Beitraege zur oesterreichischen Literatur
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Ernst und Spiel : Joseph Roths Der Antichrist
Junko TOMISHIGE
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2002 Volume 18 Pages 18-26

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Abstract

Was fur ein 'Werk' mag Der Antichrist von Joseph Roth sein? Ist es eine sehr ernste Attacke gegen den 'Antichrist'? Oder ist es ein allzu spielerischer Streich, gespielt gegen eine allzu ernste geschichtliche Wirklichkeit? Diese Fragen drangen sich auf, weil mehrere Diskrepanzen in diesem Stuck wahrzunehmen sind; mindestens folgende. Beginnend mit der apokalyptischen Botscbaft der Ankunft des "Antichrist" lasst das Buch zwei verschiedene Tone vernehmen : einen pathetiechen und an das Gewissen appellierenden Sprechton, der mit religitisem Wortschatz uberhauft ist, und einen sachlicben bzw. teilnahmslosen Erzahlton. Erzahlt wird von einer Welt, in der der "Antichrist" allgegenwartig ist und gegen den die Figur "Ich" ohnmachtig ausfallen muss; von einer Welt, die, der Disposition nach, Roths Romanwelt nahe kommt. Will ersterer die gesamte Wirklichkeit als dem SAntichrist" verfallen erkennen, also sich im Namen Gottes 'vertikal' uber die Welt stellen, bewegt sich letzterer geradezu 'horizontal' in der Welt. Es sind Positionen, aus deren Vermittlung eine religioswirkliche Streitschrift hatte entstchen konnen, die jedoch ausbleibt. Daraus ergibt sich ein anderer Sachverhalt. Was zur 'blossen' Rhetorik des Wahrsagers gehoren solite, der die Wirklichkeit als eine zum Schatten degradierte Welt zu entlarven sucht, schlagt um zu einer Wirklichkeit, welche die Erzahlerstimme hervorruft. Das Weitbild verschiebt sich nochmal, indem eine umgekehrte Welt, eine fabulierte Schattenwelt entsteht. Der Antichrist zeigt deutlich, dass es Roth um die Konstruktion einer 'Nicht-Wirklichkeit' ging, dine wohl Literatur ist, die sich aber weder als 'wahre Wirklichkeit' noch als religiose 'Wahrheit' versteht. Die bejaht sich auch nicht als 'Gegen-Wirklichkeit', sondern will sich spielermsch gegen das Ernste situieren - sie wird so doch nicht ganz 'Spiel'. So bezieht sich die Metapher 'Schatten' auf das Rothsche Schreiben selbst, das sich sowohl von der Wirklichkeit als auch von der Wahrheit 'wegfluchtet', das sich niemals ganz entreissen kann und mimer Fluchtling, also 'Schatten' bleibt.

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