抄録
Zwei entgegengesetzte Meinungen betreffs der Geschichtsverständnisse bei den Hebräern und den Griechen befinden sich in der gegenwärtigen Forschung. Wir nennen die erste Meinung (A) und die zweite (B). Zu (A) gehören die Forscher z. B. wie S. Hatano, H. Rickert, R. Niebuhr usw., während zu (B) R. G. Collingwood, Wilamowitz-Moellendorff, W. Jäger usw. Nach (A) sind nur die Hebräer diejenigen, die gut verstanden, was die Geschichte ist. Nach (B) ergriffen nur die Griechen den Sinn der Geschichte. Welche Meinung sich als richtig erweistist die Frage, um die wir uns mit dem vorliegenden Aufsatz beschäftigen wollen.
Nach (A) ist das Kennzeichen der Geschichtsanschauung bei Äschylus, den Vorsokratikern, Platon und Plotin durchgehend die Verneinung der Bedeutung der Geschichte. Nach ihnen ist die Geschichte nichts anderes als die sinnlose Wiederholung der ewigen Physis. Dagegen verstanden hebräische Propheten wie Amos, Jesaja, Jeremia and Deuterojesaja den Sinn der Geschichte mit Recht als Verwirklichung des Ideals, der mit der göttlichen Gerechtigkeit verbunden war, d. h. nur die Hebräer müssen als Entdecker des Sinnes der Geschichte bezeichnet werden. Dagegen behauptet (B) wie folgt: die Geschichte der Propheten und der Schöpfungsberichte ist nur theokratische bzw. mythologische Geschichte. Nur die Geschichtsschreibung bei Herodot und Thukydides fragte nach den wirklichen Phasen der Tatsachen, deren Antworten auf den Beweisen basiert sind, und verdient, als wissenschaftliche Geschichte genannt zu werden. So behauptet (B), dass die eigentliche Geschichte durch die Griechen entdeckt wurde.
Nun müssen wir folgendes ins Auge fassen: wir sired nicht imstande, vom Mangel in den Behauptungen, der uns sowohl in (A) als in (B) begegnet, abzusehen. Welcher ist der Mangel in den beiden Behauptungen? Er liegt darin vor, dass das Behauptete nur durch die Vernachlässigung der Texte, die als Gegenbeweise bewertet werden könnten, bestehen kann. Kann (A) nur insofern möglichsein, als sie Herodot und Thukydides vernachlässigt, während (B) nur denkbar ist, wean man von der sog. Thronfolgegeschichte Davids absieht? Wenn der eine von den beiden dazu dient, als Gegenbeweise bewertet zu werden, müsste (A) oder (B) aufgegeben werden.
Thukydides schreibt (I 22): die Absicht seiner Geschichtsschreibung liegt darin, die historischen Tatsachen niederzuschreiben, weil die Geschichte nach der menschlichen Natur wiederholbar ist. Seine Methode kann wohl als positiv bezeichnet werden, indem er nach den Gründen fragt, woraus die betreffende Tatsache zustande kam (I 23, vgl. II 48). Daraus kommt hervor, dass die Geschichte bei Thukydides ganz anders geartet ist als diejenige, die bei (A) vorausgesetzt wäre. Wie steht es dann mit der Thronfolgegeschichte Davids? Die genaue Annalistik fehlt darin ganz und gar (vgl. IISam. 10, 1; 13, 1; 15, 1). Ausserdem suchen wir darin die positive Methode, die die Geschichtsschreibung des Thukydides kennzeichnet, vergebens. Die Thronfolgegeschichte kann also als Geschichtsschreibung im Sinne der (B) nicht verstanden werden.
Danach werden wir gedrängt zum Schluss, dass die Frage selbst, ob (A) oder (B) richtig wäre, von Anfang an falsch gestellt war. M. a. W. hat der Vertreter der Meinung (A) recht, falls sein Geschichtsverständniss richtig ist. Dasselbe gilt dem Vertreter der Meinung (B), falls das Geschichtsverständniss, das er voraussetzt, recht hat. Der Entdecker der Geschichte kann nicht so einseitig angenommen werden, dass der Hebräer oder der Grieche dabei in Frage kommt. Jener hat die Geschichte als Vorgang der Verwirklichung der hebräischen Gerechtigkeit, während dieser sie als Historie im Sinne der griechischen Wissenschaft entdeckt.