die Deutsche Literatur
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Volume 82
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  • Herder und Friedrich Schlegel
    KENICHI SAKATA
    1989Volume 82 Pages 1-12
    Published: March 01, 1989
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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    Die vorliegende Abhandlung stellt einen Versuch dar, vom ausgehenden 18. Jahrhundert zum beginnenden 19. damit eine Brücke zu schlagen, daß wir annehmen, Herder, der Kant-Gegner, habe in Schlegel, dem Anhänger Fichtes, einen legitimen Erben gefunden.
    Mit seinen beiden Kant-Kritiken, der "Metakritik zur Kritik der reinen Vernunft“ und "Kalligone“ als Metakritik zur "Kritik der Urteilskraft“, versuchte Herder, die-wie er meinte-Unfruchtbarkeit, Unmenschlichkeit oder gar Krankhaftigkeit des Kant-Fichteschen Transzendentalidealismus ("Transzendentalinfluenza“, wie es in "Kalligone“ heißt) zu diagnostizieren und mit verschiedenen symptomatologischen Bemerkungen die gesamte Bewegung der kritischen Philosophie, dieses "der Vernunft und der Sprache ebenso unkritisch als unphilosophisch aufgedrängte Satzungspapsttum“, als eine Art fin de siécle-Situation zu charakterisieren ("Abgrund unergründlicher Anschauungen, eines ewig-Begrifflosen Mystizismus“), während Schlegel in derselben Zeiterscheinung eine revolutionäre Energie spürte, die ein neues "Menschenalter“ hervorbringen werde. Die Zeit sei reif für "eine wichtige Revolution der ästhetischen Bildung“, und er halte die Französische Revolution für eine "vortreliche Allegorie auf das System des transzendentalen Idealismus“.
    Gemäß der Grundverschiedenheit ihrer Positionen wäre zu erwarten, daß Schlegel für Herder auch ein "dialektischer oder gar Revolutionsrabulist nach kritischem Schlage“ ("Metakritik“) wäre und eben zu jenen "brausenden Jünglingen“ gehörte, die "jetzt Alles so dichte(ten), absolut notwendig, allgültig, transcendental, kritisch“ ("Kalligone“) und somit in keiner Weise dazu geeignet wäre, Herders Erbe anzutreten.
    Und doch gibt es in ihrer Gedankenwelt eine enge Verwandtschaft. Wenn man Schlegels Hauptgedanken in ihrer Entwicklung von dem Athenaeum-Aufsatz "Rede über die Mythologie“ bis zu den Kölner Vorlesungen ("Die Entwicklung der Philosophie in 12 Büchern“ und "Propädeutik und Logik“) verfolgt und insgesamt systematisch zu erfassen versucht, so stößt man fast überall, gleichsam unter der Oberfläche transzendental-idealistischer Landschaften, auf die Erzader der Herderschen Gedankenwelt.
    Herders Kosmogonie beruht auf einer Synthese aus Spinozas Gedanken einer absoluten Einheit des Ur-Einen und der Leibnizschen Konzeption von der unendlichen Fülle und Mannigfaltigkeit der Monaden. Im "Spinoza-Gespräch“ entwirft er sein eigenes "Monadenpoem“, das aus der als "die Urkraft aller Kräfte“ aufgefaßten Gottheit entspringe, wobei jede Monade, von dieser "substanziellen“ Kraft durchdrungen, die Hülle ihrer Idealität abwerfe und sich ein Fenster schaffe, durch das allererst eine wirkliche Wechselwirkung, eine Kommunikation von allem und jedem ermöglicht werde. Das Universum ist für Herder die Gesamtheit aller organischen Entwicklung der ewig werdenden Gottheit, welche, "durch das Weltall verschlungen“, "die ewige Wurzel vom unermeßlichen Baum des Lebens“ sei. Und dieses Universum selbst besteht aus der Mannigfaltikeit und Fülle unendlich vieler Monaden mit geöffneten Fenstern. Diesem ganz realistisch reorganisierten Monaden-Begriff gibt Herder die neue Bezeichnung: "DASEIN“. Damit ist nichts anderes gemeint als eine Bestimmung gemäß der Leibnizschen "Monadologie“,
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  • NAOICHI NAKA
    1989Volume 82 Pages 13-21
    Published: March 01, 1989
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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    In der in seinen jugendlichen Jahren verfaßten Staatslehre "Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen“ hebt W.v.Humboldt die Bedeutung der Kraft und Bildung hervor. Es ist zu untersuchen, warum Humboldt beide Begriffe eben in dieser Staatslehre behandelte.
    Für Humboldt war die menschliche Bildung bereits in der griechischen Welt verwirklicht, aber er stellt doch fest, daß die Mittel, mit denen die Griechen die Bildung förderten, nicht ohne Bedenken auf moderne Staaten anwendbar sind. Die Mittel, nämlich öffentliche Erziehung, Religion und Sittengesetz, sollen insofern in Frage gestellt werden, als der Staat Träger der Erziehung ist. Um diese Problemlage im Bereich des moralischen Lebens klar zu stellen, führt Humboldt das Begriffspaar "Mensch-Bürger“ in seine Betrachtungen ein, womit er aufzeigen will, wie die Sorgfalt des Staates dem Menschen eine Einförmigkeit aufzwingt und aus ihm einen "Bürger“ macht, der in der Gesellschaft immer nur seine bestimmte, beschränkte Rolle spielt. Für ihn bedeutet der Staat keineswegs ein allmächtiges Subjekt, sondern bloß eine Maschine, die für die Bildung des Menschen arbeitet.
    Was die Einseitigkeit der Kräfte betrifft, befindet Humboldt mehrfach, daß sie das Schicksal des Menschen ist. Aus der Betrachtung über die französische Verfassung zieht er die Folgerung, daß der Begriff "Vernunft“ insoweit bedenklich ist, als diese sich ohne Achtung vor der Mannigfaltigkeit des menschlichen Seins von oben her erzieherisch verhält. In diesem Zusammenhang ist es wohl nicht zu gewagt anzunehmen, daß "Bildung“ bei Humboldt in einem Gegensatz zur Vernunft steht.
