die Deutsche Literatur
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Negativität der Gerechtigkeit
-Versuch über Uwe Johnsons “Mutmaßungen über Jakob”-
MOTOKO NEMOTO
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1975 Volume 54 Pages 105-115

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Abstract

Der Roman “Mutmaßungen über Jakob” von Uwe Johnson fängt mit dem rätselhaften Tod des Eisenbahners Jakob in der DDR an. Nach seinem Tod bemühen sich die dem toten Jakob nahe stehenden Leute, das Rätsel seines Todes zu lösen, und ihre Mutmaßungen führen dazu, sein Leben aus den zusammenhanglosen Einzelheiten zu rekonstruieren.
Seit der Veröffentlichung dieses Romans in der BRD interpretiert man einerseits Jakob als das Symbol des undurchsichtigen, unerkennbaren menschlichen Daseins. Andererseits, vom politischen Standpunkt aus, betrachtet man diesen Roman als Darstellung des geteilten Deutschlands. Die ziemlich komplizierte Komposition des Romans, in der verschiedene Geschichten mosaikartig eingelegt sind, soll nicht als Sinnbild dafür angesehen werden, daß das Dasein Jakobs unerkennbar ist.
In dieser Abhandlung wird das Problem der Gerechtigkeit erörtert, der Eigenschaft Jakobs, die einen unabdingbaren Bestandteil seiner gesellschaftlichen Existenz darstellt. Hinsichtlich der Schreibweise dieses Romans ist die Subjekt-Objekt-Beziehung von einer eigentümlichen Wichtigkeit, denn sie ist vom Autor beim Verfahren des Mutmaßens bewußt reflektiert worden, und affiziert den Inhalt selbst der Erkenntnis, d. i. die Realität um und über Jakob.
Herr Rohlfs, Hauptmann der Sicherheitsdienstes in der DDR, hat die Absicht, Gesine Cresspahl, die vorher aus der Republik geflohen und nun als Sekretärin im NATO-Hauptquartier tätig ist, für die DDR zu gewinnen. Zu diesem Zweck befragte er Frau Abs, Jakobs Mutter, darüber, die darauf nicht antworten wollte und sofort danach in den Westen ging. Aufgrund seiner eigenen Ansicht nämlich, daß nur die verläßlich seien, die sich freiwillig zum Sozialismus entscheiden, wollte er keinen Menschen zur Sache des Sozialismus zwingen. Aus diesem Grunde wollte er Jakob, dutch dessen vermittelnde Worte er Gesine zu gewinnen versuchte, nicht zwingen, sondern überzeugen, -und zwar dadurch, daß er ihm die Geschichte der DDR erzählte, von der Befreiung durch die russische rote Armee bis zum gegenwärtigen politischen Stand. Beim ersten Gespräch mit Jakob beobachtete er ihn und dachte: “seine Arbeit bedeutet nur diese Verantwortung und nichts darüber hinaus: dachte ich, ich hätte ihn gern gefragt wie er denn lebt. Was ein ernsthafter Mensch dachte ich.” Nach der Meinung von Herrn Rohlfs ist Jakob ein ernsthafter, gerechter Mensch.
Jonas Blach, Assistent für Anglistik an der Universität in Ost-Berlin, hielt Jakob dem Ansehen nach für “verwechselbar mit jedem, der ihm nur ähnlich wäre.”Später schien ihm Jakob als Streckendispatcher verwechselbar mit jedem. Jakob sagte aber an einer Stelle des Romans: “ich wünsche mir nichts”. Und die Erzählung kommentiert: “die Zeit war...so gefügt, daß einer wenig Gewalt über sein eigenes Leben hatte und dafür aufkommen mußte, was er nicht angefangen hatte.” Er fühlte, daß er dieses heteronome Leben nicht mehr aushalten könnte. Hier wird klar aufgezeigt, daß Jakob auf die Zeit und Gesellschaft nur passiv reagiert.
Seine Passivität tritt beim Gespräch über Freiheit in der Beziehung zu Jakob und den anderen Hauptfiguren deutlich zu Tage. Dabei setzte sich Jakob, beeinflußt vom Freiheitsbegriff Jonas‘, Freibeit sei Finalität, mit dem Begriff von Herrn Rohlfs, Freibeit sei Einsicht in die Notwendigkeit, auseinander; obgleich Jakob früher meinte, es gebe keine Freiheit, sondern nur die Verantwortung. Jakob war auch noch mit der Cresspahls Meinung, daß Herr Rohlfs die Sache des Sozialismus zu seiner Sache gemacht hätte, einverstanden

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