抄録
Seit dem ersten Versuch von J. Baechtold, eine Geschichte der deutschsprachigen Literatur in der Schweiz zu schreiben, sind neunzig Jahre verflossen. Baechtold "erzählte“ aber nur die Geschichte bis zum Tode Bodmers. Warum?
Wenn die Begebenheiten "in der Geschichte lehrreich“ sein sollten, um die Worte von G.G. Gervinus zu gebrauchen, müßten sie "zu irgend einem Ziele, zu einem Ruhepunkte geführt haben.“ Ein solches Ziel war für Baechtold Bodmers Tod. Er verzichtete darauf, sein Jahrhundert zu erzählen.
Seine Literaturgeschichte interessiert uns deswegen, weil sich in ihr eine schweizerische Denkweise der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts spiegelt. Das Nationalbewußtsein des damaligen Schweizers scheint sich von dem des heutigen Schweizers zu unterscheiden. Denn man findet in seinem Buch öfters Ausdrücke, wie "Mutternation“, "Mutterland“, "Stammreich“ u.s.w.
Andererseits wurde eine wichtige Mission der Schweiz schon von Baechtold deutlich erwähnt, nämlich die“ einer natürlichen Vermittlerin französischer und später englischer Einflüsse“, wie es dann Fritz Ernst noch eingehender erforscht hat.
Die Schweiz hat eine lange Tradition der Demokratie, daher könnte man mit E. Ermatinger sagen, die Schweizer Literatur sei die Literatur einer politischen Nation, in der Schweiz sollte selbst ein Dichter nichts anderes als ein Bürger sein. Näher betrachtet aber ist das Wesen der Schweizer Literatur nicht so einfach, man vergleiche z.B. den Band "Bürgerlichkeit und Unbürgerlichkeit in der Literatur in der Deutschen Schweiz“.(hrsg. v. W. Kohlschmidt 1978 Bern u. München).