Abstract
Diese Experimente werden in der Absicht unternommen, um das Bewusstsein eines Gegenstandes chronologisch zu zergliedern und Erscheinungsweise und Ausdruckstormen dabei zu beobachten.
Diese Experimente sind in drei Verfahren eingeteilt. In Exp. I wurden ein Paar Linien in verschiedenen Lagen eine bestimmte Zeitlang (1/20Sek. 1/10Sek. 1/5Sek. 1/2Sek. 1Sek.) dargeboten, und die Vp, hatten die Lönge der Linien zu vergleichen.
In Exp. II wurden Müller-Lyersche Figuren von verschiedenem Längenverhaltnis der Horizontallinien nach der Methode der ebenmerklichen Unterschiede (Zeitinterval 10 σ) beobachtet.
In Exp. III wurden die gleichartigen Figuren eine bestimmte Zeitlang (1/20Sek. 1/10Sek. 1/5Sek. 1/2Sek. 1Sek.) nach der Konstanzmethode beobachtet.
Aus den Resultaten des Exp. I gehen folgende Tatsache hervor;
(1) Die Vorstellung der Gestalt und die Darstellung der Relation sind unterscheidbar als Ausdracksformen des Bewusstseins.
(2) Die Reizkonstellation muss zunächst als Gestalt ausdrücklich vorgestellt werden, um diese Relation deutlich beurteilen zu können.
(3) Man kann folgenden Phasen der Ersch inungsweisen anerkennen.
a) Es wird nur ein unbestimmtes Etwas wahrgenommen.
b) Ein Teil des Gegenstandes erscheint.
c) Der Gegenstand wird umgestaltet.
d) Der Gegengtand kommt als Ganzes undeutlich zum Bewusstsein hervor.
e) Die Gestalt wird als Ganzes deutlich wahrgenommen.
f) Seheinbewegung kommt zuweilen hinzu, aber das findet sich auch bei anderen Phasen als begleitende Erscheinung.
g) Gestaltqualität ist vorstellbar.
h) Relationsbegriff ist darstellbar.
(4) Es gibt eine den Ausdruck des Relationsurteils ermäglichende Grenzgestalt der Vorstellung in der Zeitstruktur der Gestaltwahrnehmung.
(5) Wenn die Lage zewier Linien sich als Wahrnehmungstäuschung im Bewusstsein gestaltet, so drückt sich eine derartige Grenzgestalt unsicher aus.
Aus den Resultaten des Exp. II gent hervor;
(1) Die Zeit, in welcher die Gestalt als Ganzes ausdrücklich wahrgenommen wird und also gleichzeitig die Täuschung entsteht, liegt zwisehen 80σ und 150σ, wenn sie auch je nach Reizkonstellation und Disposition der Vp. verschieden ist.
(2) Wenn Winkellinien deutlicher als Horizontallinien wahrgenommen werden, so tritt die Täuschung wirksamer auf.
(3) Je kürzer die Wahrnehmungszeit ist, desto stärker ist die Täuschungswirkung.
(4) Eine kleine Figur ist klarer vorstellbar bei kurzen Darbietungszeiten als eine grosse Figur.
(5) Je deutlicher die Geschlossenheit und Einheit der Gestalt wahrganommen wird, desto stärker wirkt die Täuschung.
Aus den Resultaten des Exp. III ergibt sich;
(1) Unter derartigen Umständen, dass die Gestalt als Ganzes nicht klar vorstellbar ist, erfolgt die Täuschung auch, aber das Urteil drückt sich mit Zweifel aus.
(2) Wenn die Wahrnehmungszeit verlängert wird, so verringern sich dementsprechend die Zweifel und gleichzeitig vermindert sich auch die Täuschung.
(3) Als Bedingungen für die Müller-Lyersche Täuschung erkennen wir Ausdehnung und Kontraktion des Bewusstseinsfeldes.
Aus den Resultaten der Ergänzungsexperimente;
Müller-Lyersche Täuschung ist nicht bloss durch Richtung und Winkel der binzugefugten Linien, sondern auch durch die Lage dieser Linien gegen die Horizontallinien bedingt. Demnach wird, wenn man Lage der Winkelslinien verändert, die Täuschungswirkung umgekehrt; wenn das Bewusst seinsfeld durch die nach innen gerichteten Winkellinien ausgedehnt ist, werden die Harizontallinien dementsprechend vergrössert, wenn es durch die naeh aussen gerichteten Winkellinien kontrahiert ist, die Horizontallinien umgekehrt verk leinert.