die Deutsche Literatur
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Zur Literatur über den “Torquato Tasso”
unter besonderer Berücksichtigung der Schluß-Szene
KENSUKE KOBAYASHI
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1970 Volume 44 Pages 20-29

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Abstract

Das von Goethe einfach “ein Schauspiel” bezeichnete Drama “Tasso” wird als ein Meisterwerk der klassischen Dramenkunst geschätzt, und gilt auch unter den Werken Goethes als ein solches. Trotz der Berühmtheit wird abet das Stück, worauf auch Gräf hinweist, nur selten gespielt. Die Welt dieses Werkes ist wie die der “Iphigenie” als rein klassische verstanden worden, die aus Klarheit und Durchsichtigkeit besteht. Jedoch erscheinen in dem Drama überall finstere Abgründe der Seele, und besonders die Schluß-Szene will Lesern wie Forschern nicht ohne weiteres in das “durchsichtig” klassische Konzept passen. Im allgemeinen wird das Stück heutzutage als “Tragödie” begriffen, was in auffallendem Gegensatz zu der Tatsache steht, daß das Drama “Die natürliche Tochter”, vom Dichter ausdrücklich und, wie uns scheinet, mit Recht als “Tragödie” bezeichnet, gelegentlich nichttragische Auslegungen gefunden hat. Welche Stellen des Schauspiels, das mit dem “Faust” das vieldeutigste, unerschöpflichste und rätselhafteste ist, wurden bisher ausreichend beleuchtet, und welche liegen noch weitgehend im Dunkeln?
Der Verfasser hat zuerst den Versuch von H. Düntzer “Goethe's Tasso” (1854), dann den von F. Kern (1884), K. Fischer (1933) kritisch behandelt, ferner die “Tasso”-Aufsätze der bedeutendsten Goethe-Forscher, die zwischen 1920 und 1965 erschienen sind, unter besonderer Berücksichtigung der Schluß-Szene des Dramas gewürdigt und zuletzt über die vortrefflichen und lehrreichen Aufsätze von W. Rasch (1954) und G. Neumann (1965) einige Betrachtungen angestellt.
Dabei ist der Verfasser zu folgenden Aussichten gelangt:
(1) Um die Frage, ob die Bekanntschaft zwischen Tasso und Antonio alt sei und ob der Charakter Antonios an einem Bruch leide, der dem ästhetischen Wert des Stückes abträglich sei, sind lange literaturwissenschaftliche Kontroversen geführt worden. So war dieses Thema ein Hauptgegenstand der berühmten Tasso-Polemik, die zwischen Kuno Fischer einerseits und Düntzer und Kern andererseits geführt wurde. Zwar scheinen mir einige Spuren mangelnder Einheit vorhanden zu sein, doch sind sie nicht so auffallend, daß sie den Wert des Stückes beeinträchtigten.
(2) Zur Forschungsmethode
(i) Ein Versuch von G. Lukács konnte leider nicht berücksichtigt werden, doch verdient eine historische und soziologische Betrachtungsweise des Stückes zweifellos Interesse.
(ii) Wünschenswert und dem Gegenstand angemessen wäre sicherlich auch eine Behandlung aus psychoanalytischer Sicht.
(3) Schließlich seien die verschiedenartigen Auffassungen der Schluß-Szene zusammenfassend wiedergegeben: Während der Anfangsphase der Beschäftigung mit diesem Stück, etwa von 1850-1900 (z. B. Düntzer, Kern und Fischer) rückte man den Tasso in die Nähe des Dichters Goethe und war von der Möglichkeit einer Heilung und Rettung für ihn überzeugt. Etwa um das Jahr 1910 (z. B. Geisel) wurde Skepsis gegenüber dieser Auffassung laut. In den Jahren 1930 bis 1960 (z. B. Engel, Rasch u. a.) verglich man Tasso mehr mit seinem italienischen Vorbild und hob stärker die “tragischen” Momente an ihm hervor. Vom Jahre 1965 an (z. B. Neumann) findet man in Tassos Dichter-Bewußtsein die Grundpolarität des Daseins widergespiegelt, in der man erneut einen Hoffnungsschimmer der Rettung entdeckt. Wir können im Hauptstrom der Interpretation grob (a) eine nichttragische, (b) tragische und (c) zum Heil umgebogene tragische Auffassungsweise unterscheiden

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