die Deutsche Literatur
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Volume 81
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  • SHUICHI INOUE
    1988 Volume 81 Pages 1-10
    Published: October 01, 1988
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
    JOURNAL FREE ACCESS
    Um die Jahrhundertwende treten in Österreich viele junge ästhetizistische Literaten auf, deren Werke in der Literaturgeschichte als Impressionismus bezeichnet sind. So sind auch bei der Erforschung dieser ästhetizistischen Literatur meistens nur traditionell-ästhetische Komponenten berücksichtigt und deren sozialgeschichtliche Kontexte außer acht gelassen. Auch bei der Rezeption der impressionistischen österreichischen Literatur in Japan ist auf ihre sozialgeschichtliche Kontexte nur selten der Schwerpunkt gelegt worden, und diese Tendenz ist bis vor kurzem unverändert geblieben.
    Aber nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist diese traditionell-ästhetische Tendenz zuerst im deutschsprachigen Raum und dann auch bei uns nach und nach zurückgetreten und das sozialgerichtete Interesse erwacht. Als Vorläufer dieser Tendenz gelten vor allem die deutschen Forschungen, die in den 60er und 70er Jahren die ästhetische Literatur der Jahrhundertwende mit außerliterarischen Künsten, z.B. mit dem Jugendstil der bildenden Kunst vergleichen und dadurch den literarischen Impressionismus in den Bereich der Gesamtkunst der Jahrhundertwende einzuordnen versuchen.
    Zu dieser Tendenz gehören auch die Forschungen, die sich bemühen, das literarische Milieu des Impressionismus im Zusammenhang mit den anderen literarischen Zeiterscheinungen, also mit den Literaturcafés, den Literatursalons, den Literaturkabaretts oder den Feuilletons zu untersuchen.
    Aber darunter sind die sinnvollsten Forschungen die historischen, die den sozialgeschichtlichen Hintergrund des Impressionismus untersuchen. Die Vertreter dieser Forschungen sind meistens Amerikaner, vielleicht die Kinder der Exilgeneration. Als glänzendstes Beispiel dafür muß man "FIN-DE-SIÈCLE VIENNA. Politics and culture“ von Carl E. Shorske anführen. Er behauptet ungefähr, daß es der österreichischen Bourgeoisie nicht gelungen ist, im Jahr 1848 der Aristokratie die politische Macht zu entreißen. Seitdem fühlt sich die Bourgeoisie politisch der Monarchie, der Aristokratie und der Bürokratie untergeordnet und flüchtet vor ihrer miserablen Wirklichkeit in die Kunst. Sie versucht sozusagen, wenigstens kulturell mit der Aristokratie Schritt zu halten. Aus dieser Mentalitäat entsteht ihre schöngeistige Neigung. Diese Neigung wird noch verstärkt, als um die Jahrhundertwende die Arbeiterklasse auftaucht. Auch gegenüber dieser zeigt die Bourgeoisie keinen Willen, um die politische Macht zu rivalisieren, sondern vertieft sich noch mehr in die Ästhetik. Das sind die sozialen Ent-stehungsbedingungen des Impressionismus.
    Aber die jüngere Generation der Bourgeoisie hat schon wieder Selbstbewußtsein genug, aus ihrem ästhetischen Tempel in die Wirklichkeit zurückzukehren. Daher verneinen die Helden gerade in den impressionistischen Werken des Fin de siècle ihr eigenes ästhetisches Leben, wie in den Werken des jungen Hofmannsthal, obwohl die Werke selbst, vom Stil her, unverkennbar ästhetizistisch sind.
    Die Forschungen, die den Impressionismus vom Gesichtspunkt des Judentums her untersuchen, konnten auch sehr fruchtbar sein, aber ihre Ergebnisse sind bis jetzt noch nicht zufriedenstellend. Die meisten Forscher analysieren nur, was der Schriftsteller in seinen Werken, Briefen und Tagebüchern schreibt. Aber bei diesem heiklen Thema Impressionismus und Judentum muß man auch sorgfältig berücksichtigen, was der Schriftsteller verschweigt oder absichtlich verdeckt. Willy Haas versucht z.B. in seinem Aufsatz "Hugo von Hofmannsthal“ zu enthüllen, was Hofmannsthal verbirgt.
