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die Deutsche Literatur
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Anton Wildgans
Das Schicksal des "österreichischen Menschen“
KENJI SUGIURA
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1988 Volume 81 Pages 56-65

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Abstract
Im vorliegenden Aufsatz soll gezeigt werden, wie der Begriff des "österreichischen Menschen“, der in der "Rede über Österreich“ (1929) von Anton Wildgans definiert wird, in der Zwischenkriegszeit eine höchst politische Rolle gespielt hat.
Unter dem "österreichischen Menschen“ ist nicht ein Österreicher im allgemeinen zu verstehen, sondern ein Menschentypus, der sich besonders in der Hauptstadt des Vielvölkerstaates aus dem vielhundertjährigen kulturellen und politischen Zusammenleben der Völker herausgebildet hatte. Nach dem Historiker Alphons Lhotsky war dieser Begriff wahrscheinlich "ein Produkt der Rückschau, geprägt von der Generation, die nach dem Ersten Weltkrieg das Wrack des alten Staates langsam am Horizont entschwinden sah und sich jetzt erst daran erinnerte, wie einem darauf zumute war, als es noch eine europäische Großmacht darstellte“. Der Begriff selbst stammt zwar nicht von Anton Wildgans, aber er ist in der Periode nach dem Untergang der Monarchie von verschiedenen Polemikern mehrfach benutzt worden. Zuerst meint Wildgans, daß der "österreichische Mensch“ besonders in der Kulturstadt Wien im persönlichen Umgang mit den Mitbürgern anderer Nationalitäten die "Psychologie“, das heißt das Einfühlungsvermögen, kennengelernt hat. Damit ist er zum "Völkerkenner, Menschenkenner, Seelenkenner“ geworden.
Als zweites Signum des "österreichschen Menschen“ weist Wildgans auf das Dienen an einer Idee, das heißt an der Idee Österreichs hin. Nach Wildgans war Österreich "der verdinglichte Herrschaftsgedanke seiner Dynastic und im übrigen ein Konglomerat von vielen verschiedenen Heimaten, aus dem sich der Begriff des gemeinsamen Vaterlandes nur durch einen komplizierten staatsrechtlichen Denkprozeß ergab.“ So bedeutet das Dienen an der Idee Österreichs zugleich auch das Bemühen, einem aus den Ideen des Heiligen Reiches stammenden, universalistischen, römisch-katholischen und übernationalen Gesamtstaat zu dienen. Die dritte Eigenschaft des "österreichischen Menschen“ ist das Duldertum, das gerade in der größten Notzeit seine Ausdauer erwiesen hat. Am Ende seiner Rede sagt er mit Stolz, daß "eine härtere Probe auf die Seele und Kultur eines Volkes noch niemals gefordert“ wurde: "der sie bestanden, das ist, von allen Geißeln gestriemt, von allen Dornen verwundet und an alle Pfähle geschlagen, der österreichische Mensch!“ Das spricht Wildgans etwas pathetisch aus, als ob der Mensch dieser Art ein Märtyrer der Geschichte gewesen wäre.
Dabei wird der "österreichische Mensch“ dem germanischen oder nordischen Menschen gegenübergestellt. Diese Haltung zieht sich schließlich durch die ganze Geschichte der österreichischen Literatur. Zwar erkennt Wildgans die Gemeinsamkeiten der Sprache und der ursprünglichen Abstammung der Österreicher und der Deutschen an, er betont aber zugleich, daß jene "konzilianter, weltmännischer und europäischer“ als diese sind. Die Verschiedenheiten leitet er hauptsächlich aus der geographischen Lage Österreichs ab und sieht dessen besondere historische Aufgabe darin, Hüter der Völker im Mitteleuropa gegen den Osten gewesen zu sein. In seiner Lobrede über Österreich, das in den Karpatenkämpfen des 1. Weltkrieges zum letzten Mal für Europa seine Pflicht getan habe, kommt die sogenannte Mitteleuropa-Idee am deutlichsten zum Ausdruck.
Im Dezember 1933,
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