Abstract
Im Jahre 1822, genau 10 Jahre nach der Veroffentlichung des ersten Brudes der Kinder- und Hausmarchen von den Brudern Grimm, erschien in Wien eine bemerkenswerte Sammlung. Gesammelt und herausgegeben wurde sie von Franz Ziska mit dem Zweck, "einen Beitrag zur Geschichte der deutschen Sprache und Volkskunde zu liefern", und er betitelte sie ganz einfach Oesterreichische Volksmarchen. Dieser isoliert gemachte Versuch, Volkserzahlungen treu "nach dem Volksmund" wiederzugeben, stellte die erste osterreichische Marchen- und Sagensammlung dar, schliesst sich als erster an die Methode der Bruder Grimm an, und ging ungefahr um 20 Jahre den Leistungen der eigentlichen Nachfolger, darunter z.B, die Gebruder Zingerle mit den Kinder- und Hausmdrchen aus Tirol, voran. Diese Sammlung als solche lebt zwar nicht wie die der Bruder Grimm als Volkserzahlgut der Osterreicher bis heute weiter, in der Geschichte der Marchenpublikation hat sie aber in folgender Hinsicht einen besonderen Stellenwert: 1. Die Geschichten sind alle in Mundart wiedergegeben, und zwar 2. versucht der Herausgeber die Aussprache der osterreichischen Gebirgsbewohner moglichst genau in Buchstaben auszudrucken, indem er eine von ihm selbst erfundene Art und Weise der Schreibung verwendet. Ein Beispiel dafur ist vor allem an dem kleinen "r" zu sehen, das oberhalb der Zeile gesetzt ist und ein unbetontes "r" ausdruckt. 3. Zum Verstehen der Mundart ist diese Sammlung mit einem Worterbuch und wissenschaftlichen Anmerkungen als Anhang versehen, die sich uber 50 Seiten, also ungefahr die Halfte des ganzen Bandes, ausdehnen. 4. Sie stellt auch insofern einen kuhnen Versuch in einer Zeit dar, in der die Kinder- und Hausmarchen in Wien noch starker Kritik ausgesetzt waren und das allgemeine Lesepublikum fur "Ammenmerchen, die im Ammenton erzahlt werden" noch keine Sympathie hatte. 5. In dieser Sammlung kann man Nachklange der Wollzeiler Gesellschaft spuren, an der die osterreichische Volkskunde hatte keimen konnen, die allerdings vor der Verbreitung ihrer eigentlichen Tatigkeit scheiterte, und deren konkrete Tinflusse im einzalnen deshalb heute schwer nachweisbar sind. 6. Sie ist als der erste Erganzungsband der Marchensammlung der Bruder Grimm, die sich "stock-hessisch" nennt, zu betrachten, indem sie sich methodologisch auf die Sammlung aus nur einer bestimmten Gegend begrenzt. Diese heute schon fast vergessene, zu der Zeit ihrer Entsehung wenig verbreitete Sammlung kann in diesem Sinne immer noch einen wichtigen Beitrag zur Volkskunde und geschichtlichen Marchenforschung leisten. Zum Schluss soll hier das Inhaltsverzeichnis des Buchs wiedergegeben werden: Inhalt: Der Schneider und der Riese … 9 Teufelsthurm, Wirbel und Strudel … 14 Stierwascher und Flascheltrager … 17 Der Stock am Eisen … 20 Die verwunscheme Wiese … 30 Der Geist bey dem Grenzsteine … 32 Der Teufelsbraten … 37 Die stolze Fohre … 38 Tausendfache Vergeltung … 43 Lohn und Strafe … 47 Die Hausschlange … 51 Die glucklichen Bruder … 53 Die versunkene Stadt … 57 Worterbuch … 59 Anmerkungen … 93