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  • TAKAO SUZUKI
    1988 Volume 81 Pages 11-20
    Published: October 01, 1988
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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    Nach dem Zusammenbruch der Monarchie mußte Österreich eine schwere komplizierte Zeit erleiden: Entstehung der nur als provisorisch angesehenen Republik (1918/19), wirtschaftliche Krise (1924/25), Justizpalast-brand (15.7.1927), das Dollfuß-Schuschnigg-System als ein Zwischenspiel (1934-38) und dann den Anschluß (1938). Diese Vergangenheit stellt heute noch jedem Österreicher eine schwer lösbare Gewissensfrage. In der Tat ist immer wieder von der "Vergangenheitsbewältigung“ die Rede. Es scheint so, als ob erst die vom Unterdrückungsmechanismus nicht mehr beeinflußte Nachkriegsgeneration die heikle ethische Problematik der Vätergeneration verfolgen und die Untersuchung der dunklen Zone in der österreichischen Literaturgeschichte in Angriff nehmen könnte.
    Beim Rückblick auf die literarische Situation nach 1945 sind einige besondere Umstände zu bemerken, die es verzögerten, daß man sich selbstkritisch mit der litrarischen Entwicklung von 1918 über 1933/34 und 1938 bis 1945 auseinandersetzte und sich ihrer Kontinuität vergewisserte. Bald nach dem Krieg tritt eine politisch-gesellschaftliche Harmonisierung auf, und diese Tendenz herrschte auch noch in den 50er Jahren. Dement-sprechend bemühte man sich auch auf dem literarischen Gebiet, durchs Anknüpfen an die 1938 unterbrochene große österreichische Tradition das literarische Leben wieder aufzubauen, indem man den aus dem Exil zurückgekehrten Schriftstellern Weigel oder Torberg einen Ehrenplatz als Erben des "altösterreichischen“ Geistes anbot und auch solche Schriftsteller, die in der Kriegszeit zum Schweigen gezwungen wurden oder "freiwillig“ aufs Schreiben verzichteten, als Vertreter der österreichischen Literatur zurückrief, z.B. Gütersloh oder Doderer. Es ging so weit, daß sogar die sich mehr oder weniger dem NS-System angepaßten nationalen Schriftsteller (Nabl, Max Mell, Waggerl oder Gertrud Fussenegger) in die österreichische Literatur wiedereingegliedert wurden, ohne daß sie für ihre Teilnahme an der politischen Entwicklung vor 1945 zur Verantwortung gezogen wurden.
    Diese merkwürdige literarische Neben- und Miteinander-Situation übte im Zusammenwirken mit der damaligen politischen Koalition einen großen Einfluß auf das Selbstverständnis der österreichischen Literaten, aus. Sie schuf aber darüber hinaus eine Richtung zur literaturwissenschaftlichen Forschung. Es wurden also leidenschaftlich wissenschaftliche Apologien des Österreichischen betrieben, damit sich daran das Nationalbewußtsein wieder beleben sollte; aber andererseits hemmte man den Versuch, in der Zeit zwischen 1918 bis 1945 eine literarische Kontinuität zu entdecken. Es herrschte damals die Ansicht, die österreichische literarische Tradition sei zunächst 1933/34, aber dann endgültig im Jahre 1938 abgebrochen worden und die Zeitspanne zwischen 1938 und 1945 müsse als ein reines Vakuum angesehen werden. Der Wiederaufbau der österreichischen Literatur beginne erst mit dem Wieder-"Anschluß“ an die bis vor 1938 herrschende Tradition. So wurde auch aus der literarischen Epoche der Zwischenkriegszeit immer gerne das Element der glänzenden Wiener Jahrhundertwende herausgearbeitet. Insoweit blieben sowohl Literaten als auch Forscher "Gefangene des habsburgischen Mythos“.
    Es ist Gerhard Fritsch, der nüchtern in der Restauration der 50er Jahre die Gefahr der Vertuschung der eigenen dunklen Vergangenheit und Mythologisierung der "guten alten Zeit“ sah. Seit den 60er Jahren findet man in der Literatur immer mehr kritische Beispiele wie Fritsch. Nur einige Werke aus den letzten Jahren seien angeführt, Peter Henisch: Die kleine Figur meines Vaters (1975),
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  • MICHIO TAJIRI
    1988 Volume 81 Pages 21-34
    Published: October 01, 1988
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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    Schon zu seinen Lebzeiten galt Arthur Schnitzler als Repräsentant der österreichischen Literatur um die Jahrhundertwende. E. Friedell z.B. sah im Jahr 1922, also in Schnitzlers 60. Lebensjahr, dessen größtes Verdienst darin, daß dieser "eine Art Topographie der Wiener Seelenverfassung um 1900 geschaffen“ habe, "an der man sich später einmal zuverlässiger, reicher und genauer orientieren wird als an den dickleibigsten Kulturhistorien“. Als der "Analytiker der Wiener großbürgerlichen Welt“ schlechthin verlor er, wie S. Zweig sagt, mit dem Ende des Weltkrieges sozusagen seine Welt.
