2002 年 10 巻 p. 132-
Die Vorrede zu Schillers Tragödie Die Braut von Messina bildet den historischen Einschnitt in der neuzeitlichen Chorrezeption. Im Gegensatz zu Lessing hat Schiller die Wiedereinführung des Chors gefordert, um das allgemeine prosaische Leben öffentlich zu machen. Schillers Konzept des Chors ist nicht die Nachahmung des antiken. Dabei geht es um die Doppelfunktion des Chors als realer und idealer Person, die Schiller zu rechtfertigen versucht hat. In beiden Personen spiegelt sich die ernste Zwiespalt des modernen Lebens zwischen privater und öffentlicher Sphäre. Obwohl Schiller den Chor wesentlich als eine einzige ideale Person sowie eine Repräsentanz der Öffentlichkeit auffaßt, wird der ritterliche Chor in der Braut von Messina fast immer parteiisch geteilt und handelt als Individuum, so daß er den idealen, d. h. öffentlichen Charakter zu verlieren scheint, dem Schiller eine so fundamentale Bedeutung für die Tragödie zugeschrieben hat. Diesen öffentlichen Charakter übernehmen die schweigenden Ältesten von Messina, die die lebendige Welt repräsentieren. In ihnen könnte man die Funktion einer Art Ur-Chor finden.