Annals of Ethics
Online ISSN : 2434-4699
Bedürfnis in der bürgerlichen Gesellschaft und Leidenschaft in der Weltgeschichte
Über Dynamismus in Hegels Philosophie des objektiven Geistes
Tatsuo Ikematsu
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JOURNAL OPEN ACCESS

2018 Volume 67 Pages 149-162

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Abstract
Die Abhandlung erklärt den Dynamismus in Hegels Philosophie des objektiven Geistes aus der Unterscheidung zwischen dem Begriff der ,Leidenschaft‘ in seiner Geschichtsphilosophie und demjenigen des ,Bedürfnisses‘ in seiner Rechtsphilosophie. Hegels Schema der ,welthistorischen Individuen‘, mittels deren Leidenschaften und der hieraus resultierenden Handlungen sich die Idee in der Weltgeschichte verwirkliche, wurde bisher meist vor dem Hintergrund des ,Systems der Bedürfnisse‘ in der bürgerlichen Gesellschaft interpretiert. Diese Interpretation scheint aus heutiger Sicht jedoch ungenügend, da sie bestimmte Im plikationen der Hegelschen Geistphilosophie übersieht. Der adequate Nachvollzug dieser Implikationen ‒ der hier hinsichtlich der Unterscheidung der Begriffe ,Leidenschaft‘ und ,Bedürfnis‘ unter Berücksichtigung ihres jeweiligen Kontextes geleistet werden soll ‒ scheint aber auch erst vor dem Hintergrund einiger Ergebnisse rezenter Forschung zu den Vorlesungsnachschriften überhaupt möglich.
 (1)Beim Begriff des Bedürfnisses kommt es auf die Anerkennung des Selbstbewusstseins an. Im System der Bedürfnisse handeln diejenigen selbstbewussten, autonomen und denkenden Subjekte, die durch die Bildung der(leiblichen)Gewohnheit, der Arbeit(bzw. der aus ihr resultierenden Geschicklichkeit)sowie der Sprache verwirklicht worden sind.(2)Der Begriff der Leidenschaft hingegen ist im Kontext der Philosophie des Geistes mit dem Begriff der ,Verrücktheit‘ verwandt. In der Verrücktheit wird die Totalität des Geistes in einer besonderen Bestimmung fixiert und die Struktur des Bewusstseins desselben erschüttert. Demgemäß darf das von einer Leidenschaft getriebene Individuum nicht mit dem gebildeten Subjekt der bürgerlichen Gesellschaft verwechselt werden. Ersteres vermag anders als letzteres sowohl die ganze Struktur des Bewusstseins, als auch die gegebene sittliche Ordnung zu revolutionieren, indem der Geist durch es die noch unbewussten Inhalte aus dem Reich des bewusstlos Aufbewahrten(,Schacht‘)zu Tage fördert.
 Zwar lassen sich daraus natürlich keine unmittelbar praktischen Grundsätze ziehen. Sehr wohl aber dürfte auf diese Weise ersichtlich werden, dass und wie sich der Geist Hegel zufolge zum Subjekt nicht nur bildet, sondern immer auch umbildet, gar revolutioniert.
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