    Während dieses Krieges, dem er wie K. Kraus nüchtern und kritisch gegenüberstand, notierte er für sich wichtige Betrachtungen über diesen und die Welt. In einer solchen Betrachtung nennt er drei "alte gute Worte“, die von den Journalisten und Feuilletonisten "im Lauf der letzten Jahre … zu Worten niedrigen Ranges degradiert worden sind“: Liberalismus, Skepsis und Psychologie. Diese drei Worte will er auf ihre "ursprüngliche Bedeutung“ zuruckgeführt verstanden wissen:“ Daß Liberalismus nichts anderes bedeutet, wenigstens zu Beginn der so bezeichneten politischen Bewegung nichts anderes bedeutet hat, als das Bestreben, die Menschen in jeder Beziehung zu befreien (gegen Übergriffe der Mächtigen zu schützen, jeden nach seiner Façon selig werden zu lassen etc.), daß Skepsis nichts anderes bedeutet, als den Vorsatz nichts auf Treu und Glauben hinzunehmen, sondern zu prüfen, ehe man entscheidet, daß Psychologie einfach die Lehre von der Seele ist, das wird übersehen, vergessen…“ Man sollte diese drei Worte als die wesentlichen Begriffe verstehen, die die geistige Grundhaltung und die literarische Methode des Dichters Schnitzler konstituieren. Dieses Krisenbewußtsein war zugleich eng mit der Arbeit an seiner Autobiographie verbunden: Schnitzler stellte damals seinen Prozeß des "Werdens, was er werden sollte“ distanziert und kritisch dar. In dieser unvollendeten Autobiographie "Jugend in Wien“, die gerade dort endet, wo er als Dichter öffentlich auftritt, findet man die Atomosphäre und Bedingungen des Wiener "Fin de sciécle“, mit dessen Problemen er sich literarisch intensiv beschäftigte, schon vorgebildet.
    Schnitzler, den man oft getadelt aber auch gelobt hat, er singe immer nur sein "Lied von Liebe und Tod und Spiel“, war in Wirklichkeit ein problematischer und seltener Fall, der von Anfang an heftig mit der damaligen Gesellschaft in Streit geraten war: er kritisierte die oberflächlichen herrschenden Prinzipien der Habsburger Monarchie-Militarismus (Duell), Doppelmoral, Antisemitismus u.s.w.-, und zwar hauptsächlich diagnostisch. Was z.B. den Antisemitismus betrifft, war er, wie seine Autobiographie zeigt, Zeuge, wie dieser seit den achtziger Jahren an Bedeutung gewann. Un- oder antipolitisch, wie er war, nahm er aber nicht Partei zwischen den beiden Alternativen Antisemitismus und Zionismus; wobei hier der auf dem Selbsthaß der Juden und ihrem starken Assimilationsstreben beruhende Antisemitismus gemeint ist.
    Der "diagnostische Nihilismus“ der Wiener medizinischen Schule spiegelt sich so auch in Schnitzlers Grundhaltung. Er diagnostiziert nämlich die Menschen und die Krankheit ihrer Gesellschaft, doch weiß er keine Therapie. Er kennt keine Antwort auf die Fragen, die die Zeit ihm stellt. Diese ausweglose Situation, der seine Helden und Heldinnen, die ästhetischen jungen Männer aus der bürgerlichen Oberschicht oder niederen Aristokratie und die bürgerlichen Mädchen und Frauen, ausgesetzt sind,
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  • Von den neunziger Jahren zum neuen Jahrhundert
    MINAKO HATANAKA
    1988 Volume 81 Pages 35-45
    Published: October 01, 1988
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
    JOURNAL FREE ACCESS
    Im letzten Jahrzehnt wurden neue Arbeitsergebnisse zu der politischen Einsetllung Hofmannsthals veröffentlicht. Eines davon verfolgt seine politische Tätigkeit 1914-1917 und stellt sehr genau dar, daß er aktiv mit patriotischem Bewußtsein zu wirken versuchte. Ein anderes beleuchtet das Interesse in seinen letzten Lebensjahren für den Sozialismus, das durch die Bekanntschaft mit G. Landauer erregt wurde und vermutlich zum Hintergrund der Arbeit am "Turm“ gehört. Dieses immer deutlicher werdende Gesamtbild des Dichters ins Auge fassend untersuche ich hier, wie tief die Zeitstimmung der neunziger Jahre seine Jugendwerke prägte, und wieweit deren Züge in seinem weiteren Schaffen positiv angewandt sind. Dabei will ich mich insbesondere auf die Aspekte Blick und Augenblick konzentrieren.
