die Deutsche Literatur
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George und der Zyklusstil
TAKESHI SUKEHIRO
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1978 Volume 61 Pages 31-40

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Abstract

Was bei der Betrachtung der Gedichte Stefan Georges sofort in die Augen springt, sind die zyklischen Gedichtgruppen, die sich in fast allen Gedichtbänden finden und von stilistisch wesentlicher Bedeutung sind. Wenn man seinem eigentlichen Sinn nachspürt, bedeutet der Zyklus einerseits ein regelmäßig wiederkehrendes Ereignis, wie die Jahreszeiten und andererseits ein aus in sich abgeschlossenen, innerlich zusammengehörenden Einzelteilen bestehendes Ganzes, wie Schuberts "Winterreise“. Ich glaube, daß man bei George einen Zyklus in einem solchen doppelten Sinne finden kann.
Auch vom historischen Gesichtspunkt aus gesehen, ist der Georgesche Zyklus keine plötzliche und zufällige Erscheinung, denn der lyrische Zyklus wurde tatsächlich im 19. Jahrhundert immer mehr typisch. In meiner Abhandlung versuchte ich durch die Analyse einiger Werke zu erklären, was der Zyklus als ein George eigener Kunststil ist, und wie der Stil bei seinem Kunstschaffen funktioniert.
"Das Buch der hängenden Gärten“ (1894) besteht aus drei Teilen, die je zehn, fünfzehn und fünf Einzelwerke haben, und in denen das Schicksal einer Liebe dargestellt ist.
Hain in diesen paradiesen
Wechselt ab mit blütenwiesen
Hallen buntbemalten fliesen.
Schlanker störche schnäbel kräuseln
Teiche die von fischen schillern
Vögel-reihen matten scheines
Auf den schiefen firsten trillern
Und die goldnen binsen säuseln-
Doch mein traum verfolgt nur eines.
Das hier zitierte Gedicht ist dem zweiten Teil entnommen, der durch die Komposition von Arnold Schönberg sehr berühmt ist. Die Darstellungsart dieses Gedichtes ist typisch und etwas märchenhaft. Die Dinge sind durch mit kühler Präzision gezeichnete Linien begrenzt, so daß sie als ganzes eine kulissenhafte Malerei herstellen. Die Verben drücken weniger Bewegungen als Zustände aus, die jene in sich enthalten. Dieses schmuckhafte Bild erinnert uns also an eine Art Mosaikarbeit oder eine Kunst der Tapisserie (Bildteppich). George kümmert sich nicht um die Perspektive, die Tiefe. Seine Kunst ahmt die Wirklichkeit nicht nach, aber fordert auch nicht die Illusion. Man könnte sagen, daß in seinem Schaffen ein ihm eigenes Prinzip wirkt, das alle Stoffe des Gedichtes, Dinge sowie Bewegungen, zu einem Muster aus Sprache bringt, das selbst künstlerische Wirklichkeit ausdrückt.
Dieser zweite Teil ist mit anderen Worten eine Reihe von fünfzehn mosaikhaften Tableaus. Jedes Tableau ist an sich unabhängig als ein für sich perfektes lyrisches Bild, aber auch abhängig von etwas, was es zur großen Einheit bringt, die erst die Grundlage für die künstlerische Wahrheit vorbereiten kann. Es ist die große Sorge eines Dichters wie George, seine ständige Bemühung, das, was nicht mehr Einheit ist, zur Einheit zu machen. Sein Kunststil ist ein Methode, im Bereiche der Kunst eine große Einheit zu gewinnen. Und mir scheint, daß es am besten ist, wenn ich diese eine zyklische Einheit nenne.
Was bringt denn eine solche zyklische Einheit? Oder woher kommt die Kraft, die alle Bestandteile eines Zyklus zusammenstellt und in Ordnung bringt? Von den Beobachtungen einiger Beispiele habe ich gelernt, daß es entweder irgendwo außer dem Zyklus einen unsichtbaren, das ganze Werk rhythmisch beherrschenden Dirigenten gibt, oder ein großer Plan ihm zugrunde liegt.
Ernst Morwitz, der Kommentator des Werks Georges, hat einmal vom Grundvers erwähnt, der dem Dichter, wie er Morwitz sagte, intuitiv den Inhalt und Rhythmus eines jeden Gedichtes offenbarte und dann von ihm in sorgfältiger Arbeit benutzt wurde, um das Gedicht auf ihm oder um ihn aufzubauen.

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