    Seine Bildungslehre fordert aber nicht das selbstgenügsame Verharren auf dem eigenen Selbst, sondern sie zielt vielmehr darauf ab, die Einseitigkeit des einzelnen durch die Auseinandersetzung mit den anderen zur Mannigfaltigkeit zu erweitern. Er nennt diese Auseinandersetzung "Entfremdung“.
    Mit dieser Konsequenz ermittelt Humboldt, wie die Staatsmacht begrenzt und die Freiheit des Staatsbürgers bestätigt werden soll. Trotz seiner engagierten Haltung können wir aus der heutigen Sicht sagen, daß der "Mensch“, der bei Humboldt im Gegensatz zum "Bürger“ ohne allen politischen und gesellschaftlichen Zusammenhang seinen geistigen und menschlichen Bildungsweg einhalten soll, in der Wirklichkeit auch ein geschichtliches Gepräge hat. Unter der Voraussetzung, daß jeder Mensch seine eigene Kraft hat und sie entwickeln kann, läßt Humboldt außer acht, zu definieren, was denn eigentlich diese Kraft sei.
    Unverkennbar liegt seine Absicht aber darin, durch die Schätzung der Bildung der menschlichen Kräfte auch die Verselbständigung des Menschen zu fördern. Er übt Kritik an einem Menschen, der zuviel vom Staat geleitet wird und seine Kräfte und Freiheit sozusagen freiwillig zum Opfer der Regierung macht. Wir können also sagen, daß in der Staatslehre von Humboldt nicht nur eine Kritik gegen ein zentralistisches Staatsbild und dessen erzieherische Funktion beabsichtigt ist, sondern auch ein Menschenbild in Frage gestellt wird, das kein eigenes Moment zur selbständigen Entwicklung hat. Die beiden Begriffe "Bildung“ und "Kraft“ sind die Basis, von der aus er seine Kritik an diesem Menschenbild übte.
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  • MASANORI HAYASHI
    1989Volume 82 Pages 22-32
    Published: March 01, 1989
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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    Der Gegensatz von Geselligkeit und Parteilichkeit, den Goethe in den "Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten“ (1795) und später auch in der "Campagne in Frankreich“ (1822) mehrmals zum Ausdruck gebracht hat, hängt mit den durch seine Naturforschung gewonnenen Begriffen der Polarität und Totalität eng zusammen.
    Auch Künste und Wissenschaften können der Geselligkeit nicht entbehren, so sagte Goethe in der Gründungsrede der Weimarer Freitagsgesellschaft. Bei den Wissenschaften betonte er immer die Notwendigkeit der Zusammenarbeit aus verschiedenen Bereichen und dazu den geselligen Geist. Aber dabei konnte sein Begriff der Gesellschaft über den der "Sozietät“ im engeren Sinne, die mit der elitären Hofgesellschaft fast gleichbedeutend war, noch nicht weit hinausgehen. Die moderne Gesellschaft, die sich schon in England oder in Frankreich verwirklicht hatte, existierte in Deutschland noch nicht. Unter den beschränkten politischen Bedingungen gab es dort, wie Goethe selbst im "Literarischen Sanscülottismus“ (1795) hingewiesen hat, keinen einheitlichen Kulturboden und auch keine reife Bourgeoisie, die in der Lage gewesen wäre, als Kulturträger zu funktionieren.
    Durch den Widerspruch der Misere der Wirklichkeit und der sich um so mehr verschärfenden Tendenzen zum Idealen war damals das Innenleben der Deutschen bestimmt, und keiner hat die Tragödie dieser inneren Zerrissenheit heftiger und tiefgreifender erlebt als Goethe.
    Im Verhältnis zur Natur spiegelt sich seine innere Zerrissenheit als Zwiespalt zwischen Fühlen und Erkennen, Erfahrung und Idee. Um etwa 1780 hat seine Tätigkeit als Politiker und Hofbeamter den ersten entscheidenden Wandel des Naturbildes herbeigeführt. Die Natur, die früher Gegenstand der gefühlsmäßigen religiösen Begeisterung war, näherte sich ihm nun als der des wissenschaftlichen Erkennens.
    Die Nachricht von der Halsbandaffäre, die im Jahre 1785 in Paris geschah, erhielt Goethe mit größter Erschütterung. Denn er hat darin nicht nur den Verfall des Ancien Régimes, sondern auch die Krise der eignen vom aufklärerischen Absolutismus in Weimar abhängigen Bildung bemerkt. In seinem Innern tat sich nun der Abgrund zwischen "dem Praktiker in der Erfahrung“ und "dem Denker in der Spekulation“, dem Politiker und dem Dichter auf.
    Auch bei seinen botanischen Studien konnte Goethe mit der Linnéschen Terminologie nicht mehr zufrieden sein, mit der er nämlich die "Versatilität der Organe“ nicht erfassen konnte. Goethe wollte nun nicht nur, wie früher, die der Mannigfaltigkeit der Natur zugrundeliegende Einheit, sondern auch ihre lebendige Tätigkeit selbst fassen, und dazu schien ihm eine neue Wissenschaftssprache unbedingt nötig zu sein. Er sah sich gefordert, sich aufs neue als Dichter zu verstehen.
    Goethes Italienreise könnte also in diesem Sinne als Versuch der Wiedergeburt als Dichter gesehen werden. Im "Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären“ (1790), dem frühesten Ergebnis der Italienreise, hat er seiner Morphologie eine feste Grundlage gegeben. Er ist zur Erkenntnis der Grundformel der Polarität gelangt, indem er das lebendige Leben des Pflanzenwesens als wechselseitiges Zusammenwirken der polaren Kräfte von "diastole“ und "systole“ aufgefaßt hat. Diese morphologische Überzeugung, daß sich alle organischen Wesen durch das Gleichgewicht der polaren Kräfte vollkommen ausbilden können, hat ihm auch eine Möglichkeit gegeben, seine innere Zerrissenheit zu überwinden.