    Damals gab es in Österreich, besonders in Wien, eine Situation, in der der Antisemitismus und eine Bewegung gegen den Liberalismus vorherrschten. Das gesamte gehobene Bürgertum, das den Liberalismus bis dahin zum großen Teil unterstützt hatte, und dem auch die Familie Hofmannsthal angehörte, gab-nach C. E. Schorske-die Politik auf und wandte sich dem Genuß und Schaffen der Kultur zu. Aus mehreren Dokumenten erkennt man die Politikferne des Jungen Wiens. Hofmannsthal bezeichnet in seinem ersten D'Annunzio-Aufsatz (1893) "die Analyse des Lebens und die Flucht aus dem Leben“ als modern und setzt den Schönheitstrieb mit dem Trieb nach Vergessen gleich. Damit wird seine bewußt von der Wirklichkeit abgewandte Haltung deutlich. Das Interesse für die Psychologie und psychologische Analyse charakterisiert die Intellektuellen im Fin-de-siècle-Europa, auch die Jung-Wiener. Im "Märchen der 672. Nacht“ Hofmannsthals wird die unterbewußte Welt in dichterischer Ausformung geschildert. Auffällig ist der Blick der Diener auf den Kaufmannssohn. Und der Blick des kleinen Mädchens im Glashaus, der mitten im traumhaften Wandern den Helden trifft und erschreckt, wird als seine psychische Zensur interpretiert. In den Themenkreis des Doppelgängermotivs gestellt, das bei Hofmannsthal oft in der Kindergestalt erscheint, kann man wohl diese Interpretation cinsehen. So eine sozusagen tiefenpsychologische Beschrei-bung geschieht aber zeitlich parallel oder vielmehr vorwegnehmend zur Formung der neuen Theorie Sigmund Freuds. Die Konstellation erklärt Hofmannsthal später selbst (im 2. Wiener Brief, 1922), nämlich die Parallelität der Arbeit der Wissenschaftler und der der Dichter. Freud legte der Bildung seiner Theorie die Analyse der eigenen Träume zugrunde. Das Leben Freuds war auch von der Isoliertheit in der Wiener Gesellschaft, der Politikferne und dem Subjektivismus geprägt. Seine Leistungen sind als ein Produkt zu verstehen, das aus dem gleichen Sozialboden wie die Werke der Jung-Wiener erwuchs.
    Derselbe Zusammenhang besteht auch zwischen der zeitgenössischen Philosophie und der Literatur. Hofmannsthal trägt ziemlich früh (1891) ins Tagebuch ein: "Wir haben kein Bewußtsein über den Augenblick hinaus, weil jede unsrer Seelen nur einen Augenblick lebt.“ Diese bewußte Auffassung des Augenblicks wiederum ist zur Lehre Ernst Machs ("Analyse der Empfindungen“) analog. Der junge Hofmannsthal versieht die Grundzüge der französischen Fin-de-siècle-Literatur mit dem Begriff der Zersetzung (im Tagebuch, Anfang 1894). Der Lebensinhalt, den das Bewußtsein der Zersetzung oder der "Atomisierung“ ausmacht, hat seine Wurzel zweifellos in den sozialen Bedingungen des damaligen Wiens. "Augenblicke um 1900“ sind dem literarischen, philosophischen und psychoanalytischen Gebiet gemeinsam.
