Abstract
Der Leser von Heinrich Bölls Werken fühlt sich aufgefordert, seine eigene Haltung der gegenwärtigen Wirklichkeit gegenüber klar zu machen. Sein Werk läßt ihn nachdenken, obwohl es im "ästhetischen“ Sinne nicht immer vollkommen ist. Dies bedeutet aber, daß die Absicht H. Bölls als sich bewußt engagierender Schriftsteller in gewissem Grad erreicht worden ist. In fast allen Werken von "Der Zug war pünktlich“ bis "Ansichten eines Clowns“ schildert er körperlich wie geistig verwundete Menschen im und nach dem Krieg. Dabei ist die moralische Grundlage seines Schaffens immer ein "primitiver“ Sinn, den man sozusagen als plebejisches Gerechtigkeitsgefühl bezeichnen könnte, und sein Held ein durchschnittlicher, gütiger, doch passiver, und zum realen Leben nicht fähiger Mensch, ein Opfer der unerklär-baren Macht, die meistens Krieg heißt. Das ist zwar Bölls großer Vorteil, denn seine Popularität ist eben darauf zurückzuführen; andererseits aber hat Böll, indem er auf der gefühlsmäßigen, nicht tief in der Weltanschauung verwurzelten moralischen Grundlage und dem obenerwähnten, recht einfachen Schema bestand, heute, 20 Jahre nach dem Ende des Krieges, wo gesellschaftliche Widersprüche und Probleme immer komplizierter sich zu verbergen scheinen, bereits an perspektiver und kritischer Kraft verloren. In engem Zusammenhang damit wird es ihm, wenn er noch einen Schritt weitergehen und sich als engagierter Schriftsteller entwickeln will, keine geringen Schwierigkeiten bereiten, daß er beim Kritisieren des Katholizismus nur in der politischen Dimension stehen bleibt und nie in die gedankliche, grundsätzliche eintritt, und weiter, daß seine Ansicht über den Kommunismus, diese höchst aktuelle Wirklichkeit in halb Deutschland, nicht eindeutig ist. Man müßte ihm also nicht eine gefühlsmäßige, emotionale, sondern eine noch strengere Problemstellung verlangen.