    Als die Revolution 1789 in Paris ausbrach,
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  • MITSUHIRO MAENO, YASUO KOJIMA
    1989Volume 82 Pages 33-43
    Published: March 01, 1989
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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    Kotzebue wurde wie keinem anderen Dramatiker seiner Zeit die Gunst des Publikums und die Ablehnung der Kritiker zuteil. Jene machte ihn zu einem unentbehrlichen Mann in der Theaterwelt, diese bewirkte die negative Schätzung oder Ignorierung bei den Literaturhistorikern der Nachwelt.
    Sein Publikum bestand nicht nur aus dem Bürgertum, wie oft behauptet worden ist, sondern auch aus Fürsten und dem Adel. In diesem Hinblick ist es unmöglich, seinen enormen Erfolg mit irgendwelchen bestimmten sozialen Bedingungen zu erklären. Wenigstens schrieb er weder für die gebildeten, klassenbewußten Bürgerlichen noch für den "Pöbel“ oder die "Masse“, wie die Kritiker Kotzebues Publikum nannten.
    Die vom ästhetisch-literarischen Standpunkt aus geübte Kritik machte Kotzebue so sehr zu schaffen, daß er oft darauf polemisch reagierte, indem er sich auf sein Publikum bezog. Um die Jahrhundertwende herume wurde die Kritik-von der klassischen bzw. romantischen Literaturtheorie beeinflußt-immer schärfer, und damit begann sich das gebildete Publikum langsam von Kotzebue zu trennen. Es bildete sich eine Diskrepanz zwischen Literatur und Theater. Man konnte nun im Theater nicht mehr nach Herzenslust weinen oder lachen, ohne sich zu schämen. Das führte zur Geschmacksunsicherheit und-heuchelei.
    Die Aufgabe eines Stückeschreibers war für Kotzebue, die Zuschauer einfach angenehm zu unterhalten. Die ästhetische Erziehung des Menschen durch das Theater hielt dieser Publikumskenner nicht für möglich. Ein Schauspiel sollte mehr die Einbildungskraft als den Geist beschäftigen. Diese Theaterauffassung war keine Resignation. Er schlug nämlich angesichts der Uneinheitlichkeit des Geschmacks das Zweitheatersystem in einer Großstadt vor: das eine für die "natürliche Anmut“, wo man nicht so streng kritisieren sollte, das andere für die "höhere, idealische Schönheit“, wo die Autoren keinen allgemeinen Beifall erwarten sollten.
    Hier möchten wir an zwei dramatischen Satiren, "Dr. Bahrdt mit der eisernen Stirn oder Die deutsche Union gegen Zimmermann“ (1790) und "Der hyperboreische Esel oder die heutige Bildung“ (1799), Kotzebues Sinn für das Publikum erforschen.
    In "Dr. Bahrdt“ war die "Aufklärung“ der Gegenstand der Kritik, und auch in "Der hyperboreische Esel“ ist "hohe kritische Aufklärung“ geleugnet worden. Eigentlich sollte die "Aufklärung“ auf der Sehnsucht nach geistiger Freiheit beruhen, und dennoch konnte der mit den Augen des Alltagsmenschen ausgerüstete Kotzebue nicht umhin, die Grundsätze der Intellektuellen für aneinandergereihte abstrakte Begriffe zu halten, die von dem alltäglichen "gesunden Menschenverstand“ des durchschnittlichen Publikums abwichen. Hier machen wir die interessante Beobachtung, daß Kotzebue sowohl Aufklärung als auch romantische Idee ganz auf derselben Ebene als am grünen Tisch ausgedacht darstellt. Dem einfachen Volk erschienen die beiden Anschauungen gleich, vielmehr hat es Interesse für das "dekadente“ Privatleben der Intellektuellen.
    Es war Kotzebues großes Verdienst, daß er viele Leute ins Theater lockte, die einzige damals auch dem Bürgertum zugängliche Einrichtung, und ihnen Gelegenheiten zur Unterhaltung über einige gemeinsame Fragen bot. Indem er das Massenpublikum (einschließlich des Adels) unterhielt, führte er auch einen unermüdlichen Kampf-wenn auch manchmal zur Selbstverteidigung-gegen die elitären Kritiker. Seine ganze schriftstellerische Tätigkeit ist durch diese Gegenkritik, die sich von unten nach oben richtete,
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  • YASUMITSU KINOSHITA
    1989Volume 82 Pages 44-52
    Published: March 01, 1989
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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    Wer J. P. Hebels Kalendergeschichten liest, dem wird gleich auffallen, wie viele Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten es da gibt. Auch wo diese nicht in der eigentlichen Form gebraucht werden, finden sich oft ihre Abwandlungen oder Stellen, die an sie erinnern bzw. auf sie anspielen. Es wäre ohne Übertreibung zu sagen, daß seine Erzählungen mit ihnen gefüllt sind. Es besteht von alters her ein inniger Zusammenhang zwischen den Sprichwörtern und Parabeln oder lehrhaften Schwänken, um die es sich bei manchen Hebels Kalendergeschichten handelt. Daher könnte man sagen, daß seine Kalendererzählungen in dieser alten literarischen Tradition stehen. Andererseits ist das Sprichwort eine dem Volke von klein auf vertraute, einfache literarische Form. Es gehört zu den literarischen Urformen. Dies gilt auch für die Rätsel, die in seinem Kalender hie und da vorkommen. Darüber hinaus läßt sich bemerken, wie häufig sozusagen Urphänomene der Sprache das Motiv der Geschichten bilden: wie in "Mißverstand“, "Der Wegweiser“, "Kannitverstan“, "Ein Wort gibt das andere“ und sogar auch in "Die leichteste Todesstrafe“ oder "Das wohlfeile Mittagessen“. In einem Brief schreibt Hebel: "Ein großer Teil unseres Lebens ist ein angenehmer oder unangenehmer Irrgang durch Worte.“ (an Sophie Haufe) Diese Erzählungen, deren Motiv die Sprache ist, erwekken den Anschein, als ob man bei ihrem Lesen durch ein Museum der Alltagssprache durchginge. Hier mag Hebel den Lesern, dem ungebildeten Volke, eine Art Sprachlehre erteilen. Nun muß jeder diese vielfältigen Urphänomene im Prozeß des Erlernens der Sprache erlebt haben. In diesem Sinne sind sie den Lesern vertraut. Also hat Hebel seine literarische Welt mit dem Sprachgut des Volkes gestaltet, und trotzdem bleiben ihr alle Gemeinheiten erspart-darin besteht sein literarisches Verdienst. (Man erinnere sich z.B. daran, daß die Hochliteratur traditionell die Sprichwörter als gemeinsamen Sprachbesitz des Volkes verachtet hat. Aber wenn er die Sprache der Hochliteratur als die der Gebildeten gebraucht hätte, wäre dem Volk fremd zumute gewesen und es hätte sich von ihm abgewendet.)
