die Deutsche Literatur
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Das Grundefüge der neuen deutschen Naturlyrik
MAKOTO HIDAKA
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1975 Volume 54 Pages 22-33

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Abstract

Die deutsche Naturlyrik erlebt in unserem Jahrhundert einen neuen Aufschwung. Sie gewinnt schon bei ihren Erneurern Oskar Loerke und Wilhelm Lehmann eine fest umrissene Gestalt, verbreitet sich immer weiter und erreicht “ihren Höhepunkt um die Jahrhundertmitte” (Krolow). Dieses Phänomen der Naturlyrik neuen Typs bildet aber keine so umfangreiche literarische Bewegung wie der Expressionismus. Es tritt auch nicht vor mit einem so auffallenden Zeichen wie der Dadaismus oder irgendein ähnliches literarisches Experiment. Wer den Versuch unternimmt, dieses Phänomen als Ganzes darzustellen, muß aus einzelnen Gedichten verschiedener Dichter die Gemeinsamkeiten herausfinden und diese als Stilgesetze gelten lassen. Um dies zu können, sollte er sich aber im voraus über ihr Wesen klar sein. Diese schwierige hermeneutische Frage läßt sich wohl in diesem Fall nur damit lösen, ihr Grundgefüge zu berücksichtigen. Es tauchen doch Gemeinsamkeiten eines Grundgefüges beharrlich in ihren verschiedensten Erscheinungen auf.
Diese Naturlyrik seit den 20er Jahren ist dem Mißverständnis ausgesetzt, daß sie eine Art Zuflucht in “die pastorale Natur” sei, da man doch gerade in jener Zeit unter harten sozialen Verhältnissen litt. Das Mißverständnis ist überhaupt in der Vermischung der Dichtung mit dem persönlichen Erlebnis des Dichters verwurzelt-Lehmann selbst hat sich einmal “als Dichter... einen entschiedenen Gehtyp” genannt; die Natur “unter freiem Himmel” bliebe immer sein Arbeitsplatz-und rührt hier im besonderen von der Verwechselung der eigenartigen “Natur” in der neuen Naturlyrik mit der wirklichen und oft als “pastoral” vorgestellten Landschaft her. Die Einsicht in jenes Grundgefüge wird solche falsche Meinung beseitigen.
In der Mitte der 30er Jahre verfaßte Loerke, der schon 1911 seinen ersten Versband herausgegeben hatte und sich danach sowohl als einer der repräsentativen Expressionisten als auch als Lektor des S. Fischer Verlags mit der Dichtung beschäftigt war, eine Reihe Essays über Lyrik und versuchte vor allem die Bedingungen für weitere Möglichkeiten der deutschen Lyrik nach dem Expressionismus zu ergründen. Die Überlegungen führten ihn zum bitteren Anerkennen der Begrenzung, die die dichterische Sprache auf sich nehmen müßte, wenn sie “nicht in eitle Bilder und schwatzhafte Träume fließen, sondern ihren Gehalt verantworten” wollte. Loerke lehnte daneben auch die übliche Ansicht ab, die das Wort nur als “Betriebsstoff für die Räderwerke der Unterhaltung und Verständigung” hält, womit er übrigens vielleicht die zeitgenössische literarische Tendenz “Neue Sachlichkeit” andeutete. Schließlich wußte Loerke hier “positiv als Aufgabe der dichterisch formenden Sprache nur anzugeben, daß sie schlicht und genau Dasein auszudrücken habe.”
Seine Betrachtungen über die Lyrik überhaupt sollten sich nachher als die Begründungstheorie der neuen Naturlyrik herausstellen. Denn die beiden negativen Begrenzungen, nämlich die Verweigerung der eitlen Bilder auf einer Seite und die Ablehnung der nur darstellenden und mitteilenden Sprache auf der anderen, bleiben durchaus in der kommenden Naturlyrik erhalten, wenn sie auch in sehr verschiedener Form und mit mannigfaltigem Inhalt erscheint. Beide negative Eigenschaften sind sozusagen ihre elliptischen Brennpunkte. Das Dasein “schlicht und genau” auszudrücken, heißt daher keineswegs die bloße Schilderung der Landschaft

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