Beitraege zur oesterreichischen Literatur
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Osterreichische Naturlyrik in den dreissiger Jahren
Yoshio KOSHINA
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2008 Volume 24 Pages 1-9

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Abstract

Im allgemeinen wird gesagt, dass die osterreichische Lyrik in den dreissiger Jahren wenig Nennenswertes hinterlassen hat. Wilhelm Szabo, der selbst zu dieser Zeit als Lyriker tatig gewesen war, sprach von der "anonymen Generation", die damals Gedichte schrieb. Man kann mit ihm sagen, dass die Lyriker dieser Generation, im Gegensatz zu den Wiener Lyrikern um die Jahrhundertwende, vorwiegend aus der Provinz und dazu aus kleinburgerlichen Familien stammten. Sie wandten sich von der modernen Entwicklung der Literatur ab und legten auf die Natur und das Leben auf dem Lande ihre Schwerpunkte. Zur gleichen Zeit gab es auch in Deutschland eine ahnliche Tendenz. Ihr konkreter Ausdruck war die von Martin Raschke und seiner Gruppe gegrUndete Zeitschrift "Die Kolonne". Es ist bezeichnend, dass osterreichische Naturlyriker mit den Kollegen der Dichter der "Kolonne" zusammenarbeiteten. Im folgenden sollen einzelne Lyriker auf ihre Arbeiten in den dreissiger Jahren hin portratiert werden: Richard Billinger stammte aus dem Inntal, einem Randgebiet in Oberosterreich. Er fuhrte ein Wanderleben, wurde aber fruh von Hofmannsthal als Bauerndichter entdeckt. Er hatte dann mit einem Volksstuck "Rauhnacht" in Deutschland grossen Erfolg. So wurde er als Beitrager in "Die Kolonne" aufgenommen. Seine Gedichte beinhalten schlichte Andacht an die Natur und ihren Schopfer. Guido Zernatto stammt aus Karnten und war wahrend des ersten Weltkrieges als Gymnasiast daran mit beteiligt, die Landesgrenze zu verteidigen. Er studierte dann in Wien Jura und schrieb Gedichte. Sein Thema ist, wie sein Lebenslauf erwarten lasst, das Bauemleben in seiner Heimat. Er war der erste Lyrikerpreistrager der "Kolonne". Er war unter der Regierung Schuschniggs kurz als Minister tatig, und nach dem "Anschluss" ging er ins Exil. Theodor Kramer, in Niederhollabrunn / Niederosterreich geboren, wurde jung im ersten Weltkrieg schwer verletzt. Er studierte dann zwar Staatswissenschaft, begann aber gleich danach mit einem Wanderleben und schrieb Gedichte. Er war immer Freund der Leute aus den unteren Schichten. Er schrieb auch Gedichte uber seine schrecklichen Kriegserlebnisse. Er hatte die Natur in Osterreich sehr gern, schrieb z.B. das Gedicht "Ich mochte an einem schonen Herbsttag sterben". Kramer musste als Jude nach dem "Anschluss" sein Land verlassen. Paula Ludwig kam aus einem Dorf in Vorarlberg und fuhrte ein wechselvolles Leben. Sie machte sich in den zwanziger Jahren in Berlin als Dichterin und Malerin einen Namen. Dann kam die dramatische Liebe zu Yvan Goll. Seit 1928 hielt sie sich oft in Ehrwald/Tirol auf, wo sich damals eine Kunstlerkolonie bildete. Sie schrieb neben leidenschaftlichen Liebesgedichten auch Naturgedichte wie etwa "Spate Fruchte". Nach dem "Anschluss" musste sie emigrieren. Erika Mitterer war Wienerin. Bekanntlich tauschte sie als junges Madchen Gedichte mit Rilke aus. Nach seinem Tod schrieb sie Gedichte in Rilkes Manier. Nach 1933 anderte sie den Kurs hin zu Naturgedichten aus der Landschaft der Stadt Wien. Sie blieb aus familiaren Grfinden in Wien, obwohl sie der nationalsozialistischen Partei kritisch gegenuberstand. Auch der bereits erwahnte Wilhelm Szabo blieb zeitlebens in Osterreich und schrieb gerne Herbstgedichte. Hermann Broch zog sich damals nach Altaussee zuruck und schrieb ebenfalls Waldgedichte. Zusammenfassend konnte man uber die Naturlyrik der dreissiger Jahre sagen: Die Dichter waren gegen die Zivilisation der Grossstadt und die experimentellen Versuche der modernen Kunst eingestellt und richteten ihr Augenmerk auf die Natur und das Leben in der Provinz. Sie hatten aber mit der Blut-und-Boden-Literatur wenig zu tun und lebten meistens in der inneren Emigration. Sie beabsichtigten keine gesellschaftlichen Anderungen, weil, wie Schmidt-Dengler schreibt, "jeder Wandel nur ein

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