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  • Zwischen Klages und Mach
    ISAMU OKAWA
    1988 Volume 81 Pages 46-55
    Published: October 01, 1988
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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    Mit zunehmendem Interesse für das Wien des Fin de siècle häuft es sich, daß man Musil zu den Vertretern der Wiener "Moderne“ neben den Dichtern von "Jung-Wien“ u.a. zählt. Es gibt aber viele Unterschiede zwischen ihm und "Jung-Wien“ in Hinsicht auf die soziale und kulturelle Lage. Wenn man "Jung-Wien“ für typisch österreichisch hält, ist dann Musil ein "österreichischer“ Dichter? Auf diese Frage antwortet H. Broch: Ja, wegen seiner "Verwachsenheit mit dem österreichischen Ursprung, die sich auch im Thematischen und in der Gestaltenwahl ausdrückt.“ Musils Roman "Der Mann ohne Eigenschaften“ stellt zwar die Wiener Gesellschaft der Jahrhundertwende dar, aber sein Thema ist nicht speziell österreichisch, sondern hat teil an der im deutschsprachigen Kulturkreis gemeinsamen Gedankentendenz des frühen 20. Jahrhunderts: dem Aufkommen des Irrationalismus. Im ersten Buch des Romans kritisiert Ulrich alle Irrationalisten, die sich zur Opposition gegen Zivilisation, Verstand und Fortschritt bekennen. Man kann also sagen, daß Musils scharfe ideologiekritische Stellung entscheidend anders ist als die der ästhetizistischen, unpolitischen Impressionisten in Wien.
    Im zweiten Buch des Romans wird aber Ulrich selbst zum Mystiker. Der Roman gewinnt damit auch den "gegenrevolutionären“ Charakter, der dem Anruf des Nationalsozialismus entspricht. Um dessen Ursache festzustellen, müssen wir auf den Entstehungspunkt des "anderen Zustands“, -so heißt das Thema des zweiten Buchs-zurückgehen. Die Konzeption des "anderen Zustands“ wurde zum erstenmal im Essay "Ansätze zu neuer Ästhetik“ (1925) ausgesprochen, der von zwei sich gegenüberstehenden Geisteszuständen handelt: Normalzustand und "anderer Zustand“. Während der Normalzustand als rationale Beziehungsart zur Welt zu bezeichnen ist, kommt der "andere Zustand“ als die mystische ästhetische Utopie nach der Sprengung des Normalzustands zum Vorschein. Nach Musils Meinung hat die Kunst "die Aufgabe unaufhörlicher Umformung und Erneuerung des Bildes der Welt…, indem sie durch ihre Erlebnisse die Formel der Erfahrung sprengt.“ In dieser Theorie können wir doch den Einfluß von L. Klages' Buch "Vom kosmogonischen Eros“ (1922) an den Stellen erkennen, wo Musil die Einmaligkeit und Augenblicklichkeit des anarchischen ästhetischen Erlebnisses betont. Klages' Buch über "Eros“ schildert fast dieselbe Beziehung wie die zwischen dem Normalzustand und dem "anderen Zustand“. wenn es die Auferstehung der "Welt der Bilder“ nach dem Untergang der "Welt der Tatsachen“ in der Ekstase des "kosmogonischen Eros“ verkündet.
    Im "Mann ohne Eigenschaften“ wird die Möglichkeit versucht, die ästhetische Utopie des "anderen Zustands“ auf das Leben zu übertragen. Dieser Versuch wird aber zuletzt von Musil selbst aufgegeben. Das bedeutet für ihn, daß er die von Klages beeinflußt konstruierte Utopie-Illusion endgültig zerstört hat. Aber warum war das möglich? Wir werden hier an den österreichischen Philosophen der Naturwissenschaft E. Mach erinnert, über dessen Werk der junge Musil eine Dissertation geschrieben hatte. Obwohl diese Dissertation die logischen Widersprüche in Machs Lehre bis ins einzelne aufdeckt, richtet sich Musils Kritik nicht gegen deren grundlegende antimetaphysische Tendenz, da er mit Mach den Geist des Positivismus teilt. Im Wien der Jahrhundertwende finden wir viele andere Intellektuelle,
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  • österreichischen Menschen“">Das Schicksal des "österreichischen Menschen“
    KENJI SUGIURA
    1988 Volume 81 Pages 56-65
    Published: October 01, 1988
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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    Im vorliegenden Aufsatz soll gezeigt werden, wie der Begriff des "österreichischen Menschen“, der in der "Rede über Österreich“ (1929) von Anton Wildgans definiert wird, in der Zwischenkriegszeit eine höchst politische Rolle gespielt hat.
