die Deutsche Literatur
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Karoline von Günderrode
Der Fluch der Unmöglichkeit
REIKO TANABE
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1989 Volume 82 Pages 73-83

Details
Abstract
Christa Wolf hat in ihrem Essay "Der Schatten eines Traumes“ folgendes über das Leben der Karoline von Günderrode gesagt:, Sie will ja vereinen, was unvereinbar ist: … Was sie begehrt, ist unmöglich.‘ Die Unmöglichkeit prägt nicht nur ihr Leben. sondern auch ihr Werk.
Die Liebe ist ein Hauptthema in ihrer Dichtung. In "Die Einzige“ stellt sich nun heraus, daß die Lust der Liebe im Nicht-Besitzen der Geliebten besteht. Aus Mangel entsteht die Begierde der Liebe, das ist eine grundlegende Struktur.
Ein anderes Gedicht "Die eine Klage“ korrespondiert mit dieser Thematik. Hier wird die, Trennung‘ als, die tiefste alley Wunden‘ hervorgehoben und, der Liebe ewig Sehnen/Eins in Zwei zu sein‘ als Befreiung von, der Zweiheit Gränzen‘ und somit von, des Daseyns Pein‘ dargestellt. Hier offenbart sich ein endloser Kreislauf der Liebe: Die Trennung setzt die Vereinigung voraus, aber die Vereinigung setzt ihrerseits die Trennung voraus., Der Liebe Sehnen‘ muß deshalb, ewig‘, ja unstillbar sein, weil, Eins in Zwei‘ zu werden eigentlich unmöglich ist. Gerade aber diese fatale Unmöglichkeit ist eben die Liebe.
Die Unmöglichkeit der Liebe besteht doch nicht nur in diesem ontologischen Paradox. Sie erscheint auch in der Zeit-Problematik. In "Die Manen“ findet sich eine Passage, die auf die zeitliche Nachträglichkeit des Bewußtseins hinweist:, Indem du die Gegenwart gewahr wirst, ist sie schon vorüber.‘ Das Bewußtsein erlebt alles nachträglich, da in dem Moment des Bewußtwerdens alles schon vergangen und verloren ist. Auch die Lust der Liebe wird immer als Verlust erlebt. Wiederum zeigt sich hier, daß die Liebe unerfüllbar und unmöglich ist. Deshalb muß sich die Liebe nach immer neuen Gegenständen treiben lassen.
Treue wird in diesem Zusammenhang in "Wandel und Treue“ als Treue zur Schönheit definiert. Gleichzeitig wird es als treulos kritisiert, in der Liebe Bewußtsein zu erhalten. Das Bewußtsein ist der Schlüsselbegriff: Die Unmöglichkeit der Liebe besteht nämlich darin, als ein individuelles Wesen geboren zu sein und das Subjektbewußtsein als solches zu haben. Die Liebe scheint es zu ermöglichen, aus den, Gränzen‘ der Persönlichkeit herauszutreten, um, des Daseyns Pein‘ zu vergessen, und die höchste Lust der Liebe, die Ekstase, zu erleben. In Wirklichkeit ist dies, um es zu wiederholen, aus ontologischen und zeitlichen Gründen unmöglich.
Die Auffassung der Liebe als Befreiung von der engen Individualität beruht auf der kritischen Einstellung zum europäisch-aufklärerischen Rationalismus. Dieser Aspekt wird in "Geschichte eines Braminen“ betont, indem die sich selbstspaltende, vernichtende Gewalt der Vernunft drastisch ausgedrückt wird. Der Erzähler, der in Europa durch die eigene unerbittliche Vernunft von seinem Selbst entfremdet worden war, konnte erst dadurch seine Entfremdung überwinden und sich von der engen Persönlichkeit befreien, indem er nach Indien ging und dort zum Brahmanen geweiht wurde. Die Rückkehr zum Ursprung der menschlichen Zivilisation wird hier als Überwindung der europäischen Individualität dargestellt.
Eine andere Möglichkeit, , des Daseyns Pein‘ zu überwinden, ist, , zu der Quelle des Lebens‘ zurückzukehren. Das ist das Grundthema von "Einstens lebt ich süßes Leben“, "Des Wanderers Niederfahrt“ und "Ein apokaliptisches Fragment“. In diesem Fall wird die Mutter, der Schoß der Mutter, als die Quelle des Lebens dargestellt.
Was auf der Ebene des sprachlichen Diskurses als Möglichkeit,
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