    Aber er predigte nicht unkritisch über die alte Moral der Sprichwörter. Manchmal hat er diese umgearbeitet, oder sogar parodiert, um die Gefahr des erstarrten, automatischen Denkens von den Lesern abzuwenden. In seinem Herzen wohnte eine heiße Sehnsucht nach der Freiheit, die ja ab und zu auch als Neigung zum Chaotischen auftauchte. Daraus erklärt sich seine Vorliebe für die schalkhaften Spitzbuben, die in seinen Erzählungen auftreten. Wie Trickster zerstören sie die alltägliche gesellschaftliche Norm und Ordnung (z.B. die Besitzordnung durch Diebstahl und Betrug) und relativieren die herrschenden Werte. In Hinsicht auf die Relativierung der irdischen Werte hatte die Predigt dieselbe Funktion. Wie die religiöse Wahr-heit dem irdischen Auge oft paradox erscheint, so wälzt die Predigt manchmal die irdischen Wertordnung um und weist die nicht von Gott kommenden, nicht in Gott gegründeten Werte als unwesentlich zurück. Und Hebel war auch ein solcher Prediger. Er wohnte überhaupt seit dem Tode seiner Nächsten zugleich im Diesseits und im Jenseits. Wer hat vom Jenseits so anschaulich und vertraut reden können wie J. P. Hebel! (Vgl.: Brief an G. Fecht, Dez. 1795, "Allgemeine Betrachtung über das Weltgebäude 1813“ usw.) Er spricht von der Fahrt zum Himmel ganz gegenständlich wie ein Naturwissenschaftler. Für ihn waren der Tod wie die Auferstehung sicher, weil sie eine sowohl religiöse als auch wissenschaftliche Wahrheit sind.
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  • SHINJI ICHIKAWA
    1989Volume 82 Pages 53-63
    Published: March 01, 1989
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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    Von 1796 bis 1804 hat der Provinzschriftsteller Jean Paul seine langen Wanderjahre benutzt, um Materialien für seinen Roman "Titan“ zu sammeln, der die deutsche höfische Gesellschaft der Jahrhundertwende behandeln sollte. Der Zweck dieser Reisestudien wurde, wie er von Anfang an erwartet hatte, erfüllt und er konnte schließlich seinen "Titan“ 1802 vollenden. Aber von der stofflichen Reiseernte abgesehen, brachten die Wanderjahre für Jean Paul wenig Neues, was seine eigentliche, solipsistische Weltanschauung gründlich hätte verändern können. Während dieser Jahre hat er als Außenseiter unablässig kritischen Abstand von dem Fremden gehalten, dem er auf den Reisen begegnet ist. Und das vergrößerte am Ende sogar noch den Abstand. Zum Beweis dafür entstand in der zweiten Hälfte der Wanderjahre der autobiographische Roman "Flegeljahre“, mit dem er seine gesteigerte Sehnsucht nach Heimat stillen wollte. Einerseits hat Jean Paul im "Titan“ versucht, die auf eine Richtung übermäßig konzentrierten, genialischen Kräfte seiner Zeit durch Harmonie aufzuheben, um die von den Ismen in Mode (sowohl der Kunst wie der Philosophie) besessenen, wirklichkeitsfremden Egoismen moralisch zu tadeln, andererseits hat er sich bestrebt, seine Identität, d.h. seinen unveränderlichen Egoismus in den "Flegeljahren“ zu bestätigen. Hier soll untersucht werden, in welcher Beziehung sein eigener Egoismus zu den "titanischen“ Egoismen im "Titan“ steht.
    Roquairol findet immer die Wahrheit "früher in Gedichten als im Leben, früher als Schauspieler und Theaterdichter denn als Mensch“. Er wendet sich von der deutschen, miserablen Wirklichlichkeit ab und hängt hauptsächlich dem künstlerischen Schein nach. In dieser Hinsicht gleichen sich Roquairol und die Weimarer Klassiker sowie die Romantiker, die ihr Leben dem egozentrischen Ästhetizismus überlassen. Roquairol ward zum Tode verdammt aus dem moralischen Grund, weil er Liane, Linda und Albano unverantwortlich täuscht und ihnen Unglück bringt, indem er sich auch im wirklichen Leben, wie ein Schauspieler auf der Bühne, ästhetisch benimmt. Trotzdem fühlt der Autor großes Mitleid für ihn, wean er sagt: "Roquairol ist ein Kind und Opfer des Jahrhunderts.“ Diese kunstbesessene, unmoralische Gestalt hat ihren Ursprung in den damaligen, deutschen, kulturellen Verhältnissen, unter denen die Jungen nicht durch das Sein des Lebens, vielmehr durch den Schein der Kunst erzogen werden müßten, glaubt der Autor. Jean Paul selbst ist weniger durch seine armselige Umgebung als durch Bücher erzogen worden und hat sich daher denselben Egoismus des Künstlers wie Roquairol angeeignet, der seine Identität nicht im Leben, sondern in der Kunst findet. Das ist nicht zu verleugnen. Aber wegen seines übermäßig gesteigerten Egoismus, der die Kunst mit dem Leben direkt verbindet, muß der Autor Roquairol als Störenfried der Harmonie ablehnen. Aber Roquairol ersteht in den "Flegeljahren“ als positiver Künstler=Walt wieder auf.
