Neue Beiträge zur Germanistik
Online ISSN : 2433-1511
Aufsätze
Über „das deutsche Jahrhundert“ hinaus
Julian Apostata bei Friedrich de la Motte Fouqué und Joseph von Eichendorff
Yasumasa OGURO
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2021 Volume 162 Pages 196-213

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Abstract

Für Rudolf Kassner ist das 19. Jahrhundert ebenso sehr das romantische wie das deutsche. Er behauptet in seinem Hauptwerk Das neunzehnte Jahrhundert von 1947, „daß kein Mensch [...] einen so langen Weg zu sich selbst hat wie der deutsche.“ „Der Riß und der längste Weg“ finden ihren mächtigsten Ausdruck nicht nur in den deutschen Künstlerromanen, sondern auch im kontroversen Bild des spätrömischen Kaisers Julianus, der wegen seiner Sonnenverehrung dem christlichen Glauben abschwor. Nachdem er lange negativ beurteilt wurde, rehabilitierten ihn Montesquieu, Voltaire, Gibbon u. a. Im Deutschland des 19. Jahrhunderts setzte man sich mit ihm nicht nur in Religion und Geschichte, sondern auch in Politik und Literatur auseinander.
  Carl Schmitt übte in seinem Buch Politische Romantik (1925) Kritik an der deutschen Romantik, beispielsweise an David Friedrich Strauß’ Schrift Der Romantiker auf dem Throne der Cäsaren, oder Julian der Abtrünnige (1847), weil diese für die Begriffsbildung „Politische Romantik“ von besonderer Bedeutung war. Seine Übersicht über die Entwicklung des Julian-Bildes zeigt, wie sehr die geschichtliche Auffassung des Vergangenen von den Eindrücken der Gegenwart bestimmt war. Schmitt sagt: „Das »Gegensätzliche«, Antinomische, Dialektische sind widersprechende Affekte; aus dem Widerhall streitender Realitäten mischt sich ein seltsamer Klang.“ Die vorliegende Arbeit setzt sich hauptsächlich mit der poetischen Dialektik des Julian-Bildes bei Friedrich de la Motte Fouqué und Joseph von Eichendorff auseinander.
  Friedrich de la Motte Fouqués Novelle Die Geschichte vom Kaiser Julianus und seinen Rittern (1818) besteht aus einer Binnenerzählung um Julianus und einer Rahmenerzählung, die Mitte des 15. Jahrhunderts in der Malerwerkstatt des Meisters Liebrecht in Worms spielt. In der Novelle steht die Eheschließung zwischen dem Malerlehrling Werner und dem „italische[n] Findelkindlein“ Giulietta für die Übereinstimmung von Deutschem und Italienischem, die Stadt des Ewigen Landfriedens von 1495 für die Koexistenz von Christentum, Germanentum und Judentum sowie darüber hinaus der christliche Ritter Mercurius für den Synkretismus von Christentum und Heidentum. Im Laufe der Handlung sind die erzählten Helden in der Antike und die handelnden Figuren im Mittelalter schicksalhaft miteinander verbunden. Die Novelle stellt zwar in der Binnenerzählung religiöse Spaltungen in den Vordergrund, beseitigt sie aber mit Hilfe der ars combinatoria. Sie endet im großen Kreis unter Leitung von Nikandros. Der „Liebesgarten“ in „unserer schönen Worms“ ist dagegen nur ein vorübergehender Kreis. Der alte Meister fordert Werner dazu auf, „dass Du kampfesrüstig seyest vor allen Andern, wenn irgendeine Noth Deines deutschen Vaterlandes Dich ruft“. Seine Aufforderung lässt den Leser einen neuen „Riss“ antizipieren, denn bekanntlich brachte der Reichstag zu Worms im Jahre 1521 eine neue religiöse Spaltung mit sich brachte.
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