Seit Mitte der 70er Jahre wird über die Lyriker der 68er Generation viel gesprochen, deren heutige Tendenz mit dem plakativen Begriff
"Neue Subjektivität“ oder
"Neue Sensibilität“ gekennzeichnet wird.
Betrachtet man diese Tendenz genauer, und zwar im Vergleich sowohl mit der in den 60er Jahren dominierenden Literaturströmung, wo das politische Engagement als ethische Voraussetzung und Kriterium für die Dichtung galt, als auch mit dem metaphysisch ausgerichteten
"lyrischen Ich“ in den 50er Jahren, das sich in einer Metaphernkombinatorik im Sinn einer geschlossenen Welt des schönen Scheins gefallen hatte, so kann man heute prinzipiell eine entschiedene Veränderung in der Konstruktion des poetischen Ichs feststellen, die schon Walter Höllerer Mitte der 60er Jahre in seinen
"Thesen zum langen Gedicht“ antizipiert hat. Höllerers Thesen wurden bald von Günter Herburger, Nicolas Born und dann noch radikaler von Rolf Dieter Brinkmann als Antithesen zur Politisierung aller Lebensbereiche aufgefaßt.
Die Politisierung der Literatur war insofern im Recht, als man damit dem
"Idealismus“ überhaupt ein Ultimatum stellen wollte, einem Idealismus, der vom metaphysischen Weltbild bis zum Bekenntnis zur inneren Form reichte, wonach der Geist schließlich nur noch das sogenannte innere Gesetz befolgte, das auf die historisch-gesellschaftliche Wirklichkeit keinen realen Bezug mehr hatte. Doch eine politische Perspektive, in der die menschliche Wirklichkeit mehr oder weniger ideologisch aufzufassen ist, ist im wesentlichen nichts anderes als eine objektiv konstruierte Wirklichkeit, unter die eine persönliche Existenz mit all ihrer Kompliziertheit schwerlich subsumiert werden kann. Die Lyriker der 68er Generation wurden sich jetzt auch dessen bewußt. So kehren sie sich von aller Theorie und Ideologie, vom Systemdenken ab und ziehen sich
"auf sich selbst zurück“, um sich selbst zu erfahren. Das bedeutet jedoch, wie Jürgen Theobaldy behauptet, keine Rückkehr in die alte Innerlichkeit. Sie sind jetzt intentional auf ihre Subjektivität bezogen, ausschließlich und in jedem Augenblick durch eine dialektische Auseinandersetzung mit dem Zufall ihrer alltäglichen privaten und subjektiven Erfahrungen in einer nicht als geschlossene erfahrbaren historisch-gesellschaftlichen Wirklichkeit.
抄録全体を表示