    Albano verkörpert die Harmonie, die unter den übermäßigen Kräften der "titanischen“ Egoismen einen vernünftigen Ausgleich schaffen kann. Deshalb wird er keineswegs durch die monologischen Ismen seiner Zeit vergiftet und bleibt immer "wahr, gut, offen und menschlich“. Albano ist als privilegierte Hauptperson mit allmächtigen, "harmonischen Kräften“ bewaffnet, die alles Übermaß aufheben können. Er weist also die verzweifelten Angriffe der "einkräftigen“,
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  • MASAHIDE TABATA
    1989Volume 82 Pages 64-72
    Published: March 01, 1989
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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    Als die Französische Revolution ausbrach, war Ludwig Tieck 16 Jahre alt und besuchte das Gymnasium. Er war von der Revolution begeistert, aber seine Begeisterung war nur oberflächlich. Er hatte andere, wichtigere, d.h. innere Probleme.
    Tieck war in Berlin geboren zur Zeit Friedrichs II. Sein Vater, Johann Ludwig war wackerer Seilermeister und Anhänger der preußischen "Auf-klärung“.
    Nachdem Friedrich II. im Jahre 1785 gestorben war, wurde die Macht des Staates schwächer, und Widersprüche zeigten sich. Auch die industrielle Struktur änderte sich. Der junge Tieck sah die alte Welt, der sein Vater angehörte, von allen Seiten zugrundegehen. "Der junge Tischlermeister“, dessen erster Entwurf schon im Jahre 1796 entstand, war eine Art Trauerweise für die zugrundegehende Welt seines Vaters. Tieck machte den "aufklärischen“ Rationalismus, den sein Vater verkörperte, zu seinen eigenen seelischen Grundlagen ein.
    Im Jahre 1790 geriet Tieck in eine tiefe Krise. Der Zweifel an den "Wahrheiten“ quälte ihn, und tiefe Verzweiflung ergriff ihn. Oft befiel ihn große Angst vor dem Wahnsinn.
    Er fand Trost in Literatur. Er vertiefte sich ins Lesen und schrieb Werke, die seinen verzweifelten Seelenzustand spiegelten. "Abdallah“ war ein typisches Beispiel. Er hoffte unbewußt, seinen krankhaften Zustand zu heilen, indem er diese Werke schrieb, aber umsonst. Neben der Literatur fand Tieck einen Tröster in der Natur. Tieck, ein geborener Großstädter, "entdeckte“ so die Natur, was eine große Bedeutung für sein literarishes Schaffen hatte.
    Die zweite, noch schwerere Krise kam im Jahre 1792. Er flüchtete auch diesmal in Literatur und Natur. Er schrieb "Karl von Berneck“, dessen Held Karl sein seelisches Selbstportrait war. Er machte eine Fußreise in den Harz, wo er das Gebirge "entdeckte“. In den Werken Tiecks ist das Gebirge ein Bereich, wo die Personen dämonische Erlebnisse haben. Hier entdeckte Tieck den mystischen, dämonischen Aspekt der Natur.
    Es ist schwierig, die unmittelbare Ursache seiner inneren Krise zu nennen, obwohl man einige Anlässe dazu anführen kann. Er hatte seine Seele im alten Rationalismus wurzeln lassen, mußte jedoch in einem Zeitalter leben, wo man diesen alten Rationalismus nicht mehr aufrecht erhalten konnte. Dieser Widerspruch rief den unstabilen Zustand seiner Seele hervor. Außerdem hatte er die alten Aufklärungsideen nur mit Widerstand aufgenommen. Dieser innere Konflikt war ein anderer Faktor der Unstabilität seiner Seele. Und drittens war sein Vater Vertreter dieses "aufklärerischen“ Rationalismus. Daher war der Konflikt mit dem Rationalismus der mit seinem Vater, den er als Sohn überwinden sollte. Dieser tiefenpsychologische Konflikt mit dem Vater spiegelt sich in "Abdallah“ und "Karl von Berneck“.
    Im Jahre 1794 kehrte Tieck nach Berlin zurück. Unter Friedrich Nicolai arbeitete er an den "Straußfedern“, einer Serie von aufklärerischen Lektüren. Andererseits schrieb Tieck hintereinander romantische Werke: "Der blonde Eckbert“, "Der gestiefelte Kater“, "Franz Sternbalds Wanderungen“ usw. In diesen romantischen Werken, besonders in Märchen, findet man immer noch Personen, die zwischen Wirklichkeit und Unwirklichkeit irren und im Wahnsinn sterben. Das deutet an, daß Tieck seine Krise noch nicht ganz überwunden hatte. Neuer Faktor der Unstabilität war, daß seine romantische Werke, die er aus spontanem Bedürfnis schrieb, der rationalistischen Ausrichtung seiner Seele endgültig widersprachen.
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  • Der Fluch der Unmöglichkeit
    REIKO TANABE
    1989Volume 82 Pages 73-83
    Published: March 01, 1989
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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    Christa Wolf hat in ihrem Essay "Der Schatten eines Traumes“ folgendes über das Leben der Karoline von Günderrode gesagt:, Sie will ja vereinen, was unvereinbar ist: … Was sie begehrt, ist unmöglich.‘ Die Unmöglichkeit prägt nicht nur ihr Leben. sondern auch ihr Werk.
    Die Liebe ist ein Hauptthema in ihrer Dichtung. In "Die Einzige“ stellt sich nun heraus, daß die Lust der Liebe im Nicht-Besitzen der Geliebten besteht. Aus Mangel entsteht die Begierde der Liebe, das ist eine grundlegende Struktur.
