Abstract
Karl Gustav Fellerer widersprach gegen Ende der 1920er Jahre der Auffassung Arnold Scherings uber die Rhythmik in der vokalen Polyphonie des 16. Jahrhunderts und die sich daraus ergebende "richtige Taktstrichsetzung", die auf der Vorstellung des "musikalischen Organismus" beruht. Die von Fellerer angenommene "Deklamationsrhythmik" bedeutet zwar ebenso wie bei Schering einen unregelmassigen Wechsel der Gruppierungen von zwei bzw. drei Zahlzeiten, dieser beruht jedoch auf der sprachlichen Akzentuierung und kommt zudem nicht in allen Stimmen gleichzeitig, sondern in jeder Stimme eigenstandig zur Anwendung. Gerade die Unmoglichkeit, ein solches rhythmisches Gewebe beim Horen vollkommen zu erfassen, macht die transzendente Dimension dieser Musik aus, in der uns "das verklarte Wort" begegnet. Fur Schering ging es dagegen weniger um die liturgische Funktion der Musik, als vielmehr um die dem Werk innewohnende rein musikalische Ordnung, die sich im Erlebnis des Horers in ihrer Ganzheit offenbart und somit den eigentlichen asthetischen Wert der Musik begrundet.