    Unter dem "österreichischen Menschen“ ist nicht ein Österreicher im allgemeinen zu verstehen, sondern ein Menschentypus, der sich besonders in der Hauptstadt des Vielvölkerstaates aus dem vielhundertjährigen kulturellen und politischen Zusammenleben der Völker herausgebildet hatte. Nach dem Historiker Alphons Lhotsky war dieser Begriff wahrscheinlich "ein Produkt der Rückschau, geprägt von der Generation, die nach dem Ersten Weltkrieg das Wrack des alten Staates langsam am Horizont entschwinden sah und sich jetzt erst daran erinnerte, wie einem darauf zumute war, als es noch eine europäische Großmacht darstellte“. Der Begriff selbst stammt zwar nicht von Anton Wildgans, aber er ist in der Periode nach dem Untergang der Monarchie von verschiedenen Polemikern mehrfach benutzt worden. Zuerst meint Wildgans, daß der "österreichische Mensch“ besonders in der Kulturstadt Wien im persönlichen Umgang mit den Mitbürgern anderer Nationalitäten die "Psychologie“, das heißt das Einfühlungsvermögen, kennengelernt hat. Damit ist er zum "Völkerkenner, Menschenkenner, Seelenkenner“ geworden.
    Als zweites Signum des "österreichschen Menschen“ weist Wildgans auf das Dienen an einer Idee, das heißt an der Idee Österreichs hin. Nach Wildgans war Österreich "der verdinglichte Herrschaftsgedanke seiner Dynastic und im übrigen ein Konglomerat von vielen verschiedenen Heimaten, aus dem sich der Begriff des gemeinsamen Vaterlandes nur durch einen komplizierten staatsrechtlichen Denkprozeß ergab.“ So bedeutet das Dienen an der Idee Österreichs zugleich auch das Bemühen, einem aus den Ideen des Heiligen Reiches stammenden, universalistischen, römisch-katholischen und übernationalen Gesamtstaat zu dienen. Die dritte Eigenschaft des "österreichischen Menschen“ ist das Duldertum, das gerade in der größten Notzeit seine Ausdauer erwiesen hat. Am Ende seiner Rede sagt er mit Stolz, daß "eine härtere Probe auf die Seele und Kultur eines Volkes noch niemals gefordert“ wurde: "der sie bestanden, das ist, von allen Geißeln gestriemt, von allen Dornen verwundet und an alle Pfähle geschlagen, der österreichische Mensch!“ Das spricht Wildgans etwas pathetisch aus, als ob der Mensch dieser Art ein Märtyrer der Geschichte gewesen wäre.
    Dabei wird der "österreichische Mensch“ dem germanischen oder nordischen Menschen gegenübergestellt. Diese Haltung zieht sich schließlich durch die ganze Geschichte der österreichischen Literatur. Zwar erkennt Wildgans die Gemeinsamkeiten der Sprache und der ursprünglichen Abstammung der Österreicher und der Deutschen an, er betont aber zugleich, daß jene "konzilianter, weltmännischer und europäischer“ als diese sind. Die Verschiedenheiten leitet er hauptsächlich aus der geographischen Lage Österreichs ab und sieht dessen besondere historische Aufgabe darin, Hüter der Völker im Mitteleuropa gegen den Osten gewesen zu sein. In seiner Lobrede über Österreich, das in den Karpatenkämpfen des 1. Weltkrieges zum letzten Mal für Europa seine Pflicht getan habe, kommt die sogenannte Mitteleuropa-Idee am deutlichsten zum Ausdruck.
    Im Dezember 1933,
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  • KOJI UEDA
    1988 Volume 81 Pages 66-75
    Published: October 01, 1988
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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    Horváth als "Kritiker seiner Zeit“ zählt mit seinen erfolgreichen Schlüsselbegriffen wie "Demaskierung des Bewußtseins“ oder "Bildungsjargon“ bereits zu den modernen Klassikern. Horváth selbst verstand sich in erster Linie als "dramatischer Chronist“ seiner Zeit, dessen Aufgabe darin besteht, "die Welt, wie sie leider halt so ist“, darzustellen, indem "historisch-soziologische Skizzen“ literarisch verarbeitet werden. Seine Auffassung der "Welt“, die in dem Zusammenhang gleichzusetzen ist mit der historisch bedingten, soziologisch zu analysierenden, konkreten "Gesellschaft“, wird in diesem Aufsatz in drei Problemkreisen behandelt: 1) Welche konkrete Gesellschaft, welche Gesellschaftsschicht-historisch und auch politisch-geographisch-zur Kritik gestellt wird, und wie die Festlegung der Gegenstände für die Kritik erfolgt, einschließlich des Legitimationsproblems, inwieweit Horváth als österreichischer Autor zu behandeln ist; 2) von welcher Perspektive her Horvath sie erfaßt, und welche soziale Kategorie in Betracht gezogen wird; 3) wie sie literarisch (dramatisch) verarbeitet wird.
