Abstract
Die Globalisierung der letzten Jahrzehnte hat nicht nur eine zunehmende Verflechtung von Volkern und Kontinenten mit sich gebracht, sondern auch die Entstehung und Verscharfung von Interessenskonflikten in allen Teilen der Welt. Diese manifestieren sich nicht selten als religiose Konflikte, da es neben den kulturellen Errungenschaften und der politisch-ideologischen Orientierung vor allem die Religion ist, die das Selbstver-standnis einer Gesellschaft pragt. Als Ursachen religioser Konflikte lassen sich hauptsachlich zwei Faktoren benennen : 1) die Dichotomie zwischen dem Sakralen und dem Profanen, die der Religion wesentlich eignet; 2) die Abneigung gegenuber fremdartigen rituellen und zeremoniellen Gebrauchen. Zur Konstituierung der Idee einer allgemeinen religiosen Toleranz ist es notwendig, ein Konzept der Anerkennung der Diversitat religioser Formen und Gebrauche zu entwickeln. Dies ist moglich auf der Grundlage der Einsicht, dass alle Religionen ungeachtet ihrer unterschiedlichen Auspragungen im Grunde aus dem einen, allen Menschen gemeinsamen Gefuhl der Religiositat entstammen. So lassen sich die unterschiedlichen Religionsformen in wesentlicher Analogie zum Mannigfaltigkeitsprinzip der Natur als ausdifferenzierte Erscheinungsformen des Religiosen an sich verstehen. Gleichwohl konnen die einzelnen Religionsformen nicht auf einen all-gemeinen religiosen Grundgedanken reduziert werden, um so die Unter-schiede einzuebnen und religiose Konflikte aufzuheben. Denn fur den einzelnen Menschen ist seine individuelle religiose Vorstellung unentbehrlich und nicht ersetzbar. Um fruchtbar zu werden, muss der abstrakte Gedanke der religiosen Toleranz in die jeweilige Vorstellungswelt der einzelnen Religion eindringen wie es im Sinnbild des Weges, der Ring-parabel oder der buddhistischen Metapher : "ein Mund spiegelt sich in jedem Wasser" der Fall ist. Daher muss der Analogie von Religion und Sprache Aufmerksamkeit geschenkt werden, um in einer Zeit, in der die Rede vom "Clash of Civilizations" ist, eine Theorie der religiosen Toleranz zu entwickeln.