    Ein anderes Gedicht "Die eine Klage“ korrespondiert mit dieser Thematik. Hier wird die, Trennung‘ als, die tiefste alley Wunden‘ hervorgehoben und, der Liebe ewig Sehnen/Eins in Zwei zu sein‘ als Befreiung von, der Zweiheit Gränzen‘ und somit von, des Daseyns Pein‘ dargestellt. Hier offenbart sich ein endloser Kreislauf der Liebe: Die Trennung setzt die Vereinigung voraus, aber die Vereinigung setzt ihrerseits die Trennung voraus., Der Liebe Sehnen‘ muß deshalb, ewig‘, ja unstillbar sein, weil, Eins in Zwei‘ zu werden eigentlich unmöglich ist. Gerade aber diese fatale Unmöglichkeit ist eben die Liebe.
    Die Unmöglichkeit der Liebe besteht doch nicht nur in diesem ontologischen Paradox. Sie erscheint auch in der Zeit-Problematik. In "Die Manen“ findet sich eine Passage, die auf die zeitliche Nachträglichkeit des Bewußtseins hinweist:, Indem du die Gegenwart gewahr wirst, ist sie schon vorüber.‘ Das Bewußtsein erlebt alles nachträglich, da in dem Moment des Bewußtwerdens alles schon vergangen und verloren ist. Auch die Lust der Liebe wird immer als Verlust erlebt. Wiederum zeigt sich hier, daß die Liebe unerfüllbar und unmöglich ist. Deshalb muß sich die Liebe nach immer neuen Gegenständen treiben lassen.
    Treue wird in diesem Zusammenhang in "Wandel und Treue“ als Treue zur Schönheit definiert. Gleichzeitig wird es als treulos kritisiert, in der Liebe Bewußtsein zu erhalten. Das Bewußtsein ist der Schlüsselbegriff: Die Unmöglichkeit der Liebe besteht nämlich darin, als ein individuelles Wesen geboren zu sein und das Subjektbewußtsein als solches zu haben. Die Liebe scheint es zu ermöglichen, aus den, Gränzen‘ der Persönlichkeit herauszutreten, um, des Daseyns Pein‘ zu vergessen, und die höchste Lust der Liebe, die Ekstase, zu erleben. In Wirklichkeit ist dies, um es zu wiederholen, aus ontologischen und zeitlichen Gründen unmöglich.
    Die Auffassung der Liebe als Befreiung von der engen Individualität beruht auf der kritischen Einstellung zum europäisch-aufklärerischen Rationalismus. Dieser Aspekt wird in "Geschichte eines Braminen“ betont, indem die sich selbstspaltende, vernichtende Gewalt der Vernunft drastisch ausgedrückt wird. Der Erzähler, der in Europa durch die eigene unerbittliche Vernunft von seinem Selbst entfremdet worden war, konnte erst dadurch seine Entfremdung überwinden und sich von der engen Persönlichkeit befreien, indem er nach Indien ging und dort zum Brahmanen geweiht wurde. Die Rückkehr zum Ursprung der menschlichen Zivilisation wird hier als Überwindung der europäischen Individualität dargestellt.
    Eine andere Möglichkeit, , des Daseyns Pein‘ zu überwinden, ist, , zu der Quelle des Lebens‘ zurückzukehren. Das ist das Grundthema von "Einstens lebt ich süßes Leben“, "Des Wanderers Niederfahrt“ und "Ein apokaliptisches Fragment“. In diesem Fall wird die Mutter, der Schoß der Mutter, als die Quelle des Lebens dargestellt.
    Was auf der Ebene des sprachlichen Diskurses als Möglichkeit,
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  • SHIN HORASAWA
    1989Volume 82 Pages 84-91
    Published: March 01, 1989
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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  • Volkstheater als Provokation
    KEN-ICHI SATO
    1989Volume 82 Pages 92-101
    Published: March 01, 1989
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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    Lenz wurde lange Zeit, bis zum Ende der 50er Jahre, von Literaturhistorikern nur als Goethes Epigone unkritisch degradiert. Die Dramen von Lenz sehen wohl chaotisch aus. Kann man aber deshalb deren Aussehen seinem Mangel an Kreativität zuschreiben? Heute wird er langsam als ein Vorläufer der Moderne rehabilitiert. Jedoch kommen dabei allein die beiden realistischen Dramen: "Der Hofmeister“ und "Die Soldaten“ zur Geltung. "Der neue Menoza“ ist dagegen eine märchenhafte Komödie, in der ein erdichteter asiatischer Prinz als Hauptfigur auftritt; dieses Stück ist besonders chaotisch und hat daher bisher kaum Beachtung gefunden.
    1. Volkstheater
    Die wichtigsten Motive des Stückes, in Bezug auf die Familie Biederling, sind Heirat und Heimkehr, es hat ein Happy-End; in der Darstellung der Familie findet sich ein seit der antiken Komödie geläufiges Strukturprinzip: Ordnung-Unordnung-Wiederherstellung der Ordnung. Außerdem weisen die "sprechenden Namen“ auf die Tradition der sächsischen Typenkomödie hin. Insofern kann das Stück in die Kategorie der empfindsamen Familiendramen des 18. Jahrhunderts eingeordnet werden.
    Andererseits geht das Stück über die literarische Norm der Aufklärung völlig hinweig: viele Handlungen verwickeln sich ineinander, 15 Schauplätze wechseln sich in unbeschränktem Zeitraum durch 36 Szenen miteinander ab. Darüber hinaus bietet das Stück, so wie in einer Schaubude, im schnellen Tempo-begleitet von übertriebener, oft klischeehafter Gestik und Sprache-Darstellungen blutiger, grotesker, pathetischer, komischer und auch zotiger Art. Dies ist nichts anderes als das Wander- und Volkstheater seit dem 17. Jahrhundert, das Gottsched vertreiben wollte.
