Beitraege zur oesterreichischen Literatur
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Nora als "Gewinner" : Der weibliche Korper im ersten Theaterstuck von Elfriede Jelinek
Asako FUKUOKA
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2008 Volume 24 Pages 29-37

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Abstract

In den Theaterstucken Elfriede Jelineks (1946-) ist der Frauenkorper als verfugbare Ware und Kapital ein Grundthema und steht auch in ihrem ersten Theatertext Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte oder Stutzen der Gesellschaften (1977, UA 1979) im Vordergrund. In den bisherigen Forschungsarbeiten wurde Noras Korper unter dem Gesichtspunkt seiner mannlichen Ausbeutung diskutiert. Aber wenn man den Blick auf die damaligen Interviews der Autorin richtet, wird klar, dass ihr Interesse sich nicht nur auf Manner als Ausbeuter richtet, sondern auch auf Frauen, deren Liebe vom okonomischen Kalkul determiniert ist, wobei sie ihren Korper als Kapital einsetzen, um sich dadurch materielle Vorteile zu verschaffen. In dieser Hinsicht untersuche ich Noras Korper und beleuchte die Bedeutung ihres Korperverstandnisses, indem ich die Zweiseitigkeit der Ausnutzung des Korpers, namlich durch die mannliche Ausbeutung auf der einen und seine Instrumentalisierung als Kapital durch die Frauen selbst auf der anderen Seite, betrachte. In den Fabrikszenen wird der Korper der Arbeiterinnen durch seine Zergliederung als etwas Maschinenartiges charakterisiert und so auf typische Weise als Objekt dargestellt. Ab der sechsten Szene, in der Nora durch ihren Tarantellatanz zur Geliebten des Konsuls und Kapitalisten Weygang wird und dadurch auch materielle Guter erlangt, verlagert sich der Charakter des Frauenkorpers von der Maschine zurn sexuellen Objekt. Deshalb gilt manchen Forschern Noras Tanz auch als eine symbolische Ruckkehr in die alte Rolle. Andererseits aber bringt der Tanz Nora materielle Guter und eine neue Stellung innerhalb des Burgertums ein, deshalb kann man die Szene nicht einfach als "Ruckkehr" betrachten. Auch in der Szene, in der Weygang Nora vertreibt, wobei er ihren Korper als gealtert und nicht mehr schon bezeichnet, wird nicht nur die Sicht des Kapitalisten, der den Frauenkorper ausschliesslich als Ware betrachtet, auf extreme Weise sichtbar gemacht, sondern Nora bekommt auch ein Stoffgeschaft bzw. ein neues Gut, wenn auch sozusagen nur als Abfindungsgeld. SchlieBlich unterhalt sie nach ihrer "Ruckkehr" ihren Mann Helmer, der Bankrott gemacht hat, durch ihr Stoffgeschaft und dreht damit das Verhaltnis zu ihm um. In diesem Sinne ist ihr Heim nicht mehr ein "Puppenheim", und man kann sagen, dass es Nora gelingt, selbstandig zu werden.Jelinek sagt, sie habe aus ihrer Nora "eine Komplizin gemacht", wobei sie generell Frauen, die durch die "Gnade" der Manner etwas werden wollen, als Komplizen der "Macht" ansieht. Dabei bedeutet "Macht" nicht nur das Beherrschtsein durch Manner, sondern auch durch den Kapitalismus. In diesem Sinne ist das, was Jelinek in diesem Stuck bewusst machen bzw. ironisieren will, indem sie Nora als okonomischen "Gewinner" beschreibt, nicht nur die Ausbeutungssituation der Frauen und ihre mangelnde Einsicht in diese Situation, sondern auch das Verhalten solcher Frauen, die okonomischen Prinzipien auch im privaten Bereich verfolgen. Indem Jelinek Noras Verhaltnis zu ihrem eigenen Korper so gestaltet, dass er ihr nur als ihr Kapital erscheint, verfolgt sie noch eine weitere Absicht. Darin druckt sich ihre Skepsis gegenuber der sog. "Frauenliteratur" und den Autorinnen aus, die die Betonung von Korpersprache und Gefuhlen als eine spezifisch weibliche Schreibweise betrachten. "Klischeehaft", wie Jelinek sagt, entspricht eine solche Sicht dem gewohnlichen Geschlechterschema, verstarkt es sogar, indem sie das Wesen der Frauen (und dementsprechend auch das der Manner) letztlich festschreibt. Im Hinblick darauf komme ich zu dem Schluss, dass die Gestaltung von Noras Umgang mit ihrem Korper, als handle es sich um ein Kapital, nicht nur zur Bewusstmachung der "Vorherrschaft des Okonomischen" dienen soll, sondern daruberhinaus auch die Behandlung des

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