die Deutsche Literatur
Online ISSN : 2187-0020
Print ISSN : 0387-2831
ISSN-L : 0387-2831
Über Kafkas Gesichtspunkt in "Betrachtung“
ISAO HADA
Author information
JOURNAL FREE ACCESS

1980 Volume 64 Pages 53-63

Details
Abstract
Die erste Sammlung von Prosastücken, die Kafka 1913 publiziert hat, trägt den Titel "Betrachtung“. Alle Stücke dieser Sammlung waren jedoch schon geschrieben, als die Geschichte "Das Urteil“, die als Durchbruch zum eigentlichen Schreiben Kafkas gilt, im September 1912 entstand. Man kann sich also vorstellen, daß Kafka in den vor dem Durchbruch entstandenen Werken vorzüglich auf dem Standpunkt der Betrachtung stand. Im vorliegenden Aufsatz ist die Rede davon, was für ein Gesichtspunkt die Betrachtung ist, und auch davon, ob sie mit dem Durchbruch im Zusammenhang steht oder nicht.
1) Der Schaffensweise, die Kafka zuerst bewußt angewandt hat, liegt das Betrachten zugrunde. Dem "Brief an den Vater“ gemäß versucht Kafka dem Einfluß seines Vaters zu entfliehen, um seine Selbständigkeit zu erlangen. Diese Flucht dient aber nicht nur der Selbstbewahrung, sondern auch dazur, den Standort des Betrachters zu gewinnen, von dem aus er das ganze Verhältnis zwischen Vater und Sohn überblicken kann. Dadurch wird dieses als Gegenstand der Betrachtung fixiert. Es ist anscheinend auch unverändert geblieben, weil es zwei Menschen betrifft. Es kommt darauf an, unbemerkt zu entfliehen. Zwecks dieser Flucht hat man also irgendwo im Verhältnis einen Ausweg zu finden, der zum Standort für die Betrachtung führt und damit die Flucht vor dem Vater geheimhält. Kafka verwandelt sich dazu in zwei verschiedene Gestalten: die eine ist der Betrachter und die andere hat am Verhältnis teil. Dabei wird die letztere vor den Vater gestellt, damit jene heimlich vor ihm fliehen und, sich hinter ihr versteckend, das Objekt betrachten kann. Diese am Verhältnis teilhabende Gestalt ist hier nichts anderes als ein Ausweg für Kafka.
2) Eine solche Betrachtungsweise wendet Kafka auch auf das Schaffen an. Er setzt dabei, wie er selber in "Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande“ schreibt, an die Stelle dessen, der an dem Verhältnis teilhat, einen, der "man an Stelle von ich“ sagt. Damit wird seine eigene Betrachtung generalisiert. Sind auch in "Betrachtung“ die meisten Stücke in der Ich-, bzw. in der Wir-Form geschrieben, wird das Subjekt doch zum allgemeinen Charakter. Die Generalisierung wird hier in diesem Werk folgendermaßen ausgeführt. (a) Objektwahl: Als Objekt nimmt man ein alltäglich vorliegendes, z.B. die Kleider in "Kleider“ auf, die wir täglich früh anlegen und abends ausziehen. (b) Analyse, Reflexion: Das Objekt soll aber nicht nur einfach geschildert, sondern in seiner Bedeutung charakterisiert werden. In "Kleider“ steht die Zeitlichkeit des Dings in Frage. Man muß also in bezug darauf das Objekt analysieren und über sein Attribut reflektieren. Was hier deutlich gemacht wird, ist, daß die Schönheit der Kleider "nicht lange so erhalten“ bleibt. (c) Vergleich, Systematisierung: Mit den Kleidern vergleicht man dann die schönen Mädchen, die in diesen Kleidern erscheinen. Auf dieser Stufe wird die Reflexion über die Mädchen deswegen systematischer, weil man die Reflexion über die Kleider auf die Mädchen hin betrachten kann. Es stellt sich dabei heraus, daß, was von den Kleidern gilt, auch von den Mädchen gilt. (d) Generalisierung: Dieses Ergebnis wird nicht auf die Mädchen beschränkt, denn die Zeitlichkeit ist das allen gemeinsame Attribut. Die Betrachtung macht den konkreten zum generellen Fall, indem sie darüber nachdenken läßt.
Man kann folglich die charakteristischen Merkmale der Betrachtung folgendermaßen zusammenfassen:
Content from these authors
© Japanische Gesellschaft fur Germanistik
Previous article Next article
feedback
Top