Beitraege zur oesterreichischen Literatur
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Der Ruf des erzahlenden "Ich" ohne Gewahr : Ingeborg Bachmann im Vergleich zu Samuel Beckett
Yutaka KUNISHIGE
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2013 Volume 29 Pages 10-19

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In den Frankfurter Vorlesungen (1959/60) stellt Ingeborg Bachmann "(Den) Namenlosen" von Samuel Beckett wie folgt vor: In seinem letzten Roman "Der Namenlose" halt ein Monolog ohne Anfang, ohne Ende, auf der hoffnungslosen Suche nach sich selbst gehalten. (---) Nicht nur Personlichkeit oder gar Identitat, Wesenskonstante, Geschichte, Umwelt und Vergangenheit sind ihm abhanden gekommen,sondem sein Verlangen nach Schweigen droht, es auszuloschen, zu vernichten." Dass Bachmann selbst als Schriftstellerin diese Problematik "die Ausloschung des erzahlenden Ich" mit Beckett teilt, zeigt schon ihr frilhes Gedicht "Wie soil ich mich nennen?" (1952) In dieser Arbeit pointierte ich den merkbaren Unterschied des Ich-Erzahlers bei beiden Autoren; einerseits der monologische Narrator bei Beckett, andererseits der dialogische bei Bachmann. Mahood, der Protagonist von Beckett, murmelt einsam nur::... ich werde also weitermachen, man muss Worte sagen, solange es welche gibt, man muss sagen, bis sie mir finden, bis sie mir sagen, seltsame Muhe, seltsame Sunde." Aber diese radikale Sprachlosigkeit des Ich-Erzahlers fuhrt letztlich Beckett ins Schweigen. Dagegen rettet Bachmann ihre Hauptfiguren vor der vollstandigen Einsamkeit dadurch, dass sie das erzahlende Ich als antagonistisches Alter Ego oder Doppelganger des Protagonisten "Ich" charakterisiert; zum Beispiel die Ich-Erzahlerin und Malina ("Malina"), Undine und Hans ("Undine geht"). Der Ich-Erzahler und sein Alter Ego formieren also eine Personlichkeit zu zweit, und der gegenseitige Wortwechsel zwischen dem erzahlenden Ich und seinem Alter Ego formt ein Werk. Die Frage nach sich selbst erhalt sich als Thema ihrer Literatur, ohne ins beckettische diirre Murmeln zu sturzen. Das "Ich" bei Bachmann ist, wie bei Beckett, nicht das selbststandige Dasein, sondem etwas, das durch den Ruf gesucht und gefunden wird. Der Ich-Erzahler fragt, "Wer bin ich?", doch bekommt er nicht immer eine Antwort. Trotzdem ist diese Tatigkeit selbst nur das Einzige, was ihm die Sicherheit des Ich gewahren kann. Bachmann und Beckett. Beide Autoren besitzen das Bewusstsein mit, dass das Ich des Erzahlers in die Krise gerat. Jener bewaltigt diese Krise durch die dialogische Dynamik zwischen dem Ich und seinem Doppelganger, dagegen zeigt dieser die Krise vor wie sie ist, als literarisch unfruchtbarer Monolog, ohne eine Losung vorzuweisen.

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