HIKAKU BUNGAKU Journal of Comparative Literature
Online ISSN : 2189-6844
Print ISSN : 0440-8039
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Die Kafka-Rezeption:
Martin Walsers Frühwerke
Takahiro ARIMURA
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1991 Volume 33 Pages 49-60

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Abstract

 Schon als Student beschäftigte sich Martin Walser mit Franz Kafkas Dichtung und wählte „Beschreibung einer Form“ als Thema seiner Dissertation, in der er sich mit dem dichterischen Selbstverständnis und der Erzähltechnik Kafkas auseinandersetzte. Walser beeindruckten damals besonders die Bestimmtheit und das Ausgeliefertsein der Personen Kafkas, da dies auch seinen eigenen persönlichen Erfahrungen entsprach.

 ln Walsers ersten Sammelband „Ein Flugzeug über dem Haus und andere Geschichten“ finden sich ebenfalls starke Einflüsse Kafkas, Aus den neun Erzählungen dieses Bandes sollen die folgenden zwei, näher untersucht und verglichen werden: „Gefahrenvoller Aufenthalt" und „Templones Tod“

 In „Gefahrenvoller Aufenthalt“ überkommt die Hauptfigur plötzlich das Verlangen, nicht mehr vom Bett aufstehen zu wollen. Daher ist sie auch nicht mehr in der Lage, mit der Außenwelt Kontakt zu halten. Schließlich gerät allmählich sogar ihr Leben in Gefahr. Das Motiv „im Bett liegen zu bleiben“ erinnert stark an die Hauptfigur Gregor Samsa in Kafkas „Verwandlung“, obwohl Walsers Hauptfigur sich nicht verwandelt.

 Während Herr Templone, die Hauptfigur der Erzählung „Templones Ende“, nach dem Zweiten Weltkrieg ruhig mit seiner Tochter auf seinem Besitz lebt, sieht er viele Häuser in der Nachbarschaft ihre Besitzer wechseln. Vergebens bemüht er sich seine Tochter, sich selbst und seinen Besitz zu verteidigen. Schließlich stirbt er aus Angst vor der Außenwelt. Sein Tod symbolisiert den tragischen Konflikt zwischen der Gesellschaft und dem Einzelnen. In diesem Sinne gleicht diese Erzählung dem „Prozeß“ von Kafka, in dem die Hauptfigur Josef K. wie ein Hund durch eine unheimliche Gerichtsorganisation abgerichtet wird.

 Obwohl Walser selbst jeden Satz seines Werkes in der Wirklichkeit begründet sieht, ist seine Dichtung dennoch nicht nur bloße Beschreibung der Wirklichkeit, sondern auch seine Reaktion darauf. Während Walsers Verarbeitung der Wirklichkeit stets von sozialkritischen Motiven geprägt ist, spielen bei Kafka darüber hinaus auch jüdische, metaphysische, autobiographische und tiefenpsychologische Motive eine starke Rolle.

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