die Deutsche Literatur
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Neue Tendenzen in der Erforschung der Literatur der Jahrhundertwende
SHUICHI INOUE
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1988 Volume 81 Pages 1-10

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Abstract
Um die Jahrhundertwende treten in Österreich viele junge ästhetizistische Literaten auf, deren Werke in der Literaturgeschichte als Impressionismus bezeichnet sind. So sind auch bei der Erforschung dieser ästhetizistischen Literatur meistens nur traditionell-ästhetische Komponenten berücksichtigt und deren sozialgeschichtliche Kontexte außer acht gelassen. Auch bei der Rezeption der impressionistischen österreichischen Literatur in Japan ist auf ihre sozialgeschichtliche Kontexte nur selten der Schwerpunkt gelegt worden, und diese Tendenz ist bis vor kurzem unverändert geblieben.
Aber nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist diese traditionell-ästhetische Tendenz zuerst im deutschsprachigen Raum und dann auch bei uns nach und nach zurückgetreten und das sozialgerichtete Interesse erwacht. Als Vorläufer dieser Tendenz gelten vor allem die deutschen Forschungen, die in den 60er und 70er Jahren die ästhetische Literatur der Jahrhundertwende mit außerliterarischen Künsten, z.B. mit dem Jugendstil der bildenden Kunst vergleichen und dadurch den literarischen Impressionismus in den Bereich der Gesamtkunst der Jahrhundertwende einzuordnen versuchen.
Zu dieser Tendenz gehören auch die Forschungen, die sich bemühen, das literarische Milieu des Impressionismus im Zusammenhang mit den anderen literarischen Zeiterscheinungen, also mit den Literaturcafés, den Literatursalons, den Literaturkabaretts oder den Feuilletons zu untersuchen.
Aber darunter sind die sinnvollsten Forschungen die historischen, die den sozialgeschichtlichen Hintergrund des Impressionismus untersuchen. Die Vertreter dieser Forschungen sind meistens Amerikaner, vielleicht die Kinder der Exilgeneration. Als glänzendstes Beispiel dafür muß man "FIN-DE-SIÈCLE VIENNA. Politics and culture“ von Carl E. Shorske anführen. Er behauptet ungefähr, daß es der österreichischen Bourgeoisie nicht gelungen ist, im Jahr 1848 der Aristokratie die politische Macht zu entreißen. Seitdem fühlt sich die Bourgeoisie politisch der Monarchie, der Aristokratie und der Bürokratie untergeordnet und flüchtet vor ihrer miserablen Wirklichkeit in die Kunst. Sie versucht sozusagen, wenigstens kulturell mit der Aristokratie Schritt zu halten. Aus dieser Mentalitäat entsteht ihre schöngeistige Neigung. Diese Neigung wird noch verstärkt, als um die Jahrhundertwende die Arbeiterklasse auftaucht. Auch gegenüber dieser zeigt die Bourgeoisie keinen Willen, um die politische Macht zu rivalisieren, sondern vertieft sich noch mehr in die Ästhetik. Das sind die sozialen Ent-stehungsbedingungen des Impressionismus.
Aber die jüngere Generation der Bourgeoisie hat schon wieder Selbstbewußtsein genug, aus ihrem ästhetischen Tempel in die Wirklichkeit zurückzukehren. Daher verneinen die Helden gerade in den impressionistischen Werken des Fin de siècle ihr eigenes ästhetisches Leben, wie in den Werken des jungen Hofmannsthal, obwohl die Werke selbst, vom Stil her, unverkennbar ästhetizistisch sind.
Die Forschungen, die den Impressionismus vom Gesichtspunkt des Judentums her untersuchen, konnten auch sehr fruchtbar sein, aber ihre Ergebnisse sind bis jetzt noch nicht zufriedenstellend. Die meisten Forscher analysieren nur, was der Schriftsteller in seinen Werken, Briefen und Tagebüchern schreibt. Aber bei diesem heiklen Thema Impressionismus und Judentum muß man auch sorgfältig berücksichtigen, was der Schriftsteller verschweigt oder absichtlich verdeckt. Willy Haas versucht z.B. in seinem Aufsatz "Hugo von Hofmannsthal“ zu enthüllen, was Hofmannsthal verbirgt.
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