Um zunächst einmal versuchsweise einige Aspekte zu skizzieren, die Benjamins Begriff des Mythischen zugrunde liegen: mythisch sind nicht nur die Wesenheiten, die im Vorweltlichen hausen und auf den Menschen lauern, wie ihnen Odysseus auf seiner Heimfahrt begegnet, sondern auch die dunklen Mächte im Menschen, wie sie Leidenschaften, Sexualität, u.a.m. heißen. Der Mensch der dem Mythischen erliegt, lädt eine Schuld auf sich, die ihn in ein Schicksal verstricken wird; die Mythen erzählen von Tantaliden, die aus Machtgier einer den andern ermorden und durch diese Schuld selber einen furchtbaren Tod finden. Das Mythische ist untrennbar mit Schuld und Schicksal verbunden.
Benjamin geht es stets um die Frage, wie der Mensch vom Mythischen befreit werden kann.
In seinem Leskowaufsatz:
"Der Erzähler“ spricht Benjamin vom Märchen, das den Menschen zeigt, wie sie
"den Alp, den der Mythos auf ihre Brust gelegt hatte, abschütteln“ können. Er erörtert hier die Gestalten der Leskowschen Erzählung, die dem Mythischen
"märehenhaft entronnen sind“. Denn das Mythische läßt sich nicht bekämpfen; es verstrickt nicht nur den, der sich auf es einläßt, sondern auch den, der es geflissentlich von sich fernhalten will. Interessant ist in dieser Hinsicht, daß Benjamin bisexuelle Figuren erwähnt, die
"zum elementaren Gegenpol der entfesselten Brunst“ werden, ohne ein asketisches Ideal zu verkörpern.
In der griechischen Tragödie, wie Benjamin in seinem
"Ursprung des deutschen Trauerspiels“ erörtert, wird zu beweisen versucht, daß bei einer mythischen Verstrickung nicht nur die Menschen, sondern auch die Götter schuldig sind, die über mythische Kräfte verfügen. Das ermöglicht den Menschen,
"das alte Recht der Olympischen zu entkräften“, so daß sie in einer neuen, vom Mythischen freien Welt leben können.
In den
"Zwei Gedichten von Friedrich Hölderlin“ hebt Benjamin
"mythische Verbundenheiten“ hervor, die er als unerläßlich für die Wahrheit eines literarischen Gebildes erachtet. Sie sired aber von unmythischer Herkunft, denn sie kommen erst durch
"die Umwandlung der Zweiheit von Tod und Dichter in die Einheit einer toten dichterischen Welt“, d.h. durch die Überwindung des Todes, zustande; von ihnen gilt denn auch, daß sie
"im Kunstwerk zu einziger unmythologischer und unmythischer …Gestalt geformt sind.“
Eine der zentralen Fragen von
"Goethes Wahlverwandtschften“ lautet wie
"gebildete Menschen“, d.h. diejenigen der aufgeklärten Neuzeit, in mythische Verstrickung geraten können. Benjamin weist darauf hin, daß sie eben durch die Aufklärung den Sinn für das göttlich Absolute verloren haben, das ihnen einzig und allein Halt gegen das Mythische geben kann. Die Romanfiguren lassen sich deshalb von
"Wahlverwandtschaften“ verführen, weil sie
"adliger Nachsicht…Duldung und Zartheit“ leben und keine absolute Liebe mehr kennen. Sie sind dadurch schutzlos den
"mythischen Gewalten des Rechts“ ausgeliefert, die
"im Verfall aus der Ehe hervorgehen“, und die Natur verwandelt sich für sie in eine mythische, die mit Todessymbolen durchsetzt ist.
In derselben Arbeit kritisiert Benjamin Gundolf; er sei auch einer der Aufgeklärten, dem es an dem Absoluten gebricht, nämlich dem Logos, der
"dem wahrhaft Göttlichen eignet“, eben deshalb schrecke er nicht davor zurück, Goethes Leben auf eine esoterische Weise als das des Heros zu stilisieren. Benjamins Gedanke, daß der Aufklärung die Tendenz innewohne,
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