die Deutsche Literatur
Online ISSN : 2187-0020
Print ISSN : 0387-2831
ISSN-L : 0387-2831
Dekonstruktion des "Baues“
Ein Versuch über das Kafka-Lesen
KOICHI MORIMOTO
Author information
JOURNAL FREE ACCESS

1984 Volume 73 Pages 92-101

Details
Abstract
Wie Interpreten oft unterstreichen, lassen Kafkas parabolische Erzählungen die Sinn-Erwartung des Lesers, der sich ihnen unvermeidlich mit einigen hermeneutischen Vorurteilen nähert, scheitern. Denn Kafkas Text ist nicht derart geschrieben, daß er dem Leser eine klar definierbare semantische Substanz (Sachhälfte der Parabel) darbietet. Aber heißt das, daß solches textuelles Geschrieben-Sein (écriture) selbst ein Thema wie etwa die dem Leser Selbstreflexion auferlegende, erkenntniskritische Wahrheit enthält? Dann heißt das Thema: die Begrenztheit unseres Verstehensvermögens, das in der Tradition der aufklärerischen idealistischen Erkenntnisgläubigkeit als selbstverständlich angenommen wird, oder die sprachliche und intersubjektive Bedingtheit unserer vorgefaßten Wirklichkeitsmodelle usw. Das glauben einige neuere Kafka-Kritiker in Deutschland wie Elm, Keßler, Steinmetz u.a., die bei ihren Interpretationen auf die innere Konstitution des Textes und das dazu gehorende Verhältnis des Lesers Schwerpunkt legen.
Trotz ihrer sorgfältigen Textanalysen scheint es, daß ihr interpretatives Urteil durch die hermeneutische Voreiligkeit geprägt ist. Mit der Voreiligkeit meint man eine Gleichsetzung der sprachlichen (De-)Konstruktion des Textes, die des Lesers Erwartung bestimmbarer Sinnhaftigkeit scheitern läßt, mit der erkenntnis- und sprachkritischen Lehre. Dieses wissenschaftliche Verfahren. Gleichsetzung, hat als Hintergrund die allgemeinere Konzeption der interpretativen Identitätsaussage: ein Ausdruck x repräsentiert einen Inhalt y. Und diese Konzeption vereinigt sich mit der traditionellen (logozentrischen, nach J. Derridas Terminologie) Auffassung von der Signifikation wie die autarkische Übereinstimmung des Signifikanten mit dem Signifikat, Denotation mit Konnotation, oder die durch ein an sich inhaltloses Anzeichen vermittelte Vergegenwärtigung eines idealen Geistes (Bedeutung) usw.
Aber auf der Oberfläche des Kafkaischen Textes wird gerade die Unmöglichkeit solcher versöhnlichen Einheit zwischen einem Ausdruck und einem eigentlichen Sinn gespielt (Ein solches "Spielen“ findet man in "Der Bau“).
Wie in fast alien anderen Erzählungen, ist die Erzählweise im "Bau“ durch sogenannte "Einsinnigkeit“, d.h. durch die Reduktion der Erzählperspektive auf die der Hauptfigur (in diesem Fall des Ich-Erzählers), gekennzeichnet. An diesen perspektivisch begrenzten Rahmen schließt sich eine strukturelle Abwesenheit des referenziellen Kontextes im Erzählen. Darum zwingt der Rahmen den Erzähler, den divergenten Monolog, der keine objektive Verweisung machen kann, zu repetieren. Nun stellt sich der Erzähler (ein Tier wie ein Maulwurf) von Anfang an den "Gegner“, den anderen "Graber“ vor, der von außen her das Innere seines Baues bedroht. Mit dieser Vorstellung wird eine Reihe von Dichotomien, der Bau (das Ich selbst)/der Bedrohende, Innen/Außen, Stille/Geräusch usw. in die erzählte Welt hineingebaut. Wie eine Episode in der Erzählung typisch andeutet, ist die Setzung der äußeren Bedrohung eine unentbehrliche Vermittlung, die dem erzählenden Bewußtsein (d.h. der erzählten Welt) eine eigentliche Innerlichkeit vergegenwärtigen könnte. Aber das meint keine versöhnliche Verbindung zwischen Innen und Außen. Das als "Geräusch“ (Merkmal des Gegners) gesetzte Außen ist, zum Beispiel, an sich nur eine Negativität der Eigentlichkeit des Innen, dessen Merkmal "Stille“ ist. Das erzählende Bewußtsein fordert strukturell das vermittelnde Außen, das die eigentliche Innerlichkeit hervorbringen soll.
Content from these authors
© Japanische Gesellschaft fur Germanistik
Previous article Next article
feedback
Top