Abstract
Werner Kirchner hat Hölderlins Ode «Der Frieden» in 15 Strophen eingeteilt. Der Dichter begann diese große Ode im Herbst 1799. Gerade um diese Zeit schrieb er auch mehrere fragmentarische Aufsätze über die “Dichtarten”, worin er den «Wechsel der Töne» behandelt. Wenn Kirchners Rekonstruktion richtig ist, so können wir auch hier, in der genannten Ode den Tonwechsel finden. Der Versuch, die Ode auf diese Anregung hin unter·dem Gesichtspunkt des siebenstufigen Wechsels, d. h. der Zweitönigkeiten: Grundton-Kunstcharakter nach der Tabelle im Fragment «Wechsel der Töne» (St. A. 4, 239) zu untersuchen, hat folgendes ergeben:
Die 1. Stufe (Strophen 1-3): Hier sind helle a-Laute und offene e-Laute vorherrschend. Sie geben einen Naiven Ton (der Kunstcharakter wird nach der Tabelle Hölderlins groß geschrieben). Der große Anfang, der mit “Wie wenn die alten Wasser (N)...” beginnt, ist eine beschreibende Form, d. h. ein epischer, Naiver Ton. Der Kunstcharakter ist Naiv. Das Subjekt des Hauptsatzes, “die unerhörte Schlacht” ist heroisch. Die 2. Stufe (Strophe 4 und drei Zeilen der 5. Strophe): Heroischer Kunstcharakter: “unerbittlich”, “unbesiegt”, “bis ins letzte Glied hinab” (schrille i-Laute) usw. Den idealischen Grundton trägt “Nemesis”, denn diese Göttin wird im Entwurf der Ode “heilige” genannt und ihr Name erscheint dem Dichter als der Name des “geheimnisvollen Ursprungs” (St. A. 4, 214). Die 3. Stufe (von “es schliefen...” bis Ende der 6. Strophe): Aus “schliefen” hört man den naiv-Idealischen Doppelton. Naiv ist der “Schlaf”, der in “schliefen” (Idealische Konjunktivform) enthalten ist. “Üppigen Schlummer” und “müßigen Hirten” tragen auch den naiven Grundton. Die 4. Stufe (Strophen 7 and 8): Der Grundton ist idealisch: “der heiligen Musen”, “der Gestirne”, “ersehnter Friede”. Der Kunstcharakter ist Naiv: “freundlichen”, “stillen”, “ungeschriebnen”, “Liebe” usw. Hier tritt hervor, “was man im Sylbenmaße Cäsur heißt, das reine Wort, die gegenrhythmische Unterbrechung” (St. A. 5, 196). Die 5. Stufe (Strophe 9): Die drei Töne lassen sich hier nicht so deutlich unterscheiden. “Kinder” trägt den naiven Grundton. Heroischer Kunstcharakter: “es irrt der Zwist...nicht den Sinn” (schrille i-Laute). Auch idealischer Ton ist hörbar: “klar und freudig”. Die 6. Stufe (Strophen 10-12): Der Grundtonist heroisch: “die Sterblichen”. Der Idealische Kunstcharakter hier wird um so deutlicher bemerkbar, wenn man diese Strophen mit den drei ersten vergleicht, die auch einen heroischen Grundton tragen. Die Ausdrucksform ist mehr erklärend als schildernd, mehr phantastisch idealisch “dem Chaos gleich” als sinnlich wirklich. Die 7. Stufe (die drei letzten Strophen): Der Grundton ist idealisch: “Helios”, “des Aethers blühende Sterne” usw. Der Kunstcharakter ist Naiv: “ruhig”, “die sichre Bahn” usw. Hier erscheinen aber alle drei Töne harmonisch gemischt: “melodisch (n) wechselnd (her)”, “der Göttliche (id), Frohe (n)”, “des Aethers (id) blühende (n) Sterne”, “die Heilig (id) freien (her)” usw.
Wie oben betrachtet, können wir in der Ode «Der Frieden» deutlich den siebenstufigen Wechsel der Töne: her N-id Her-n Id//id N-n Her-her Id-id N finden. Bei den vier letzten Stufen erscheinen alle drei Töne