J. P. Hebel war der Tradition des Volkskalenders treu, der seit alters
"eine belehrend-informierende wie auch unterhaltende Funktion“ (D. Pilling) gehabt hatte. Er redete seinen Lesern, deren größter Teil das einfache Volk war, freundlich und einfach von den Dingen, die zu ihrem alltäglichen Leben engste Beziehungen hatten. Er erfüllte dabei in erster Linie eine aufklärerische Aufgabe. Hebel wurde im Zeitalter der Aufklärung geboren und wuchs dort auf, wo der Landesherr ein aufgeklärter Herrscher war. Aber so aufklärerisch der Dichter auch war, läßt er keine Spur von Plattheit bemerken, die in der aufklärerischen, im allgemeinen tendenziösen Literatur oft als Schwäche anzusehen ist. Was ihn von dieser Schwäche freihielt, waren seine Religiosität, die durch das Gefühl der Vergänglichkeit alles Irdischen genährt wurde, und seine eigene Perspektive, die von seinem auf das Ewige gerichteten Blick herrührte. Wie schon oft erwähnt, muß der Tod seiner Mutter in dem 13jährigen Hebel unauslöschliche Eindrücke hinterlassen haben. Durch ihren Tod hat er das Absolute in dieser irdischen Welt verloren und dafür den Blick auf die unvergängliche Ewigkeit gewonnen, indem die irdische Welt relativiert worden ist.
Dieser Blick stimmt nun gerade mit dem eines Kalendermachers überein. Hebel sagt mehrmals
"wir Sternseher und Kalendermacher“. Der Kalendermacher schaut in derselben Weise wie der Astronom-nur in entgegengesetzter Richtung. In seinem Kalender steht:
"Was aber sonst noch von der Erde zu sagen ist, und wie ihre Einwohner täten, was dem Herrn übel gefiel, bisweilen aber doch auch etwas, das ihm wohl gefiel.“ Ohnedies distanziert sich der Kalender, der nur einmal im Jahr erscheint und wiederholt zu lesen ist, im Gegensatz zur Zeitung von der Wirklichkeit. (L. Rohner) Sub specie aeternitatis erscheint alles vereinfacht, mit anderen Worten, sticht nur Wichtiges, Wesentliches hervor. Hebel hat-auch beim Bericht über Begebenheiten in der großen Welt-dieses Wesentliche, d.h. das für immer Unveränderte im Menschen nie aus den Augen gelassen. Dieser Perspektive entspringt sein Humor, der manchmal mit sachlichem Realismus verbunden ist. Sein Realismus beruht auf seinem gegenständlichen Geist, der durch die Ehrfurcht vor der Welt, die sich scheut zu abstrahieren und die Dinge bloß begrifflich zu behandeln, und durch die wissenschaftlich offene, d.h. vorurteilsfreie Haltung der Aufklärung genährt wurde. Bei Hebel stehen Religiosität und Aufklärung in wunderbarer Harmonie, die den unerschöpflichen Reiz seiner Kalendergeschichten ausmacht.
Obwohl Hebel in seiner eigenen Perspektive und der aufklärerischen Haltung die Unterschiede der Rassen, Religionen und Stände ignorierte, hegte er doch eindeutig Sympathie für die kleinen Leute, d.h. die Plebejer, denen er selbst entstammte. Das kann man auch daran sehen, wie viele Plebejer in seinen Erzählungen auftreten. Unter diesen Helden fallen die schalkhaften Brüder Zundelfrieder und Zundelheiner besonders auf. Sie sind keine anderen als die Nachkommen des weltbekannten Till Eulenspiegels; in Hinsicht auf ihr echtes Vergnügen an Streichen, unerwartetes Auftauchen und rechtzeitige Flucht, Spottlust u.s.w., auch wenn sie im Vergleich zu ihrem Ahnherrn wesentlich verharmlost sind. Wie dieser zeigen sie, die Hebels Lieblingsgestalten und also seine geistigen Verwandten sind, auch Ähnlichkeit mit dem, Trickster‘. Der Streich richtet sich im allgemeinen gegen die herrschende Ordnung, und gelegentlich problematisiert er sie gründlich und relativiert sie, wie es der Trickster tut. In diesem Sinne könnte man sagen,
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