2014 年 2014 巻 65 号 p. 25-42_L4
Gegenwart wird wahrgenommen, Vergangenheit erinnert und Zukunft gewärtigt. Was ist aber die Fähigkeit, die Zukünftiges gewärtigt? Es ist nichts anderes als die Einbildungskraft. Man stellt sich Zukünftiges vor. Bei der Erinnerung stellt man sich zwar auch Vergangenes vor, doch dabei wird das erinnerte Vergangene von einem Wirklichkeitsgefühl begleitet, das bei der Vorstellung des Zukünftigen fehlt. Deswegen unterscheidet sich die Erinnerungsvorstellung vom Vergangenen durch einen wesenhaften Zug von der Zukunftsvorstellung; dagegen sind es nur äußere Gründe und Verhältnisse, welche die Vorstellungen des Zukünftigen von den anderen unterscheiden. Also entspricht der Zukunft kein eigenes Erkenntnisvermögen, wie im Fall der Gegenwart oder der Vergangenheit.
Weder Vergangenheit noch Zukunft werden aber nur durch Vorstellung „aufgefasst“, sondern beide werden „vor“ der Vorstellung erfühlt. Weder ein einzelnes Vergangenes noch seine Erinnerung, sondern die Vergangenheit im Ganzen, die normalerweise nicht das Bewußtsein erreicht, ermöglicht und stützt die Kontinuität des menschlichen Lebens. Jedes einzelne Vergangene ist ein Perfektum. Als solches kann es in Vergessenheit geraten und in der Vergangenheit im Ganzen aufgenommen werden und darin spurlos aufgehen. Aber erst auf dem Hintergrund der Vergangenheit im Ganzen kann es wieder erinnert und ausdrücklich thematisiert werden. Was die Zukunft als solche betrifft, ist sie kein Zukünftiges, sondern streng genommen, als ein Nie- wirklich-(gegenwärtig)-werdendes zu begreifen. Sie ist immer selbst gleichsam verspätet und wird also nur als ein absolutes, reines Vergehen der Zeit unwissentlich erlebt. Diese Zukunft als absolutes, reines Vergehen ist inhaltlich ganz leer. Gerade deswegen muß sie jeweils mit Inhalten von einem Subjekt gefüllt werden, was nichts anderes als „Leben“ bedeutet. Die Zukunft sollte nicht im Sinne des vollendeten Wissens erkannt, sondern vor allem gelebt werden.
Besonders in der heutigen Zeit strebt man dahin, Zukünftiges im voraus erkennen zu wollen. Dieses Streben nach dem Vorauswissen der Zukunft kann die Lebendigkeit der menschlichen Zeit vermindern. Man muß verstehen, Vergangenheit gewesen sein und Zukunft sein werden zu lassen.