Der vorliegende Aufsatz hat aus verständlichen und selbstverständlichen Gründen keinen Anspruch darauf zu erheben, eine Entwicklungsgeschichte der DDR-Literaturwissenschaft zu sein. Angesichts der Tatsache, daß einerseits das wachsende Interesse für die allgemeinen Entwicklungstendenzen der marxistischen Literaturwissenschaft der DDR zu verzeichnen ist und undererseits für uns kaum ein Material verfügbar ist, das diesem Interesse im vollen Masse entsprechen würde, sah sich der Verfasser genötigt, mit einem kleinen Aufsatz, der ausschließlich informatorischen Charkters ist, an die Interessierten heranzutreten; er lenkt dabei ihre Aufmerksamkeit vor allem darauf, daß dieser äußerst komplizierte Themenkomplex sicherlich nur im künftigen Forschungskollektiv würde besser bewältigt werden können.
In den vier Abschnitten, die-allerdings nicht im rigorosen Sinne des Wortes-nach chronologischem Prinzip aufgebaut sind, wurde erstens auf den besonderen geschichtlichen Charakter der DDR-Literaturwissen-schaft hingewiesen, die nach dem Zusammenbruch des Hitlerfaschismus den ersten Schritt nur dadurch einzuleiten vermochte, sich mit den bisher in der akademischen Germanistik Deutschlands fest verankerten geistesgeschichtlich-idealistischen Positionen gründlich auseinanderzusetzen. Kennzeichnend für die Genesis der DDR-Literaturwissenschaft ist, daß eine Reihe
"außerakademischer“ Dichter und Schriftsteller, die als Repräsentanten der deutschen Literatur im Exil gewirkt hatten, die eigentliche Rolle der germanistischen Literaturwissenschaftler übernahmen oder übernehmen mußten.
Es ging zweitens darum, zu veranschaulichen, wie sich die marxistische Germanistik, insbesondere die Literaturwissenschaft der DDR im akademischen Bereich etablierte. Als beweiskräftige Beispiele hierfür wurden zwei repräsentative Literaturwissenschaftler herangezogen, die sowohl zur Erarbeitung literaturtheoretischer und literaturgeschichtlicher Konzeptionen als auch zur Ausbildung der wissenschaftlichen Nachwuchskräfte in der DDR einen grundlegenden Beitrag geleistet haben: Werner Krauss und Gerhard Scholz. Die unbestreitbaren Verdienste beider Wissenschaftler wurden hier exemplarisch wie demonstrativ vor Augen geführt, und zwar auf Grund ihrer in mancher Hinsicht kontrastierenden Unterschiede, die sich schon aus einigen biographischen und bibliographischen Fakten ergeben. Jeder unbefangene Leser wird sich gerade deswegen ein überzeugendes Bild davon machen können, welche potentielle Vielfalt die marxistische Literaturwissenschaft der DDR zugunsten ihrer schöpferischen Weiterentwicklung nutzbar zu machen hat.
Und drittens wurde schließlich auf technisch-organisatorische sowie methodologisch-konzeptionelle Probleme der vor längerer Zeit angekündigten 11-bändigen
"Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart“ eingegangen. Daß ihre endgültige Fertigstellung mit entsprechender Spannung erwartet wird, erklärt sich im Grunde genommen aus dem historisch einmaligen Charakter dieses Großunternehmens, das von vornherein als Gemeinschaftsarbeit germanistischer Literaturwissen-schaftler aus der DDR und anderen sozialistischen Ländern realisiert worden ist. Die japanische Germanistik wendet nicht zufällig ihre immer größer werdende Aufmerksamkeit der gegenwärtigen Entwicklungssituation der marxistischen Literaturwissenschaft der DDR zu.
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