    Horváths Herkunft deutet klar auf seine Zugehörigkeit zur alten Monarchie hin, der er aber für seine literatische Tätigkeit keine Bedeutung zumißt. Signifikanter hingegen ist seine eigene Aussage, er sei stolz auf seine Heimatlosigkeit, er bekenne sich zum deutschen "Kulturkreis“, was im historisch-sozialen Kontext der 20er Jahre durchaus als eine herausfordernde Position anzusehen ist. In diesem Sinne zielt er darauf ab, daß seine "Sozialkritik“ auf in diesem Kulturkreis gemeinsame, kulturell-soziologische Voraussetzungen bezogen wird. In "Flucht vor der Stille“ spricht Horváth vom vor allem in Großstädten vorherrschenden "sozialen Bewußtsein“, das das heutige Kleinbürgertum kennzeichne. Diese stark auf die Bewußtseinslage bezogene Sozialkategorie "Kleinbürger“ stellt neben weiteren zwei Kategorien "Spießer“ und "Mittelstand“, mit Meinrad Pichler gesprochen, das Bindeglied zwischen seinem Gesellschaftsbild und seinem Schaffen dar. Die Dominanz der Menschen dieser Kategorien-nach Horváth "90 Prozent aller Europäer“ -kennzeichnet diesen "Kulturkreis“. Sie seien durch eine gemeinsame Ideologie verbunden: anfällig für emotions-beladene, nicht realitätsgemäße, in Phrasen dargebotene und eben deshalb leicht akzeptable Schlagworte, weil sie ständig von der Gefahr bedroht seien, ins Proletariat zurückzusinken. Nicht nur von rechts wiederholt verbreitete Propaganda, sondern vielmehr im Alltagsleben ständig eindringendes, von der Bewußtseins- und Kulturindustrie manipuliertes Denken führt zu einem "falschen“, ausgeliehenen, von außen her inhaltsbestimmten Bewußtsein, das letzten Endes den Nährboden für Faschismus vorbereitete.
    Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß in seinem Werk Szenen aus dem Unterhaltungssektor (z.B. in "Kasimir und Karoline“, "Sladek“ oder "Ein Kind in unserer Zeit“) oder die Massenmedien selbst (etwa Radio, Zeitung in "Jugend ohne Gott“) immer wieder vorkommen. Durch diese Manipulation des Bewußtseins entsteht nicht Erkenntnis, sondern Anpassung: Hier in diesem Zusammenhang sollen die Schlüsselbegriffe "Demaskierung des Bewußtseins“ und "Bildungsjargon“, die leicht variiert fast in jedem seiner Werke festzustellen sind, verstanden werden.
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  • Versuch zur Wiederbelebung des Volkstheaters
    MACHIKO EHARA
    1988 Volume 81 Pages 76-85
    Published: October 01, 1988
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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    Die Dreißiger Jahre, in denen sich Soyfer als Schriftsteller entwickelte, waren Jahre, die den Untergang Österreichs unter der Naziherrschaft herbei-führten. Jura Soyfer war einer der wenigen, die sich kritisch mit dieser Zeit auseinandersetzten, während die anderen bedeutenden zeitgenössischen Schriftsteller in Österreich zur Beseitigung der Demokratie und zur Einschränkung der individuellen Freiheit keine klare Stellungnahme bezogen oder beharrlich schwiegen. Die vorliegende Arbeit weist auf Jura Soyfer als leidenschaftlichen Ankläger dieser Zeit hin und gibt einen Überblick über seine Tätigkeit am Theater von 1935 bis 1938, mit der er gegen das autoritäre Regime Widerstand leistete.
