. das Zwangsmietvertragswesen und die Zwangseinquartierung, in groBerem MaB als in der Kriegszeit durchgefuhrt, wo sid schon in einzelnen Gemeinden als NotmaBnahmen eingefuhrt worden waren. Bei dem sozialen Konflikt, der in erster Linie aus der Protestbewegung der Hausbesitzer gegen WMG entsprang, handelte es sich vor allem um den Artikel 9 des WMG, aufgrund dessen der Staat in die Freizugigkeit sowie die Unverletzlichkeit der Wohnung und des Eigentums eingreifen konnte, soweit solche Eingriffe zur Milderung der Wohnungsnot dringend erforderlich waren. Dieser Artikel gab dem Staat einen groBen Handlungsspielraum, in dem er die soziale Intervention auf dem Gebiet des Wohnungswesens erweitern konnte. Im DurchfuhrungsprozeB des WMG laBt sich feststellen, daB die ZwangsmaBnahmen dazu beitrugen, das Elend der Wohnungslosen, insbesondere der minderbemittelten sowie kinderreichen Familien, erfolgreich zu entscharfen. Die Hausbesitzer fanden in der Erweiterung des staatlichen Sozialinterventionismus eine Gefahr der "Sozialisierung" des gesamten Wohnungswesens auf kaltem Weg, da ihre Verfugungsfreiheit uber Gebaude und Grunde nun sehr stark eingeschrankt wurde. Um ihre Unzufriedenheit mit der Weimarer Wohnungspolitik politisch zu artikulieren, organisierten sie sich in dem Zentralverband der deutschen Haus- und Grundbesitzervereine und sie begannen eine aktive Protestbewegung zu entwickeln. Im Jahre 1921 fanden sie ihre politische Interessenvertretung in der kurz zuvor gegrundeten Wirtschaftspartei, der es dann ab 1924 gelang, als Interessenpartei des alten Mittelstandes, zu dem die meisten Hausbesitzer gehorten, einen politischen EinfluB zu gewinnen. Soweit diese Partei von negativen Einstellungen des alten Mittelstandes gegenuber dem parteipolitischen System der Weimarer Republik lebte, so bedeutete ihr Aufschwung in der relativen Stabilisierungsphase auf paradoxe Weise eine Entfremdung zwischen mittelstandischen Schichten und dem Weimarer Parlamentarismus. In diesem Sinne bildete die Wirt schaftspartei eine Vorfrucht des Nationalsozialismus.
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