Beitraege zur oesterreichischen Literatur
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"Einen Jux will er sich machen" und das 'Ur-Nestroysche'
Kenji HARA
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1989 Volume 5 Pages 27-34

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Abstract

"Einen Jux will er sich machen" (1842), neben "Lumpazivagabundus" wohl Nestroys erfolgreichstes Stuck zu seinen Lebzeiten, wird heute manchmal im Vergleich mit seinen aggressiveren Stucken als ein nur noch heiteres Spiel angesehen, dem die fur Nestroy typische Hintergrundigkeit fehlt. Trotzdem wurde bei seiner Erstauffuhrung gerade das 'Ur-Nestroysche' dieser Posse von M. G. Saphir hervorgehoben und beanstandet. Zwar ist Saphirs moralisierende Kritik fur uns von keinem Belang, doch trifft sie insofern den Kern dieser Posse, als in der Tat in der scheinbar nur oberflachlichen Situationskomik oder gerade durch diese Komik das seine Stucke sein Leben lang beherrschende Moment klar zu Tage tritt. Weinbed, def Kommis einer Gemischtwarenhandlung, versucht nur einmal in seinem Leben "ein vefluchter Kerl" zu sein, und damit sich selbst aus dem sklavenhaften Dasein provisorisch zu befreien. Dieser Versuch ist aber von vorherein zum Scheitern verurteilt, wen sein eigentlich leeres Ich auch beim Jux substanzlos bleiben muss. Indem er seinem eigenen Edebnis, scinem eigenen Ich, nachjagt, muss er immer wieder in einer maskenhaften Existenz Zuflucht suchen. Bloss Ausserlichcs ist fur ihn bestimmend, und gezwungen durch die jeweilige Situation verwandelf sich dieses Aussere standig. Die Signifikanten beziehen sich hier auf keine bestimmten Signifikate, sondern sie wechseln beliebig immer mit anderen Signifikanten und gestalten fast automatisch das sinnlos komische Spiel. Dadurch entsteht eine tiefe Ironie gerade am Happy-End dieser Posse. Das Ende ist zugleich eine Bejahung der bestehenden sozialen Ordnung und durch diese Bejahung eine Blossstellung der sozialen Luge. Durch die Heiterkeit hindurch bleibt bei dieser Posse fur die Zuschauer ein Unbehagen, das Saphirs Kritik indirekt bezeugt. So ist diese scheinbar konservative Posse im Hintergrund revolutionar. Diese standige Verwandlung und die Blossstellung einer Leere hinter den jeweiligen Signifikanten lassen sich aber nicht nur in dieser Posse, sondern sowohl in Nestroys fruheren Zauberpossen wie in seine Possen im Nachmarz (z.B. in "Nur keck!" <1855>) deutlich beobachten. So gesehen, muss man den heute etwas vernachlassigten "Jux" doch als eine typisch Nestroysche Posse wurdigen.

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