Beitraege zur oesterreichischen Literatur
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Richard Beer-Hofmanns Ruckbesinnung auf das Judentum : Sein Weg zur Historie von Konig David
Hiroshi MATSUKAWA
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2008 Volume 24 Pages 46-55

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Von den Autoren der vom Antisemitismus gepragten Wiener Jahrhundertwende wagte Richard Beer-Hofmann allein, sich zu seiner judischen Herkunft zu bekennen. Offentlich bekannte er sich erstmals mit der "Historie von Konig David" zum Judentum. Es fehlt an direkten Aussagen Beer-Hofmanns uber die Grunde fur diese judische Ruckbesinnung. Sein Werk gibt aber Auskunft daruber. Es zeigt deutlich die Entwicklung vom Dandyismus im Fruhwerk zur judischen Ruckbesinnung im spaten Werk. Dieses judische Selbstverstandnis wurde durch den Antisemitismus und Zionismus ausgelost. Im vorliegenden Aufsatz geht es um den Versuch einer anschaulichen werkgetreuen Beschreibung von Beer-Hofmanns Ruckbesinnung auf das Judentum. Seine judische Ruckbesinnung steht im Zusammenhang mit heftigen Krisenerfahrungen, die das judische Burgertum der Jahrhundertwende gemacht hatte. Theodor Herzl propagierte mit seinem Judenstaat (1896) ein rein politisches bzw. nationalistisches Judentum. Das judische Burgertum sah sich durch ihn bedroht, weil es die weitere Verscharfung der Antisemitismus und damit die Gefahrdung seiner burgerlichen Rechte befurchten muBte. Beer-Hofmann war sich der judischen Identitat im Sinne eines kulturellen bzw. geistig verstandenen Judentums ohne ausgepragt nationale Komponenten bewusst und zog eine deutliche Grenze zum Zionismus. Im Schlaflied fur Mirjam (1897) ist es das "Blut unsrer Vater, voll Unruh und Stolz", das dem Vater die Teilhabe an der Tradition des Judentums versichert. Durch das Kind erlangt es die Qualitat eines objektiv bestehenden und in die Zukunft wirkenden Bezugspunkts, der dem Leben "ein sicheres Mass" gibt. Denn er weist ihm eine feste Bedeutung innerhalb der Ahnenfolge zu. Im Roman Der Tod Georgs (1900) ist es nicht nur das Blut, sondern auch die "Gerechtigkeit" Gottes und der Begriff des "Gesetzes", der die Wandlung des Helden Paul als Ruckbesinnung auf das Judentum kenntlich werden lasst. Nach der Veroffentlichung von Der Tod Georgs wandelte sich Beer-Hofmanns Verstandnis allmahlich von dem eines kulturellen zu dem eines religios gepragten Judentums. Man kann das Trauerspiel Der Graf von Charolais (1904/1905) als Ausdruck eines Zwischen-bzw. Ubergangsstadiums betrachten. In diesem Drama wird erstmals in Beer-Hofmanns Werk das Problem des Antisemitismus direkt behandelt. Mit der Gestalt des Roten Itzig brachte Beer-Hofmann das Schicksal der Juden zum Ausdruck, die zwischen Assimilation und Preisgabe ihrer Identitat schwankten. Er sah in den Juden keine religiose Gemeinschaft, sondern eine Schicksalsgemeinschaft von Menschen, die gewisse Lehren der Propheten angenommen haben, welche sie zu Friedfertigkeit und Gerechtigkeit verpflichten. Der unvollendet gebliebene dramatische Zyklus Die Historie von Konig David gilt als Versuch, die lange zwischen den Zeilen des Alten Testaments verschuttete Quelle des Judentums freizulegen und sie heute wieder lebendig zu machen. Dabei stellt die dramatische Vergegenwartigung der Bibel den Versuch dar, die Wirkung des biblischen Wortes durch die sinnlichen Vermittlungsweisen der Buhne zu steigern. Als Mittler im Dienst einer zukunftigen Tradierung des Judentums offnet Beer-Hofmann den Geschichtsraum nach vorne, auf die Zukunft hin, um Jaakobs Traum als Anfang, als Ursprung, als Quelle der linear verlaufenden, aber widerspruchlichen Historie des Judentums zu erweisen. Seine Ruckbesinnung auf die kulturellen Wurzeln des Judentums bezeichnet den Versuch, als handelnd-aktives Subjekt einen sicheren Ausgangspunkt der Geschichtserkenntnis zu gewinnen.

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