Beitraege zur oesterreichischen Literatur
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Die Stadt Wien in den Texten Rose Auslanders : Aus der Perspektive einer Bukowinerin
Kyoko FUJITA
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1999 Volume 15 Pages 51-59

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Abstract

Die Dichterin Rose Auslander (1901-1988) stammt aus Czernowitz, der Hauptstadt des ehemaligen k.u.k. Kronlands Bukowina, das im Jahr 1919 Rumanien eingegliedert wurde und seit 1945 zu einem Teil zur Ukraine, zum anderen zu Rumanien gehort. Die Bukowina war seinerzeit Schnittstelle vieler Volker, wo Deutsche und deutschsprachige Juden in politisch-wirtschaftlicher wie auch in kultureller Hinsicht eine fuhrende Rolle spielten, Bis zum Beginn der Judenverfolgung wahrend der Besetzung der SS im Jahr 1941 genoss Czernowitz eine Blutezeit der deutschsprachigen Kultur und wurde oft "Klein-Wien" genannt. Multikulturalitat und hohes Niveau der deutschsprachigen Kultur pragten diese Kulturlandschaft. Rose Auslander kommt aus einer deutschsprachigen judischen Familie. Wie viele ihrer Landsleute judischer Herkunft verliess sie nach dem Zweiten Weltkneg ihre Heimat und tbersiedelte in die USA. Nach einem Aufenthalt in Wien 1957 kam sie 1964 aus den USA nach Wien "zuruck". Im darauffolgenden Jahr zog sie nach Dusseldorf und starb dort 1988. In der vorliegenden Arbeit wird erortert, wie diese deutschspachige judische Dichterin aus der Perspektive einer heimatlosen Bukowonerin die k.u.k. Hauptstadt Wien erlebt und in ihren Werken darstellt und wie sich die Bedeutung dieser Stadt fur die Dichterin im Verlauf ihres Lebens verandert. Sie beschreibt, wie die deutschsprachigen Juden in der Bukowina auch nach der Eingliederung dieses Gebiets in Rumanien an ihrer osterreichischen Identitat festhielten und sie Wien weiterhin als ihre Hauptstadt betrachteten. Bemerkenswert ist, dass diese Leute die deutsche Sprache als ihre "Mutter- und Kultursprache" verstanden, und dass Wien als maBgebendes Vorbild der deutschen Sprache fur die Konstituierung und Erhaltung ihrer kulturellen Identitat eine bedeutende Rolle spielte. Wegen dieser Bedeutung der deutschen Sprache als Kern der kulturellen Identitat fur die deutschsprachigen Juden aus der Bukowina fuhlte sich die Dichterin trotz der schmerzhaften Erlebnisse der Judenverfolgung mit Osterreich sovie mit Wien "wurzeltief" verbunden. Im Gedicht "Wiedersehen mit dem Wiener Wald", nach ihrem Aufenthalt in Wien geschrieben, verharmlost das lyrische Ich sein einstiges aversives Verhaltnis zu Wien ("Waren wir Feinde / als der Freide schlief") und betont vielmehr seine Freundschaft zu dieser Stadt ("Sind wir Freunde"). Mit einer Mischung aus Hoffung und Angst ("Traumtest du mich / wie ich dich / wurzeltief // ... // Kennst du mich / wie ich dich / wurzeltief") sehnte sich die Dichterin nach "unserem geliebten Wien (trotz allem!)". Im Juni 1964 ubersiedelte R. Auslander nach Wien, um "den direkten lebendigen Kontakt mit der deutschen Sprache und den deutschsprechenden Menschen" nicht zu verlieren. Aber schon im November dieses Jahres schieb sie einem Bekannten, dass momentan ihre "Heimatlosigkeit Wien heisst" und klagte uber "diese provinzielle, kleinburgerliche Grossstadt, Janus-Wien". In ihrer Erzahlung "Der Fluch" (1967) stellt die Protagonistin, eine deutschsprachige Judin, Uberlegungen uber Wien und seine Menschen an Fur sie ist Wien keine Weltstadt, sondern "eine provinzlerische Grossstadt". Obwohl viele Nichtosterreicher Wien besuchen und viele Fremdsprachen zu vernehmen sind, sind und bleiben diejenigen Leute in dieser Stadt nur fremde Touristen. Ein "Nichtwiener", ein "Nichtosterreicher" vermag, der Protagonistin nach, nicht an den inneren Wesenskern der Wiener heranzukommen, und der typische Wiener ist "ein Januswesen": er ist "ritterlich und boshaft, untertanig und uberheblich, sanguinisch und hysterisch". Als die Dichterin mit dem Bewusstsein als "Osterreicherin" nach Wien "zuruck"-kam, fand sie sich als Fremde aus der Gesellschaft dieser Stadt

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