Abstract
Ausgehend von der Zeitlichkeit des menschlichen Verstehens and der Erfahrung wird zunächst der anthropologisch-ontologische Wesenszusammenhang von Zeit and menschlichem Dasein aufgewiesen (1), um, sodann, die Geschichtlichkeit der Zeit aus dem konstitutiven Einbezug der Vergangenheit in menschliches Selbstvertständnis zu zeigen, damit aber zugleich geschichtliche Zeit von Naturzeit abzugrenzen (2). Die lebensweltlich erfahrene Geschichte weitet sich nun durch historische Erkenntnis, soweit these hermeneutisch angeeignet wird, zum Raum einer die persönliche Erfahrung überschreitenden Geschichte (3). Sofern solche Geschichtserkenntnis vorzüglich in der Form standpunktgebundener Ertzählung vermittelt wird, erreicht sie zwar nie erschöpfende Letztgültgkeit, schließt aber notwendig einen Vorgriff auf den Sinn geschichtlichen Daseins als ganzen ein. Die Konzeption konkreter Geschichte im Rahmen eines umfassenden Sinnganzen führt zunächst zur Gliederung der Geschichte in historische Zeiten oder Epochen, innerhalb derer sich ein geschichtliches Ereignis als individuelle Totalität darstellt, drängt aber auf den Entwurf einer Universalgeschichte der Menschheit and damit geschichtlichen Sinnes überhaupt, ohne daß sich dieser Sinn in der Weise spekulativer Geschichtsphilosophie zu einem System von Geschichte verdichten ließe (4). Entspringt Geschichte nicht im spekulativen Begriff, sondern in der menschlichen Handlung, so kann aus deren Struktur in ihrem Doppelbezug auf eine Zielidee'etwa von Humanität, Glück and Freiheit' und auf die geschichtliche Situation' in ihrer Verflechtung mit naturhaften Bedingungen und relativ konstanten sozialen Strukturen' die Eigenart geschichtlicher Zeit erhellt werden (5). Geschichtliche Handlung ist nun als Selbstrealisierung von menschlicher Freiheit nor im Bezug auf einen vor-gängigen Sinn möglich, der geschichtliche Vergangenheit und faktische Umstände in die geschichtliche Entscheidung einbeziehen läßt, diese aber auf je neue, unvoraussagbare Zukunft hin öffnet. Indem sich der Handelnde für eine bestimmte geschichtliche Möglichkeit als für ihn schlechthin bedeutsame entscheidet, überläßt er sich in Freiheit einer von ihm selbst her nicht überschaubaren Zukunft und bejaht damit den Anruf unbedingten Sinnes als stiftenden Urgrund seiner geschichtlichen Zeit (6).