Beitraege zur oesterreichischen Literatur
Online ISSN : 2189-7514
Print ISSN : 0912-3539
ISSN-L : 0912-3539
Uber Schnitzlers "Fraulein Else"
Tetsuo TACHIBANA
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1991 Volume 7 Pages 1-8

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Abstract

Im Konflikt zwischen dem ausseren Zwang und dem inneren Willen kann sie keine alternative Entscheidung treffen und denkt nach, wie sie tun soll, indem sie sich phantasierend oder traumend allerlei Moglichkeiten vorstellt. Dabei kommt es ihr sehr viel darauf an, wie sie ihre Eigenstandigkeit erhalten kann. So meint Else: "Ein Luder will ich sein, aber nicht eine Dirne." Vor der unakzeptablen grausamen Wirklichkeit wersucht sie in die literarische Phantasiewelt zu fliehen, die ausschliesslich Tod und Eros betrifft. Aber sie vertieft sich nicht fur ewig in Phantasien und Traume, sondern sie tritt wirklich in Aktion, um ihr Problem zu losen. Wie soll der Akt ihrer Selbstenthullung gedeutet werden? Dieser Akt resultiert vor allem aus dem Willen, dass sie ihr eigener Herr sein will. In dieser Hinsicht stimmt der Hinweis auf die Passivitat als ein bezeichnendes Charakteristikum Elses nicht immer. Sie sucht in der gegebenen Situation nach Moglichkeiten, aktiv zu sein. Dieser Akt ist auch ein Versuch der Vefreiung des Eros von der gesellschaftlichen Norm. Er bewirkt den Zusammenbruch der Identitat der 'jungen Dame aus guter Familie' und hat zugleich eine Moglichkeit, eine neue Identitat zu gewinnen. Aber sie kann nicht mehr unter Menschen gehen. So bleibt iht Wunsch nach einem neuen Leben unerfullt. Im praktischen Sinne ist dieser Akt vergeblich. Denn dadurch kann sie niemanden retten, obwohl ihr Akt etwas von einem Selbstopfer hat. Die Bedeutung ihres Akts liegt nur in ihrer subjektiven Welt, nicht im Verhaltnis zu den znderen Menschen. Else kann bei der Bemuhung um die Erhaltug ihrer Eigenstandigkeit das entsprechende Verhaltnis zur Aussenwelt nicht finden. Wie man in der zeitgenossischen Umwelt, in der die Bedeutung des Einzelmenschen verloren geht, seine Autonomie aufrechterhalt, das ist eines der zentralen Themen der Schnitzlerschen Literatur. In dieser Novelle herrscht der materialistische Reduktionismus, der das Wesen des Menschen auf Geld zuruckfuhren will, und die Heldin kann ihre Autonomie nur in der wirklichkeitsfernen subjektiven Welt durchsetzen. Hier zeigt die Krise eines Subjekts.

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