In diesem kurzen, aus zwölf Abschnitten bestehenden Aufsatz habe ich-zugespitzt formuliert-die These vertreten, daß ein Dualismus sowohl in der frühneuzeitlichen deutschen Literatur überhaupt als auch in ihren geschichtlichen Voraussetzungen eine wesentliche Rolle spielte. Zunächst scheint mir aber notwendig, zu dem seit längerer Zeit vielseitig diskutierten Problem des Neuzeit-Begriffs Stellung zu nehmen. Die Bedeutung der struktur-geschichtlichen Betrachtungsweise wohl anerkennend, halte ich dabei den traditionellen Neuzeit-Begriff, also auch das erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts durch Cellarius etablierte, humanistische Dreiteilungs-schema, doch bis auf weiteres für gültig: daß der erste Ansatz eines globalen Zeitalters, infolge der sog. großen Entdeckungen und Expansion von Europa, eben im 16. Jahrhundert zu finden ist, dürfte eine unleugbare, mit der Entwicklung der modernen, ökonomisch-informationsgesellschaftlich sich vereinigenden Welt eher bedeutsamer gewordene Tatsache sein. Dazu kommt der Hinweis auf die unsre alltägliche Zeit-Raum-Vorstellung noch bestimmende Reform des Kalenders und der Weltkarte in diesem konfessionellen Zeitalter, wobei vor allem die zehn-Tage-Verschiebung zwischen dem alten und neuen
"Stil“ (Kalender) durch Beispiele anschaulich gemacht wird. Im Zusammenhang mit der Beschreibung der Stände wird die verfassungs-geschichtliche Veränderung in der frühen Neuzeit in ihren allgemeinen Zügen gestreift und auf das uns fremde dualistische Prinzip im politischen Leben hingedeutet. U. v. Hutten wird dann genannt als einer, der ständisch zu dem niederen
"gemeinen“ Adel gehörte, der in dem geschichtlichen Prozeß vom Personenverbandsstaat zum Flächenstaat allmählich von landesherrlichen Fürstenhöfen abhängig werden sollte, aber auch als repräsentativer Humanist, der die
"neue Zeit“ begeistert verherrlichte und, trotz der lateinisch-humanistischen Tradition, doch auf
"gemeinem“ Deutsch zu dichten anfing. In der folgenden Zeit aber sind die Institutionalisierung der studia humanitatis einerseits und die Vernachlässigung der deutschen Dichtung durch den poeta doctus andererseits parallele Erscheinungen zu dem geschichtlichen Verlauf wie die Rezeption des Römischen Rechts, die Gründung der neuen Universitäten, der allgemeine Bedarf an gelehrten Juristen in Territorialstaaten und die Vermehrung der gelehrten Geistlichen als Konsequenz der Entstehung der Landeskirchen und Gegenreformation usw. In dieser Situation herrscht, neben der politischen (Kaiser-Reichsstände), Landesherr-Landstände, recht-lichen (römisch-germanisch), konfessionellen (katholisch-protestantisch) und geistesgeschichtlichen (sog. Hellenismus-Hebraismus) usw., auch auf sprachlicher Ebene eine dualistische Spannung zwischen der deutschen und lateinischen Sprache, wobei die letztere, soweit man von der Angabe der Messekataloge schließen kann, bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts die überwiegende Rolle spielte. Martin Opitz ist es, der mit seiner bahn-brechenden Behauptung, daß nicht nur neulateinische, sondern auch nationale, d.h. deutsche Dichtung wie in Italien und Frankreich blühen sollten, eine neue Epoche der deutschen, gelehrten Literatur machte. Abgesehen von seinem Einfluß auf die Geschichte der deutschen Verseer vertrieb einerseits die im vorigen Jahrhundert häufige Tonbeugung aus dem deutschen Vers, andererseits aber verbannte er volkstümliche Elemente wie sog. Volkslieder und Knittelverse-begann mit ihm eine neue dualistische Tendenz in der deutschen Literatur: zugegebenerweise stark simplifiziert, höfisch-orientierte, gelehrt-ideale, ständisch oder stilistisch adelige Barock-literatur einerseits, volkstümliche, satirische,
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