Neue Beiträge zur Germanistik
Online ISSN : 2433-1511
Sonderthema: Technik/Technologie
Die Glückseligkeit als Prinzip der Herrschaft:
Die Diskurse und Praktiken der Kameralwissenschaften in den deutschsprachigen Ländern des 18. Jahrhunderts
Yuuhei OOBAYASHI
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2022 Volume 164 Pages 9-25

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Abstract

  Einige WirtschaftshistorikerInnen, wie z. B. Joel Mokyr, betonen die Bedeutung der technischen Umwandlung der Institutionen und Transfermedien in den europäischen Ländern für die industrielle Revolution. Darauf weist Mokyr mit den Begriff industrial enlightenment hin. Solche Debatten sind zwar insofern fruchtbar, als sie die Globalisierung und Industrialisierung mit der Wissensgeschichte erfolgreich zu verknüpfen versuchen. Dennoch wird es noch nicht genug klar, welche Rolle die traditionellere Philosophie der Aufklärungszeit in diesem Kontext spielen könnte.
  Der hier vorgelegte Aufsatz nimmt eine Diskursanalyse der Kameralwissenschaften der frühen Neuzeit vor, um den ideologischen Grund der Eingriffe des Staats im Hinblick auf die Technologie klarzumachen. Hierbei spielen die Begriffe „Glückseligkeit“ bzw. „Wohl“ eine zentrale Rolle. Bei diesen Begriffen geht es in der staatlichen Klugheitslehre um das von Staaten verfolgte Anliegen, den eigenen Einwohnern die Befriedigung der natürlichen Bedürfnisse und Sicherheit, d.h. Absicherung gegen Feindseligkeiten zu gewähren, das auch verschiedene politische Denker der Naturrechtslehre seit Thomas Hobbes grundlegend reflektiert haben.
  Den Begriff „Glückseligkeit“ bestimmte Johann Joachim Becher (1635-1682), ein Vertreter der frühen Kameralwissenschaften, als Zweck des Staates. In seinem Politischen Diskurs behauptet er unter starkem Einfluss des Merkantilismus, dass der Staat die Einwohner durch die Nahrung nur dann erfolgreich vermehren kann, wenn das Gewerbe zwischen den verschiedenen Gesellschaften entsprechend entwickelt wird. Der Hintergrund seiner politischen Idee sind die traditionellen Diskurse um die Bevölkerungspolitik seit der Renaissance, also die staatliche Klugheitslehre. Giovanni Botero (1544-1617) glaubte, dass der Reichtum des Staates aus der Bevölkerung hervorgebracht werden kann. Becher als Hofbediensteter beschäftigte sich im Zusammenhang der Bevölkerungspolitik damit, den Maulbeeranbau, die Seidenindustrie und den Kartoffelanbau sowie Bergbau überhaupt zu fördern. Rohstoff für das Handwerk zu produzieren ist bedeutsam aus der fiskalischen Perspektive. Außerdem diente es sowohl zur Viehzucht als auch für Maßnahmen bei einer Hungersnot, die neuen Nahrungsmittel aus Amerika oder Asien zu verbreiten.
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