die Deutsche Literatur
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Einige Überlegungen zur Dativrealisation
AKIO OGAWA
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1991 Volume 87 Pages 119-130

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Abstract

Bei der Behandlung des Dativs im Gegenwartsdeutsch neigt man einerseits dazu, ihn zu klassifizieren: "Objektdativ“, "Pertinenzdativ“, "Dativ commodi/incommodi“, "Dativ ethicus“ und "Dativ iudicantis“. Die traditionelle Beschreibungsweise (einschließlich der Valenzgrammatik) stützt sich mehr oder weniger darauf. Andererseits versucht man, mit möglichst wenig Klassifizierung zurechtzukommen. Die auf der Kasustheorie der neueren generativen Grammatik basierende Erklärungsweise ist einer dieser Versuche, wobei der Dativ-wie der Akkusativ-prinzipiell als "struktureller“ Kasus aufgefaßt wird.
In der vorliegenden Arbeit wird versucht zu zeigen, daß die Dativrealisation zumindest teilweise einheitlich, also nicht klassifikationsorientiert erklärbar ist, und zwar-im Gegensatz zu der Auffassung, der Dativ sei "strukturell“ geregelt-semantisch.
Zunächst werden einige ansatzweise Bemerkungen gemacht zu der endgültig zu lösenden Frage, was der ideale deutsche Muttersprachler um den Dativ weiß. Anschließend wird die Hypothese vorgelegt, die nachfolgend überprüft werden soll. Sie lautet: die Dativrealisation setzt eine andere Größe (Argument) voraus und wird gesteuert durch die Interaktion von (a) der Resultativität, die auf die vorausgehende Größe zukommt, und (b) der sprachlich relevanten Entfernung zwischen dieser vorausgehenden Größe und der vom Dativ zu kodierenden Größe. Danach kann kein Dativ in Fällen auftreten, in denen nicht von der Resultativität gesprochen werden kann. Diese Fälle liegen nicht selten vor; einen davon steilt z.B. der Satz "die Hände sind sauber“ dar. Ein Dativ wäre hier nicht möglich ("*die Hände sind mir sauber“), obwohl man ihn, geht man vom Erklärungsansatz "Pertinenzdativ“ aus, doch gut erwarten könnte. Auftreten kann ein Dativ zusammengefaßt lediglich in den folgenden drei Fällen: 1) (a) ist groß, (b) ist klein; 2) (a) ist klein, (b) ist klein; 3) (a) ist groß, (b) ist groß. Die übrigbleibende Möglichkeit 4), bei der also (a) klein, (b) groß ist, ist ausgeschlossen. Diese Zusammenhänge können graphisch wie folgt dargestellt werden, wobei die Nummern der gerade oben erläuterten vier Fälle sowohl mit den in der Graphik placierten, als auch mit den weiter unten vor den Beispielsätzen angesetzten übereinstimmen. Die Krummlinie trennt Möglichkeit und Unmöglichkeit der Dativrealisation.
1) er hat mir die Beinmuskeln weich geklopft
2) er hat mir auf die Schulter geklopft
3) er hat mir das Fleisch weich geklopft
4) er hat (*mir) auf den Tisch geklopft
Es stellt sich also heraus, daß-nach herkömmlicher Klassifikation-"Pertinenzdativ“, "Dativ commodi/incommodi“ und zumindest ein Teil des "Objektdativs“ innerhalb der obigen Krummlinie zu placieren sind. Damit ist eine einheitliche Erklärungsmöglichkeit-auch wenn noch partiell-sichergestellt.
Um zu bestätigen, ob ein solcher semantisch fundierter Erklärungsansatz, wie er hicr vorgclegt worden ist, auch sprachuniversell Gültigkeit findet, bedarf es zwar weiterer Untersuchungen. Aber einige Beobachtungen beim französischen Dativ und dem japanischen adversativen Passiv, die zum Schluß kurz erläutert werden, scheinen es recht plausibel zu machen. Es geht also in den erwähnten Fällen um die Erweiterung der Argumentstruktur.

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