    Seine Arbeit fürs Theater hingen mit der Entwicklung der Wiener Kleinkunstbühnen eng zusammen, die sich meistens im Keller von Cafés befanden. In den fünf Jahren von 1933 bis 1938 entstanden viele Kleinkunstbühnen in Wien in rascher Folge und boten damals den einzig möglichen Ort, wo sich die vereinzelten oppositionellen Stimmen zusammenschließen nd ihr Unbehagen äußern konnten. Dort entwickelte sich eine eigene dramatische Form, das sogenannte "Mittelstück“, ein kleines Drama mit mehreren Szenenwechseln, das zwischen der "Servierpause“ und der "Zahlpause“ aufgeführt wurde. Soyfer gelang es 1935 dort Fuß zu fassen, und er wurde einer der aktivsten Autoren und hinterließ 5 Mittelstücke, deren Analyse im Mittelpunkt meiner Arbeit steht.
    Sein erstes Mittelstück "Der Weltungergang oder die Welt steht auf kein' Fall mehr lang“ stellt die Menschheit vor dem Weltuntergang dar und warnt in Verkleidung des Alt-Wiener Zauberstückes vor dem Krieg. Gerade in der Zeit, in der die Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Not die Menschen zur Verzweiflung trieb und der an die Macht drängende Faschismus den politischen Mut zu brechen suchte, wurde "Lechner Edi schaut ins Paradies“ geschrieben als Apell an alle Arbeitslosen in Österreich: "Auf uns kommt's an“. Die wachsende faschistische Gefahr bildet den Hintergrund für die kämpferische und oft geistreiche Phantasiewelt der bekanntesten Stücke von Soyfer, "Astoria“ und "Vineta“. Das Stück "Astoria“ richtet sich gegen den Schwindel des Faschismus. Zugleich ist es eine Satire auf das schwache Nationalbewußtsein des Staates, den keiner wollte. Das Stück endet mit der Hoffnung auf einen Staat, der auch für die Unterdrückten eine Heimat ist. Hinter "Vineta“ versteckt sich Wien unter dem autoritären Regime des Jahres 1937. Der Zensur wegen benutzt Soyfer die Form des Parabelstücks und warnt in verschlüsselter Zeitkritik vor dem Drohenden: wie die große Flut Vineta verschlungen hat, so wird der Faschismus Österreich verschlingen.
    "Broadway-Melodie 1492“ ist Soyfers letztes Stück. Die Uraufführung fand am 20. Nov. 1937 statt. Soyfer konnte den Erfolg seines Stücks nicht mehr miterleben, weil er zu diesem Zeitpunkt bereits inhaftiert war. Die historische Entwicklung und das eigene Schicksal Soyfers, der 1939 im KZ Buchenwald an Typhus starb, haben seinen Warnungen in vielen Dingen recht gegeben.
    Die bereits erwähnten Mittelstücke Soyfers beleuchten einerseits die inneren und äußeren Geschehnisse im Wien der Dreißiger Jahre, zum anderen zeigen sie den Versuch des zeitgenössischen Theaters, die Tradition des Altwiener Volkstheaters in neuer Form zu beleben. Der markante Charakter seiner Stücke erweist sich aber nicht nur als kritische Wirklichkeitsbe-wältigung,
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  • GERHARD FADEN
    1988 Volume 81 Pages 86-92
    Published: October 01, 1988
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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  • KEIJI FUJII
    1988 Volume 81 Pages 93-99
    Published: October 01, 1988
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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  • Aufwärtsänderung und Abwärtsänderung
    KEIJI SHIROOKA
    1988 Volume 81 Pages 100-107
    Published: October 01, 1988
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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  • Valenzwörterbuch zur Syntax und Semantik deutscher Verben
    [in Japanese]
    1988 Volume 81 Pages 108-110
    Published: October 01, 1988
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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  • [in Japanese]
    1988 Volume 81 Pages 110-115
    Published: October 01, 1988
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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  • [in Japanese]
    1988 Volume 81 Pages 115-117
    Published: October 01, 1988
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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  • [in Japanese]
    1988 Volume 81 Pages 118-121
    Published: October 01, 1988
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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  • [in Japanese]
    1988 Volume 81 Pages 121-123
    Published: October 01, 1988
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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  • [in Japanese]
    1988 Volume 81 Pages 124-127
    Published: October 01, 1988
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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  • [in Japanese]
    1988 Volume 81 Pages 128-130
    Published: October 01, 1988
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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  • [in Japanese]
    1988 Volume 81 Pages 130-132
    Published: October 01, 1988
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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  • 1988 Volume 81 Pages 219a
    Published: 1988
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
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  • 1988 Volume 81 Pages 219b
    Published: 1988
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
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  • 1988 Volume 81 Pages 270
    Published: 1988
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