Am 30. März 1790 schreibt F. L. Stolberg an seinen Bruder:
"Ich begreife aber nicht, daß er (Klopstock) so viel von dem, was über die französischen Angelegenheiten herauskommt, lesen kann.“ Dieser Satz zeigt, wie tief das Interesse Klopstocks an der französischen Revolution war, wie intensiv er sie untersuchte. Er begeisterte sich sehr für die Revolution in Frankreich und sah dort schon die Verwirklichung einer idealen Welt. Diese Begeisterung schenkte ihm noch einmal die Schöpfungskraft der Jugendzeit, obwohl er schon über 65 Jahre alt war. Fast ein Sechstel seiner Oden hat die Revolution zum Thema. Trotzdem ist die Bewertung dieser Oden nicht so hoch, weil dort sein Mangel an Perspektive im Hinblick auf die Revolution hervortrat. Zunächst hat er die Revolution enthusiastisch begrüßt, dann, nachdem sich dort die Herrschaft der Jakobiner gefestigt hatte, wandte er sich von ihr ab, kritisierte sie sehr heftig, drückte seinen tiefen Gram aus. Der dichterische Ertrag der letzten Lebensjahre wird
"gewöhnlich für unwesentlich erklärt: als bedauerliches Zeichen der Vergreisung, zunehmender Schrullenhaftigkeit und persönlicher Verärgerung gewertet.“ (Arno Sachse) Seine Revolutionslyrik versteigt sich leicht
"bis zu kreischenden Tönen“, urteilt R. Petsch. Kurz,
"seine Entwicklung war um die Mitte des Lebens beendet, und er vermehrte seine Werke schließlich nur noch der Zahl nach.“ (R. Bach) Es ist aber auch wahr, daßs
"die Lyrik seiner letzten beiden Jahrzehnte eine durchaus legale Fortsetzung dessen ist, was der Dichter immer war.“ (Arno Sachse) Deshalb dürfen wir uns nicht den Blick dafür trüben lassen, daß
"Klopstock mit seinen Revolutionsoden den Typus des Zeitgedichtes zur Geltung brachte und eine politische Dichtung von hohem kunsterischem Rang zu schaffen versuchte.“ (K. L. Schneider)
Schon von der Jugendzeit her war die Freiheit und Gleichheit der Menschen das zentrale Anliegen des Messias-Dichters. Wenn der Einzelmensch im unmittelbaren Bezug zu Gott steht, so ist jeder Mensch vor ihm frei und gleich. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, das Motto der Revolution, sind auch
"protestantische“ Forderungen der Einzelseele.
Als im Dezember 1788 die Nachricht zu dem Dichter gelangte, nach mehr als 170 Jahren Pause seien wieder die Generalstände zusammengerufen worden, drückte er seine Begeisterung und Zustimmung in dem Gedicht
"Die Etats generaux“ aus, weil er in diesem Ereignis die Bestätigung und Versicherung der Gleichheit der Bürgerklasse und der privilegierten Klasse vor dem Gesetz sah. Diese Versammlung wurde von ihm als
"neue, labende, selbst nicht geträumte Sonne“ genommen. Die Freude über die Franzosen verursachte ihm zugleich Trauer über das rückständige Deutschland. Er fragt:
"Deutsche! Was zeigt/Euer Schweigen? bejahrter Geduld/Müden Kummer? oder verkündet es nahe Verwandlung?“ Mit dieser Frage als Herausforderung erwartet er auch in Deutschland eine Bewegung für Freiheit und Gleichheit. Er sieht in der Bewegung des Nachbarlands die Forderungen des wahren Menschen, glaubt, daß sich diese bald nach Deutschland fortpflanzen, wenn die Völker sich danach sehnen. Er schildert einen Fürsten, der zittert vor dem
"schrecklichen Geist der Freiheit, durch den sich die Völker/Jetzt erfrechen zu sehn, was sie sind“. Klopstock ist der Meinung:
"Sobald ein Volk sich eins wird Republik seyn zu wollen, so darf es auch.“ In der Ode
"Kennet euch Selbst“ (1789) zeigt er mit dem Naturvorgang des Gewitters-
"die schwüle Stille“,
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