Neue Beiträge zur Germanistik
Online ISSN : 2433-1511
Aufsätze
Joseph Roth als Cineast
— Zum Wiederlesen der Erzählung Die Legende vom heiligen Trinker
Tetsuro YODA
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2022 Volume 164 Pages 147-160

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Abstract

  Joseph Roth bezeichnete seine letzte Erzählung Die Legende vom heiligen Trinker (1939) als sein »Testament«, weshalb man das Werk bisher ausschließlich aus autobiografischer Perspektive (Bronsen 1974) interpretierte. Die Erzählung wird als „Joseph Roths Utopie“ oder „Joseph Roths Legende“ betrachtet, wobei man sich gern auf den utopischen „habsburgischen Mythos“ des Autors und Germanisten Claudio Magris beruft (Imahashi 1998). Zwar weist der Text utopische Szenen und eine märchenhafte Atmosphäre auf, nicht übersehen werden sollte jedoch, dass Roth auch viele moderne, ja filmische Elemente in die Erzählung einbezogen hat.
  Im vorliegenden Aufsatz wird daher vor allem die Beziehung von Joseph Roth zum Film und die Bedeutung der Kinobesuche des Protagonisten Andreas herausgearbeitet und schließlich versucht, das vorherrschende Image Joseph Roths als konservativer Schriftsteller (Reich-Ranicki 1994) zu korrigieren. In diesem Kontext findet man eine Reihe negativer Klischees, denn Roth kritisierte in seinem Essay Antichrist (1934) die Filmwelt Hollywoods und charakterisierte in seinen Romanen die moderne kapitalistische Filmwelt als einen Repräsentanten Satans. Man sollte allerdings nicht vergessen, dass es auch positive Filmrezensionen von Roth gibt. Der Schriftsteller hatte eine besondere Vorliebe für den Stummfilm, vor allem für die Arbeiten von Charlie Chaplin, für Der letzte Mann (1924) von Friedrich Wilhem Murnau und für Nanook of the North (1922) von Robert J. Flaherty.
  Der Protagonist Andreas sieht in einem Kino einen fremden, abenteuerlichen Film und er empfindet für den Helden zunächst Sympathie, die dann wegen des Happy Endings jedoch wieder verlorengeht. Man könnte dies mit dem negativen Hollywoodbild in Verbindung bringen, das Roth in seinem Essay Antichrist zeichnet. Allerdings ziehe ich im vorliegenden Aufsatz absichtlich die positiven Aspekte von Andreas in Betracht und vergleiche sie mit den oben genannten wohlwollenden Filmrezensionen Roths, um seine Vorstellungen zum Thema Film herauszuarbeiten.
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