    Lenz gibt hiermit der Sinnlichkeit des Theaters wieder ihr Recht.
    Das Motiv des "edlen Wilden“ in der Gestalt des Prinzen Tandi, der das zivilisierte Abendland kritisiert, ist im Europa des 18. Jahrhunderts weit verbreitet. Lenz nimmt in sein Stück dieses sehr populäre Motiv auf. Und weil die Zivilisationskritik nur am Anfang berührt wird, scheint Lenz mit dem Motiv-so wie mit einem dekorativen Schmuck-das Publikum einfach amüsieren zu wollen.
    Lenz spricht also mit dem Happy-End, dem, volkstümlichen‘ Theater und dem Motiv des "edlen Wilden“ die Erwartungen des Publikums an.
    2. Kritisches Theater
    Tandi wird als Naturmensch im rousseauischen Sinn den Bürgern in Sachsen als zivilisierten Menschen scharf gegenübergestellt. Sie sind alle nur so wie "Räder“ in eine funktionierende "große Maschine“ der Welt eingepaßt. Tandi erstickt in dem Morast. Aber er selbst weicht vom Leben eines Naturmenschen langsam ab, nachdem er der Liebe zu Wilhelmine, einer Tochter Biederlings, verfallen ist; er will doch länger hier bleiben, heiratet sie und übt keine Kritik an Europa mehr. Dann wird berichtet, daß Tandi ein Sohn Biederlings ist. Es mag eine Metapher dafür sein, daß er im Mechanismus der unentrinnbaren Umstände gefangen ist. Er flieht, um Inzest zu vermeiden. Biederling jedoch holt ihn letztlich in sein Haus zurück, wohin Tandi gehören will. Da erhält er davon Bescheid, daß Wilhelmine doch nicht seine Schwester ist. Eine sentimentale Lösung wird nun möglich.
    Aber das Happy-End ist total leer. Denn Tandi spielt jetzt seine Rolle als Biederling der Zweite, paßt sich damit der Gesellschaft an, die er als Naturmensch kritisiert hat, und würdigt sich selbst zu einem "Rad“ herab, so wie die anderen Bürger.
    3. Marionettentheater
    Das Stück schließt mit einem Epilog ab, in dem das Marionettentheater angepriesen wird.
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  • KENJI MITANI
    1989Volume 82 Pages 102-109
    Published: March 01, 1989
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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  • TOSHIHIRO OKUDA
    1989Volume 82 Pages 110-119
    Published: March 01, 1989
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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    Abhandlungen über Werke des in der Nachkriegszeit in der BRD "fast ganz in Vergessenheit geratenen“ Schriftstellers Lion Feuchtwanger rufen in letzter Zeit, besonders anläßlich seines 100. Geburtstages 1984, allmählich mehr Interesse hervor. Insbesondere seine zeitgenössischen Romane, vor allem die "Wartesaal“-Trilogie (1930-1940), scheinen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Aber nicht in ihnen kann das eigentliche Wesen seiner Dichtung gefunden werden, sondern vielmehr in der historischen Literatur, wie es sein nachgelassener Essay "Das Haus der Desdemona oder Größe und Grenzen der historischen Dichtung“ unverkennbar zeigt. In der vorliegenden Abhandlung sollen deshalb Eigenschaften und Probleme der historischen Literatur des Autors am Beispiel von "Jud Süß“ (1925), seinem Weltbestseller, erläutert werden.
    Josef Süß Oppenheimer war einer der Hofjuden, die als Finanzleute der Monarchen des Absolutismus im 17. und 18. Jh. an der Macht waren, und wurde nach dem Tod seines Monarchen, des Herzogs Karl Alexander, am 4. February 1738 hingerichtet.
    In der Gestaltung dieser historischen Figur im Roman "Jud Süß“ stellt Feuchtwanger Süß' einziges Kind Naemi in den Vordergrund. Er stellt nämlich den Tod des Monarchen als Rache von Süß für Naemi dar, die für Süß unersetzlich ist, und die sich bei der Vergewaltigung durch Alexander das Leben nimmt. Nach dem Tod des Monarchen leistet Süß jedoch den Untertanen, die unter dem Absolutismus sehr gelitten haben und haßerfüllt seine Hinrichtung verlangen, keinen großen Widerstand. Süß hat nämlich durch den Selbstmord seines Lieblingskindes Naemi sozusagen den "Willen zur Macht“ verloren. Im Roman geht es grundsätzlich um "den Weg über die enge europäische Lehre von der Macht über die ägyptische Lehre vom Willen zur Unsterblichkeit bis hin zu der Lehre Asiens vom Nichtwollen und Nichttun“, wie es der Autor wiederholt kommentiert.
    Aber gerade wegen dieses Themas kritisiert Lukács den historischen Roman "Jud Süß“ obwohl er doch in seinem umfangreichen Buch "Der historische Roman“ (1937) vom Standpunkt der "revolutionären Demokratie“ aus die historische Dichtung hochschätzt, im Unterschied etwa zu Kurt Hiller, der in den sogenannten "historischen Tatsachen“ die "Flucht aus der Gegenwart“ in die halbwissenschaftlichen und bunten Fiktionen sieht. Für Lukács ist die "Wendung“ von Süß zu abstrakt und zu subjektiv dargestellt, weil Süß, fast unabhängig von den Leiden des Volks unter dem Absolutismus, aus einem persönlichen und ethischen Gefühl heraus "vom Tun zum Nichttun“ übergeht, während es im Roman doch gilt, eine Figur unter einer bestimmten Gesellschaft objektiv darzustellen.
