die Deutsche Literatur
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Konflikte und Entwicklung-Zum Sonderthema "DDR-Literatur“
HIROSHI YAGI
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1981 Volume 67 Pages 1-10

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Abstract
Sicher hat das Wort "DDR-Literatur“ einen prägnanten und programmatischen Sinn, weil die Literatur der DDR anders als die Literatur der westlichen Staaten zu einer Weiterführung der sozialistischen Kulturrevolution beitragen will. In der DDR ist die Literatur ein Teil der neuen sozialistischen Kultur, d.h. einer Kultur der Arbeiterklasse und aller werktätigen Schichten des Volkes, untrennbar verbunden mit der Ausprägung eines neuen Menschen (Nach: Hans Koch: Wesen und Weg der sozialistischen Kulturrevolution in der DDR. In: Einheit 4/5 1981). Wenn jemand, der die DDR-Literatur behandelt, diese Tatsache nicht ernst nimmt, wird sein Studienergebnis immer begrenzt bleiben. Aber wenn jemand im Gegensatz dazu stets nur die politische Seite der Literatur betont und das Ästhetische und Technische der Literatur, oder das Glück und die Natur, Liebe und Freiheit nicht auch in ihrer Autonomie zu verstehen versucht, wird sein Ergebnis parteiisch sein. Wenn sie den allgemeinen Bedürfnissen der Menschheit Genüge tun, sind die höchsten menschlichen Werte in ihrer Wurzel identisch, sei es im Sozialismus, sei es im Kapitalismus. Auch im Sozialismus scheinen diese Werte oft verschwunden, auch im Kapitalismus können sie bedeutsam sein, wenn man wach und ernst darin lebt. Die Beziehung der politischen und ästhetischen Seite der Literatur, die den einzelnen Forschern oft so widersprüchlich erscheint, spielt auch in der Geschichte der DDR-Literatur eine wichtige Rolle, eine Beziehung, die gerade in geschichtlichen Konflikten und Widersprüchen ein produktives Widerspiel von Gesellschaftlichem und Persönlichem, Wirtschaft und Kultur, Basis und Überbau sichtbar macht und die 30 Jahre DDR-Literatur in ihrer Entwicklung deutlich werden läßt.
Es ist erfreulich und beachtenswert, daß sich im Gang der Kulturrevolution in der DDR bei alien deutlichen Widersprüchen und trotz stark differenzierter Aufgaben Gliederung und Kontinuität zeigt. Das kann man im Vergleich zu China und selbst zur Sowjetunion behaupten. Einschnitt und Kontinuität zeigen sich auch in der Entwicklung des Realismus in der DDR-Literatur. Es ist auffällig, daß die freien technischen Mittel wie Phantastisches, Abstraktes oder Absurdes in den 60er und 70er Jahren zunehmend Verwendung finden. Hierin kann man der Feststellung der Germanistenkommissionen DDR-UdSSR und DDR-Bulgarien zustimmen: Eine Zunahme von Werken, in denen die Wirklichkeit durch das Prisma des Unwahrscheinlichen gespiegelt wird, ist der Ausdruck einer tiefgreifenden Entwicklung. Von den 40er Jahren bis zum Anfang der 60er Jahre hatte die DDR-Literatur einen monothematischen Inhalt, mit dem Aufbau des Sozialismus als ihrem Hauptanliegen; Charakterisierung und Beschreibung waren altrealistisch, indem man Gebrauch von der Widerspiegelungstheorie in ihrer klassischen Formulierung machte. Neuerdings macht sich ein Streben nach vielfältigerem Erfassen und neuen inneren und äußeren Perspektiven bemerkbar. Bloße Engagement-Literatur und "Milieu-Realismus“ wollen überwunden werden. Entsprechend heftig waren in diesen 30 Jahren die Konflikte zwischen den neuen und den alten Kunstformen.
Verschieden nach den Literaturgattungen wird die Entwicklung der DDR-Literatur in drei Abschnitte geteilt: 1949-1960, 1961-1971, 1972-1981. Dabei wird sie immer im Zusammenhang mit bestimmten Konflikten betrachtet: Große Ereignisse wie der Aufstand in Ungarn, der 17. Juni, der Mauerbau in Berlin, der Einmarsch in die Tschechoslowakei, und Diskussionen wie die über Formalismus, Dekadenz, Lukács, Lehrtheater, Kafka, Biermann etc. werden nacheinander analysiert und man stellt dabei fest, wie langsam und experimentell sich der Aufbau der Gesellschaft und die individuelle Freiheit entwickelten.
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© Japanische Gesellschaft fur Germanistik
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