Neue Beiträge zur Germanistik
Online ISSN : 2433-1511
Aufsätze
Geschenk von einem Räuber
Tausch und Gabe in E.T.A. HoffmannsIgnaz Denner
Daisuke NAKAMURA
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2023 Volume 168 Pages 1-15

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Abstract
 In meiner Abhandlung analysiere ich E.T.A. Hoffmanns(1776-1822)Stück Ignaz Denner (1816) im Hinblick auf dessen historischen Hintergrund, insbesondere seiner Beziehung zur Ökonomie. In dieser Erzählung tritt sein Titelheld als „der Fremde“ in das Haus der Hauptperson Andres ein und gibt Andres’ Familie so viele Gaben, dass sie immer reicher wird. Aber diese Geschenke werden später als Tausch entlarvt. Denn sie sind Bedingung dafür, dass Denner von Andres die Erfüllung seiner grausamen Wünsche verlangt. In der Forschung wird dieses Stück aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. Besonders Jun Imadas Beitrag ist aufschlussreich für meine Werkanalyse, weil Imada seinen Schwerpunkt auf die Funktion der Familie legt. Seiner Meinung nach bringe erst der Eintritt Denners in die Familie die Handlung dieses Stücks in Gang.  
  Um 1800 vollzieht sich zudem die Trennung des Erwerbslebens von dem Familienraum, womit auch eine geschlechtliche Rollenverteilung verbunden ist. So hält man die Familie für eine Art von Zuflucht des Mannes, der einer ökonomischen Tätigkeit nachgeht. In den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhundertes wird die ökonomische Theorie von Adam Smith in die deutschsprachigen Länder eingeführt und beeinflusst die Beamten, die die preußische Restauration nach der Niederlage gegen Napoleon leiten. Im ökonomischen Modell von Smith ist der „Tausch“ ein wichtiger ökonomischer Akt, damit jedes Individuum sich auf seine Arbeit konzentrieren könne. Die bisherige Forschung erwähnt die ökonomischen Kontexte in diesem Stück nur wenig. Deshalb sollen diese in Verbindung mit der Funktion des Familienraums in der vorliegenden Studie näher betrachtet werden. Ich möchte dabei die folgenden Fragen beantworten: Wie wird die sich um 1800 ausbildende ökonomische Ordnung in seinem Werk dargestellt? Welche kritische Potenz gegenüber dem damaligen ökonomischen Modell hat Hoffmanns Werk? Ist diese Kritik adäquat?
 In Andres’ Familie drückt sich exemplarisch eine damalige typische Familie aus, da das Familienoberhaupt Andres außer Haus arbeitet und seine Frau Giorgina innerhalb des Hauses bleibt. Diese Rollenverteilung bezieht sich auch auf die unterschiedlichen Haltungen beider Figuren gegenüber der Gabe Denners. Gegenüber Denners Angebot der Gabe zeigt Andres eine ablehnende und Giorgina eine annehmende Haltung. Was man außerhalb des Hauses durch den Einkauf oder Arbeit von Andres bekommt, wird von seinen Familienmitgliedern als Geschenk interpretiert. Aus diesen Beobachtungen könnte man folgern, dass die Gabe in den Familienraum situiert wird, während der Tausch außerhalb des Hauses der Familie steht.  
 Durch den Tausch zwischen Denner und Andres wird deutlich, wie sich das damals wichtigste ökonomische Prinzip des Tausches in den intimen Raum der Familie einschleicht. Am Ende wird Andres und dem Leser klar, dass Giorgina, die Frau von Andres, die Tochter von Denner ist. Das heißt, Denner ist auch ein Familienmitglied von Andres. So vollzieht sich der Tauschakt nicht zwischen einem Familienmitglied und einem Fremden, sondern zwischen Familienmitgliedern, d.h. innerhalb des Hauses selbst. Unbemerkt – nicht nur für Andres, sondern auch für den Leser – wird ein ökonomischer Akt, der außerhalb des Hauses verlaufen müsste, in den intimen Raum der Familie gestellt.
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