    Lukács aber übersieht, oder besser gesagt, mißversteht das im Roman betrachtete und ausgedrückte Judentum, und dadurch wird seine Kritik unzutreffend. Es geht zwar um Sabbatai Zewi und die symbolische Deutung der hebräischen Schriften, das im Mittelpunkt stehende Judentum ist jedoch nicht religiös, geschweige denn mystisch, sondern sozial und geschichtlich dargestellt. Der Haß auf die Hofjuden und ihre Verfolgungen waren eigentlich sozial begründet, und sie wurden dabei als "Sündenbock“ hingestellt, und genau in dieser sozialen und geschichtlichen Situation schildert der Autor seinen Helden. Sein "Wille zur Macht“ ist im Grunde ein Kampf dessen,
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  • Marbot“">Über W. Hildesheimers "Marbot“
    TERUKO ISHIMITSU
    1989Volume 82 Pages 120-129
    Published: March 01, 1989
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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    Über sein Werk "Marbot. Eine Biographie“ sagt Hildesheimer, er könne es nicht übertreffen, und habe sich mit ihm die Möglichkeit verstellt, jemals wieder ein erzählendes Buch zu schreiben. Tatsächlich hat er bis heute nichts mehr veröffentlicht, außer der kleinen essayhaften Prosa "Mitteilungen an Max“ und den Notizen und Vorträgen, die aus der früheren Zeit stammen. Worin liegt die Bedeutung des Buches, das seinen Verfasser zu einer solch endgültigen Absage kommen ließ?
    Dem Werk ist deshalb so große Aufinerksamkeit des Publikums gewidmet worden, weil es, obwohl der Autor es im Titel als eine Biographie bezeichnet und dementsprechend verschiedene anscheinend reale Schriften, Aufzeichnungen und Briefe hineingearbeitet hat, doch eine reine Fiktion ist. Der Schriftsteller, hier selber die Rolle eines Fälschers spielend, hat alle Dokumente gefälscht, um eine perfekte Biographie zustandezubringen. Das Fälschungsmotiv selbst ist dem Leser von Hildesheimer nicht neu; bereits am Anfang seines literarischen Schaffens kam das Motiv sehr oft vor, allerdings nur in scharf satirischen, ironischen Erzählungen. Und dieser satirisch-ironische Zug ist es, der die früheren Werke von "Marbot“ unterscheidet; jenen dient nämlich die Fälschung nur als Stoff für eine satirische Beschreibung, während sie bei diesem, in einem keineswegs für Satire zu haltenden Text stehend, auf eine mit dem Inhalt des Werkes zutiefst zusammenhängende Weise konsequent gefordert und determiniert ist.
    "Marbot“ wind eine "fiktive Biographic“ genannt. Worin liegt der Unterschied zwischen fiktiver Biographie und bloßer Fiktion oder Erzählung? In der Gattung Biographie hat sich Hildesheimer bisher schon versucht, und ein erfolgreiches Ergebnis ist eben sein "Mozart“. Weil er aber in diesem Werk eine große Berühmtheit behandelt, kann er nicht urchin, den Meister nur auf der Basis der bereits in großer Zahl existierenden Materialien zu beschreiben. Bei "Marbot“ wählt er dagegen zum Objekt biographischer Darstellung eine Kunstfigur, damit es ihm ermöglicht werde, die bei "Mozart“ notwendigerweise fehlende Konsequenz und Folgerichtigkeit durchzuführen, und somit die Einschränkungen eines Biographen zu überwinden. So ist hier das Leben einer Person gefälscht, die nicht existiert. Man könnte auch sagen, daß hier der Autor sogar eine Wirklichkeit gefälscht hat. Was ist aber die Wirklichekit bei Hildesheimer? Er hat einmal mit G. Eich gesagt, daß Wirklichkeit keine Voraussetzung der Literatur, sondern deren Ziel ist, und daß man infolgedessen Romane nicht mehr schreiben kann, die die Wirklichkeit unbedingt vorraussetzen. Zwischen Wirklichkeit und Fiktion ist also von vornherein kein fester Unterschied; die Schwelle, die die beiden von einander trennt, kann allmählich verwischt werden. Mit dem Fälschungsmotiv hat Hildesheimer geradezu darauf gezielt. Je vollkommener gefälscht wird, desto mehr verliert das Echte Wert und Gültigkeit, während das Gefälschte um so wertvoller und gültiger wird. Wegen des Abscheus vor Schrecken und Unerträglichkeit der existierenden Wirklichkeit will der Schriftsteller sie ungültig machen kraft einer gefälschten, von ihm dargebotenen Wirklichkeit. In diesem Sinne ist das Buch "Marbot“ nicht nur die Flucht aus der Gegenwart, wie der Autor selbst erklärt, sondern auch die Flucht aus der Wirklichkeit in eine fiktive Welt.
    Indem er eine reine Fikton "Marbot“ schreibt und dennoch darauf besteht, es sei keine Fiktion, deklariert er das Ende der Fiktionen; so völlig in Widerspruch stehen seine Tat und Aussage.
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  • Auf der Suche nach ihrer Annäherung
    YORIKO NISHITANI
    1989Volume 82 Pages 130-139
    Published: March 01, 1989
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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  • [in Japanese]
    1989Volume 82 Pages 140-142
    Published: March 01, 1989
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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  • [in Japanese]
    1989Volume 82 Pages 142-146
    Published: March 01, 1989
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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  • [in Japanese]
    1989Volume 82 Pages 146-149
    Published: March 01, 1989
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
    JOURNAL FREE ACCESS
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  • [in Japanese]
    1989Volume 82 Pages 149-151
    Published: March 01, 1989
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
    JOURNAL FREE ACCESS
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  • [in Japanese]
    1989Volume 82 Pages 151-154
    Published: March 01, 1989
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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  • Weimarer Einbahnstraße u. Pariser Passagen
    [in Japanese]
    1989Volume 82 Pages 154-156
    Published: March 01, 1989
    Released on J-STAGE: March 28, 2008
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  • 1989Volume 82 Pages 243
    Published: 1989
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
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  • 1989Volume 82 Pages 272c
    Published: 1989
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
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  • 1989Volume 82 Pages 272b
    Published: 1989
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
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  • 1989Volume 82 Pages 272a
    Published: 1989
    Released on J-STAGE: January 30, 2009
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